Faire und freie Wahlen gibt es in Belarus nicht. Machthaber Lukaschenko will fünf weitere Jahre an der Spitze des Landes bleiben. Dabei wächst seine Abhängigkeit von Russland.
Wahl ohne Alternative in Belarus: Lukaschenko erwartet Sieg
In Belarus wird Alexander Lukaschenko nach mehr als 30 Jahren an der Macht an diesem Sonntag bei einer als Farce kritisierten Präsidentenwahl erneut zum Staatsoberhaupt ernannt. Es ist sicher, dass der als letzter Diktator Europas bezeichnete 70-Jährige sich zum siebten Mal in Folge zum Sieger erklären lassen wird. Die vier Mitbewerber in der Ex-Sowjetrepublik sind reine Statisten.
Etwa vier Jahre nach den gewaltsam unterdrückten Massenprotesten gegen die langjährige Herrschaft Lukaschenkos sind Oppositionelle entweder ins Ausland geflohen oder im Gefängnis. Menschenrechtsaktivisten bemängeln, dass in dem Land, das als einziges in Europa noch die Todesstrafe vollstreckt, über 1.200 Menschen aus politischen Gründen inhaftiert sind.
Zur Wahl aufgerufen sind etwa 6,9 Millionen wahlberechtigte Bürger. Lukaschenko erwartet nun hauptsächlich einen Treuebeweis seines Machtapparats, nachdem das Land von Andersdenkenden gesäubert und die Medien gleichgeschaltet wurden.
Die Wahllokale schließen um 18.00 Uhr MEZ (20.00 Uhr Ortszeit). Im Jahr 2020 hatte die Wahlkommission ihm 80,1 Prozent der Stimmen zuerkannt – bei einer Wahlbeteiligung von 84,38 Prozent. Dies führte landesweit zu Massenprotesten, die Lukaschenko gewaltsam unterdrücken ließ – mit Unterstützung Russlands. Seitdem haben laut Schätzungen der Vereinten Nationen 300.000 Menschen Belarus verlassen.
Laut Behördenangaben haben bereits vor dem eigentlichen Wahltag 41,81 Prozent der Wahlberechtigten abgestimmt. Kritiker betrachten die vorzeitige Stimmabgabe als ein Mittel der belarussischen Behörden, um die Wahlbeteiligung und -ergebnisse zu manipulieren.
Opposition fordert Nichtanerkennung der Wahl
Die Opposition im Exil zeigt sich uneins, wie sie mit der Abstimmung umgehen soll. Teile rufen zum Boykott auf, andere dazu, die Möglichkeit «gegen alle» auf dem Wahlzettel zu nutzen, was nach Meinung von Experten die Gefahr birgt, dass viele Menschen an die Urnen gehen und dem Machtapparat Bilder einer hohen Wahlbeteiligung liefern.
Das Lager um die Anführerin Swetlana Tichanowskaja, die 2020 nach Meinung vieler die Wahl gewonnen hatte, forderte die internationale Gemeinschaft auf, weder die Wahl noch Lukaschenko als Präsidenten anzuerkennen. Das Land ist nicht nur wegen politischer Repressionen, sondern auch wegen der Unterstützung für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit westlichen Sanktionen belegt.
Experten sind der Meinung, dass Lukaschenko vor der Wahl politische Gefangene begnadigte – insgesamt mehr als 200. Dies tat er vor allem in der Hoffnung, dass der Westen wieder den Dialog aufnimmt.
Experte: Wieder mehr Rückhalt für Lukaschenko
Der im Exil im Ausland lebende Politologe Waleri Karbalewitsch sieht ein Land in Angst: Lukaschenkos Apparat fürchte neue Proteste und habe deshalb schon vor der Abstimmung Vertreter in Institutionen Unterstützerunterschriften sammeln lassen. «Die ganze Staatsmaschinerie steht Kopf, obwohl es nicht die leisesten Hinweise auf Protest und auch keinen Kandidaten als Alternative gibt», sagt er. Der schon zu Sowjetzeiten wegen seiner Brutalität gefürchtete Geheimdienst KGB hält Belarus fest im Griff.
Und auch die Wähler sind verängstigt, weil ihnen bereits Strafverfolgung droht, wenn sie kritische Informationen auf ihrem Mobiltelefon lesen, sagt Karbalewitsch der Deutschen Presse-Agentur. Lukaschenko möchte sich durch die nun im Winter angesetzte Abstimmung neu legitimieren. Ursprünglich wäre der reguläre Termin im Sommer gewesen.
Lukaschenko nutze derzeit eine gewisse Konsolidierung der Gesellschaft, weil die Kritiker weg seien. Zudem setze er sich vor allem mit Blick auf den Krieg in der benachbarten Ukraine als Wahrer des Friedens und der Stabilität in Szene. «Er hat auch Rückhalt von vielen, die 2020 gegen ihn waren, die aber schon damals auch prorussisch eingestellt waren und jetzt wieder auf Linie sind», erklärt Karbalewitsch. Kremlchef Wladimir Putin hatte Lukaschenko damals trotz Hoffnungen vieler Demonstranten in Belarus nicht fallengelassen.
Hohe Abhängigkeit von Russland
Der Experte Karbalewitsch erwartet, dass der zuletzt auch von Gesundheitsproblemen geplagte Lukaschenko bis an sein Lebensende an der Macht bleiben will. Die Chancen stünden nicht schlecht, «weil derjenige, der mit Russland befreundet ist, Gas und Öl zu niedrigen Preisen und den atomaren Schutzschirm erhält». Inzwischen gehe es Belarus auch wirtschaftlich besser, weil die Betriebe des Landes für Russlands Kriegswirtschaft produzieren.
Der Preis für Lukaschenkos Machterhalt sei eine immer größere wirtschaftliche, finanzielle und politische Abhängigkeit von Putin. «Souveränität aber hat Belarus immer weniger», sagt Karbalewitsch, der gleichwohl wegen des starken Widerstands in Minsk keine akute Gefahr sieht, dass Russland sich den Nachbarn einverleibt.