Spitzenkandidaten umwerben unentschlossene Wähler – Regierungsbildung vor großen Herausforderungen
Letzter Wahlkampftag vor Bundestagswahl in Deutschland

Spitzenkandidaten und Parteien werben auch am letzten Tag vor der Bundestagswahl unentschlossene Wählerinnen und Wähler um. «Ich glaube nicht an Wunder, sondern an einen Wahlsieg», sagte Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in seiner Heimatstadt Potsdam. «Ich bin überzeugt, es wird diesmal so sein, dass ganz viele sich erst im Wahllokal entscheiden.»
Er setze darauf, dass viele der SPD beide Stimmen geben würden, «damit wir stark genug sind und damit die Regierung unter meiner Führung fortgesetzt werden kann». In Umfragen lag die SPD in den vergangenen Monaten immer klar hinter der Union und der AfD.
Laut Umfragen waren etwa 20 Prozent der Wähler jedoch noch unschlüssig darüber, ob und wen sie wählen sollen. Am Sonntag haben etwa 59 Millionen Menschen das Recht zu wählen.
Wahlkampfabschluss der Union mit Merz und Söder in München
Am Abend sind Friedrich Merz, Markus Söder und Alexander Dobrindt die Hauptredner beim Wahlkampfabschluss im Löwenbräukeller in München. Die Union wird als Favorit bei der Wahl angesehen.
Scholz optimistisch für Erfolg im Wahlkreis in Potsdam
Scholz gab sich optimistisch für einen Erfolg in seinem Wahlkreis in Potsdam. «Ich bin ganz sicher, dass der Wahlkreis von mir erneut gewonnen werden kann – so wie beim letzten Mal», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Die Stimmung ist danach.» Scholz tritt als Direktkandidat in Potsdam unter anderem gegen Grünen-Außenministerin Annalena Baerbock an. Er besuchte am Morgen einen Wahlkampfstand in der Innenstadt und sprach mit Bürgerinnen und Bürgern – allerdings war das Interesse eher gering.
Der Kanzler zog eine positive Bilanz des kurzen Wahlkampfes. «Der Wahlkampf war ganz beeindruckend und hat mir Spaß gemacht», sagte er. Viele Bürger hätten Interesse, sich zu informieren.
Bei einer Veranstaltung in Brandenburg an der Havel setzte sich Scholz für eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre auch bei Bundestagswahlen ein. «In vielen Ländern ist das ja schon der Fall und bei vielen kommunalen Wahlen in Deutschland auch. Es hat gut funktioniert und alle Vorurteile darüber waren nicht richtig», sagte er. Allerdings müsse für die Absenkung das Grundgesetz geändert werden. «Es ist die CDU, die noch nicht überzeugt ist», so Scholz.
TV-Speeddating zum Wahlkampfabschluss
Selbst am Abend geht das Werben um Wählerstimmen weiter. Bei einem «Speed-Dating» der Sender ProSieben und SAT. können Bürger die Kanzlerkandidaten befragen. Neben Scholz sind Grünen-Kandidat Robert Habeck und die AfD-Kandidatin Alice Weidel dabei. Merz ließ sich aus Termingründen entschuldigen.
Umfragen sehen Union an der Spitze – aber teils unter 30 Prozent
Laut Wahlumfragen ist die Union zwar die deutlich stärkste Kraft. Allerdings sahen einige Institute sie zuletzt auch unter der wichtigen Marke von 30 Prozent.
In einer am Samstag veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa im Auftrag der «Bild»-Zeitung liegen CDU/CSU bei 29,5 Prozent. Das entspricht einem Rückgang um einen halben Prozentpunkt im Vergleich zur vorherigen Erhebung. AfD und SPD bleiben bei 21 bzw. 15 Prozent. Die Grünen verlieren leicht auf 12,5 Prozent (-0,5). Die Linke legt um einen halben Prozentpunkt auf 7,5 Prozent zu.
FDP und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sind nach wie vor in Unsicherheit. Die FDP verzeichnet leichte Zugewinne auf 4,5 Prozent (+0,5), bleibt jedoch unter der Fünf-Prozent-Hürde. Das BSW würde mit konstanten 5 Prozent im Bundestag vertreten sein. Wahlumfragen sind jedoch generell unsicher und keine Vorhersagen für den Ausgang der Wahl.
Komplizierte Regierungsbildung erwartet
Die Bildung der Regierung wird voraussichtlich laut Umfragen eine große Herausforderung darstellen. Merz strebt eine Zweierkoalition mit SPD oder Grünen an – während CSU-Chef Markus Söder eine schwarz-grüne Koalition entschieden ablehnt. Sollten mehrere kleine Parteien die Fünf-Prozent-Hürde überschreiten, könnte die Union auf einen dritten Koalitionspartner angewiesen sein. Dies könnte, ähnlich wie bei der gescheiterten Ampel, zu einer größeren Instabilität führen.
Bundestag wird kleiner – rund 100 Abgeordnete weniger
Der Bundestag wird aufgrund einer Reform deutlich kleiner sein als zuvor. Die Anzahl der Abgeordneten wurde auf 630 begrenzt – mehr als 100 weniger als derzeit. Der kurze Winterwahlkampf wurde zuletzt von der Diskussion über eine Begrenzung der Migration geprägt. Ein weiteres wichtiges Thema war die schwächelnde Wirtschaft.
Demonstrationen in mehreren deutschen Städten
Am Tag vor der Wahl waren in mehreren deutschen Städten Demonstrationen geplant. Diese richteten sich – wie in Hamburg und Hannover – gegen rechts oder riefen – wie etwa in Kiel – zu Vielfalt und Toleranz auf.