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Impfschäden: BGH prüft Entschädigungsansprüche von Geimpften

Ein Impfschaden liegt vor, wenn Gesundheitsschädigungen über übliche Impfreaktionen hinausgehen. BGH entscheidet über Entschädigungsansprüche bei Impfungen.

Am BGH geht es heute um die Klage einer Frau, die im März 2021 mit dem Impfstoff Vaxzevria des Herstellers Astrazeneca geimpft wurde. (Symbolbild)
Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

Während der Corona-Pandemie wurden in Deutschland fast 200 Millionen Impfungen gegen das Virus verabreicht. Die meisten Menschen hatten keine Probleme damit, aber einige berichteten von gesundheitlichen Schäden nach der Impfung. Einige von ihnen fordern vor Gericht Entschädigung von den Herstellern der Impfstoffe. Der Bundesgerichtshof prüft nun, ob und in welchem Ausmaß solche Forderungen gerechtfertigt sind. Die wichtigsten Fragen und Antworten vor der heutigen Verhandlung:

Wann spricht man von einem Impfschaden?

Ein Impfschaden wird vom Bundesgesundheitsministerium definiert als eine Gesundheitsschädigung, die über normale Impfreaktionen wie vorübergehendes Fieber oder Schmerzen an der Injektionsstelle hinausgeht. Die Zuständigkeit zur Entscheidung, ob eine Schädigung tatsächlich durch die Impfung verursacht wurde und somit ein Anspruch auf Entschädigung besteht, liegt bei der entsprechenden Behörde des jeweiligen Bundeslandes.

Wie viele Menschen sind von Corona-Impfschäden betroffen?

Es ist schwierig zu sagen, wie viele Menschen tatsächlich Schäden durch die Covid-19-Impfung erlitten haben. Zwischen Ende 2020 und Ende 2024 wurden dem Paul-Ehrlich-Institut rund 350.000 Verdachtsfälle von Impfnebenwirkungen gemeldet. Das entspricht einer Rate von 1,78 Meldungen pro 1.000 Impfdosen. Bei schwerwiegenden Nebenwirkungen lag die Rate bei 0,32 Meldungen pro 1.000 Impfdosen.

Diese Verdachtsfälle seien «unerwünschte Reaktionen, die in zeitlicher Nähe zu einer Impfung aufgetreten sind, jedoch nicht notwendigerweise durch den Impfstoff ausgelöst wurden», betont das Institut. Es handele sich weder um bestätigte Nebenwirkungen noch um Impfschäden.

Wer klagt in Karlsruhe?

Heute am BGH wird über die Klage einer Frau verhandelt, die im März 2021 mit dem Impfstoff Vaxzevria von Astrazeneca geimpft wurde. Nach der Impfung wurde bei ihr ein vollständiger Hörverlust auf einem Ohr festgestellt. Sie macht die Impfung für ihre gesundheitlichen Probleme verantwortlich und wirft Astrazeneca vor, dass der Impfstoff kein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis hatte. Sie verlangt Schadenersatz und Informationen zu den bekannten Wirkungen und Nebenwirkungen von dem Unternehmen. Ob heute ein Urteil gefällt wird, ist unklar. (Az. VI ZR 335/24)

Wann haften Impfstoffhersteller für Schäden?

Hersteller können nach dem Arzneimittelgesetz grundsätzlich für Impfschäden zu Schadenersatz verpflichtet werden. Das gilt aber nur, wenn der Impfstoff bei sachgerechter Anwendung schädliche Wirkungen zeigt, die über ein «nach wissenschaftlichen Erkenntnissen vertretbares Maß» hinausgehen – wenn also etwa ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis vorliegt – oder, wenn der Schaden darauf beruht, dass die Kennzeichnung, Fach- oder Gebrauchsinformationen nicht den damaligen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprachen.

Wann haben Betroffene Anspruch auf Auskunft?

Falls es Hinweise darauf gibt, dass der Impfstoff den Schaden verursacht hat, hat der Geschädigte das Recht, vom Hersteller Auskunft zu verlangen. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn die Auskunft erforderlich ist, um festzustellen, ob ein Anspruch auf Schadenersatz besteht. Der Anspruch bezieht sich auf bekannte Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen des Unternehmens sowie auf bekannte Verdachtsfälle und alle anderen Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen relevant sein können.

Was heißt das für die Klage gegen Astrazeneca?

In den vorherigen Instanzen war die Klage nicht erfolgreich. Laut Rudolf Ratzel, Fachanwalt für Medizinrecht, wies das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz darauf hin, dass der Impfstoff von Astrazeneca gemäß der Europäischen Arzneimittelagentur ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweist. Mit dieser Begründung haben auch viele andere deutsche Gerichte eine Haftungsklage gegen den Hersteller abgelehnt.

Das Argument der Klägerin, die Fachinformation sei unzureichend gewesen, überzeugte das OLG auch nicht. «Die Besonderheit dieses Verfahrens ist, dass Astrazeneca 2024 selbst die Zulassung zurückgegeben hat», sagt Ratzel. «Das OLG hat aber gesagt, es komme nicht auf den Zeitpunkt des Widerrufs der Zulassung durch den Hersteller an, sondern auf den der Impfung.»

Und wenn der BGH das anders sieht?

Womöglich könnte die Haftung der Hersteller aber auch dann ausgeschlossen sein, wenn der BGH doch ein negatives Nutzen-Kosten-Verhältnis sieht, erklärt Rechtsanwalt Ratzel weiter. Denn es gebe noch eine wichtige Regelung in der sogenannten «Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungs-Verordnung». Danach seien Ansprüche gegen Pharmaunternehmen ausgeschlossen, wenn das Bundesministerium für Gesundheit Arzneimittel als Reaktion auf die Verbreitung des Corona-Virus beschafft und in den Verkehr bringt. In Gerichtsentscheidungen hätte die Verordnung bisher aber keine Rolle gespielt.

Müssen Ärztinnen und Ärzte für Impfschäden haften?

Im Oktober hat der BGH entschieden, dass impfende Ärzte nicht persönlich für mögliche Corona-Impfschäden haften müssen. Die Verantwortung für Fehler bei einer bis April 2023 durchgeführten Corona-Schutzimpfung liegt grundsätzlich beim Staat. Klagen von Geschädigten müssen daher gegen den Bund oder die Länder gerichtet werden und nicht gegen die Ärzte. (Az. III ZR 180/24)

dpa