In Umfragen ging es für die AfD zuletzt aufwärts. Wie sich die Neubewertung als gesichert rechtsextremistisch für die Partei von Alice Weidel und Tino Chrupalla auswirken wird, bleibt abzuwarten.
Was bedeutet die neue Einstufung für die AfD?
Die AfD wird nun vom Verfassungsschutz als rechtsextremistische Partei überwacht. Welche Auswirkungen hat das auf die Zukunft der Partei und ihrer Mitglieder? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Auf welcher Grundlage fällt so eine Entscheidung?
Der Verfassungsschutz ist nicht nur für Spionageabwehr und die Aufklärung terroristischer Bestrebungen verantwortlich, sondern auch als ein Element der wehrhaften Demokratie. Er soll auch eine Art Frühwarnsystem sein, um rechtzeitig Gruppierungen zu erkennen und benennen, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten. Dabei geht es um die Menschenwürde, das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip.
Außerdem wird betrachtet, welche Kontakte zu anderen extremistischen Gruppierungen bestehen. Wie aus der Mitteilung des Bundesamtes hervorgeht, stützt sich der Verfassungsschutz in seiner Neubewertung der AfD vor allem auf Äußerungen und Positionen, bei denen es um die Verletzung der Menschenwürde geht – etwa durch die Abwertung von Muslimen oder pauschal verwendete Begriffe wie «Messermigranten».
Muss die Partei mit einem Verbot rechnen?
Die Beobachtung durch das BfV hat oberflächlich betrachtet nichts mit einem Parteiverbot zu tun. Denn dieses kann nur von Bundestag, Bundesrat oder der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht beantragt werden. Allerdings könnte eine der drei Verfassungsorgane durch die neue Einschätzung des Inlandsnachrichtendienstes ermutigt werden, einen solchen Antrag zu stellen.
Was steht in dem Gutachten?
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat vor der Entscheidung ein rund 1.110 Seiten starkes Gutachten zu der Partei erstellt. Das Gutachten ist nur für den internen Dienstgebrauch bestimmt. Es listet unter anderem Äußerungen auf, die der Verfassungschutz als «fortlaufende Agitation» gegen Geflüchtete und Migranten wertet. Entsprechende Äußerungen von AfD-Politikern finden sich nicht nur in der internen Kommunikation, sondern auch in Reden und sozialen Medien. Sie reichen von Slogans wie «Abschieben schafft Wohnraum!» bis zu Sätzen wie «Jeder Fremde mehr in diesem Land ist einer zu viel.»
Wer bekommt das Gutachten zu sehen?
Das Bundesinnenministerium hat es erhalten, außerdem die Verfassungsschützer in den Ländern. Eine Veröffentlichung des internen Arbeitspapiers, in das auch Erkenntnisse aus dem zurückliegenden Bundestagswahlkampf eingeflossen sind, ist nicht vorgesehen. Das Gutachten, das der Verfassungsschutz vor der Einstufung als «Verdachtsfall» erstellt hatte, war allerdings von dem auf digitale Freiheitsrechte spezialisierten Online-Medium netzpolitik.org veröffentlicht worden.
Bald kein Geld mehr vom Staat?
Zwei Verbotsverfahren gegen die rechtsextremistische Partei NPD, die sich 2023 in «Die Heimat» umbenannt hat, scheiterten: das erste Mal, im Jahr 2003, weil sich herausstellte, dass der NPD-Führungsriege mehrere Informanten des Verfassungsschutzes – sogenannte V-Leute – angehörten. Das zweite Mal, im Jahr 2017, urteilte das Bundesverfassungsgericht, die NPD sei zwar eindeutig verfassungsfeindlich, politisch aber mittlerweile bedeutungslos. Im Januar 2024 gab das Bundesverfassungsgericht allerdings einem Antrag von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung statt, der Partei «Die Heimat» den Zugang zu weiteren staatlichen finanziellen Mitteln zu verwehren, durch den Ausschluss von der Parteienfinanzierung.
Seit einer Grundgesetzänderung von 2017 kann «Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden», die staatliche Finanzierung aus Steuergeldern gestrichen werden.
Neue juristische Auseinandersetzungen?
Es ist wahrscheinlich, dass die AfD – wie in früheren Fällen von Überwachung durch den Verfassungsschutz – auch diesmal wieder dagegen klagen wird. Die Gerichte müssen dann überprüfen, ob und inwieweit die Partei gegen die Grundprinzipien der Verfassung verstößt.
Wird das der AfD politisch schaden?
Es wird sich zeigen. In Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt galt der jeweilige Landesverband bereits als gesichert rechtsextremistisch. Bei der letzten Bundestagswahl hat das der Partei dort nicht geschadet. In westlichen Bundesländern mag das anders aussehen.
In den letzten Wochen hat die AfD in Wahlumfragen an Zustimmung gewonnen und sich den Werten der CDU/CSU angenähert, teilweise sogar übertroffen. Im aktuellen ZDF-Politbarometer liegt die Union (27 Prozent) jedoch wieder deutlich vor der AfD (23 Prozent).
Bei der Bundestagswahl am 23. Februar landete die AfD mit 20,8 Prozent auf dem zweiten Platz. Es wird wahrscheinlich wesentlich davon abhängen, wie groß die Zustimmung für die Partei in Zukunft sein wird, ob die neue schwarz-rote Koalition wie angekündigt positive Impulse für die deutsche Wirtschaft setzt, die Zahl der unerlaubten Einreisen reduziert und dafür sorgt, dass Wohnen, Energie und Lebensmittel für alle bezahlbar sind.
Sollte das Gutachten nicht schon 2024 kommen?
Der ehemalige BfV-Präsident, Thomas Haldenwang, plante eigentlich schon im letzten Jahr, das aktuelle Gutachten zur AfD abzuschließen. Aufgrund der vorgezogenen Bundestagswahl und Haldenwangs Ausscheiden im Dezember hat sich jedoch der Zeitplan geändert. Derzeit leiten die Vizepräsidenten Sinan Selen und Silke Willems den Inlandsdienst.
Es wurde viel spekuliert, ob das Gutachten zurückgehalten wurde, um einen politisch günstigen Zeitpunkt für die Neubewertung zu wählen. Laut Informationen der Deutschen Presse-Agentur erreichte das Dokument das Bundesinnenministerium am vergangenen Montag, als die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auf Dienstreise in Österreich war.
In den letzten Tagen gab es Diskussionen unter den Bundestagsabgeordneten der anderen Fraktionen darüber, ob Abgeordnete der AfD zu Ausschussvorsitzenden gewählt werden sollten oder nicht. Der designierte Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) hatte kürzlich eine heftige Kontroverse ausgelöst, indem er vorgeschlagen hatte, mit der AfD im Bundestag bei organisatorischen Fragen genauso umzugehen wie mit anderen Oppositionsparteien.
Was bedeutet die Entscheidung für einzelne AfD-Mitglieder?
Eine Zugehörigkeit zu einer als rechtsextremistisch eingestuften Partei kann Zweifel an der Verfassungstreue aufkommen lassen. Dennoch reicht allein die Mitgliedschaft nicht aus, um dienstrechtliche Konsequenzen für Beamte zu rechtfertigen, sondern es wird der Einzelfall betrachtet. Das Gleiche gilt für den Entzug der waffenrechtlichen Erlaubnis bei Jägern und Schützen.