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Start der elektronischen Patientenakte in Deutschland

Millionen Menschen erhalten digitale Gesundheitsdaten, erste Testphase in drei Modellregionen, bundesweiter Einsatz ab Mitte Februar geplant.

In der E-Akte sollen wichtige Daten gebündelt parat sein. (Archivbild)
Foto: Rolf Vennenbernd/dpa-Pool/dpa

Für viele Menschen in Praxen, Kliniken und Apotheken wird die elektronische Patientenakte, kurz ePA, nun Teil des Alltags. Nach zahlreichen Verzögerungen startet das Großprojekt am Mittwoch. Wichtige Gesundheitsdaten wie Befunde und Medikamente sollen standardmäßig digital verfügbar sein – es sei denn, man entscheidet sich dagegen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erwartet erhebliche Verbesserungen in der Versorgung und Forschung. Bevor der flächendeckende Einsatz beginnt, steht jedoch noch eine Testphase an.

Kontrollierter Auftakt in drei Regionen 

Alle gesetzlich Versicherten, die nicht widersprochen haben, erhalten schrittweise eine ePA von ihrer Krankenkasse eingerichtet. Es wird erwartet, dass dies zwei bis vier Wochen dauern wird, so das Ministerium. Mehr als 70 Millionen E-Akten werden erwartet. Der konkrete Betrieb startet am Mittwoch, jedoch nicht sofort überall, sondern in drei Modellregionen. In Hamburg mit Umland und in Franken werden mehr als 250 Praxen, Apotheken und Kliniken beginnen, Daten einzustellen. Eine dritte Region ist in Nordrhein-Westfalen.

Die nächste Etappe 

Sobald das System in den Regionen stabil läuft, ist geplant, bundesweit zu starten. Frühestens soll dies nach vier Wochen geschehen – also voraussichtlich nicht vor Mitte Februar. Zu diesem Zeitpunkt sollen auch die technische Anbindung in 150.000 Gesundheitseinrichtungen im ganzen Land einsatzbereit sein. Die Art und Weise, wie Versicherte von ihrer Krankenkasse darüber informiert werden, dass eine ePA für sie verfügbar ist, variiert, wie es beim Spitzenverband heißt – zum Beispiel als Push-Nachricht in der Kassen-App oder mit einer Information auf der Homepage.

Mehr Einblicke für Versicherte

Die E-Akte bietet Patienten mehr Transparenz über ihre Befunde, Laborwerte, Diagnosen, Medikamente und Abrechnungen ihrer Kasse. Es ist möglich, in die ePA einzusehen und Daten einzustellen, aber nicht zwingend erforderlich. Die Einsicht kann über eine App der jeweiligen Kasse auf Smartphones, Tablets oder Laptops erfolgen. Die Einstellungen und Zugriffsrechte können von Ärzten festgelegt werden. Bei einem Kassenwechsel können die Daten mitgenommen werden. Die Nutzung der ePA bleibt freiwillig, es besteht die Möglichkeit, später zu widersprechen und die Daten löschen zu lassen.

Wichtige Dokumente gebündelt

Das Hauptziel ist, bisher verstreute Daten zusammenzuführen, um eine verbesserte Behandlung zu ermöglichen. Laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) fehlen in Praxen oft Dokumente aus früheren Behandlungen oder es liegt überhaupt nichts vor. Einige Patienten haben Ausdrucke zu Hause, während Daten auch in den Computern der jeweiligen Praxen gespeichert sind. Zukünftig sollen wichtige Informationen auf einen Blick verfügbar sein, um Mehrfachuntersuchungen und Arzneimittelwechselwirkungen besser zu vermeiden.

Umstellung auf «Opt-out»

Der Start der «ePA für alle» soll einen Durchbruch für die lange stockende Digitalisierung bringen. Als wählbares Angebot, um das sich Versicherte aktiv kümmern mussten, waren E-Akten bereits 2021 eingeführt worden. Sie wurden bisher aber kaum genutzt: Zu Jahresbeginn gab es 1,9 Millionen ePAs bei mehr als 74 Millionen gesetzlich Versicherten. Ein Gesetz der Ampel-Koalition kehrte daher das Prinzip um: Nun bekommen alle eine ePA, außer man widerspricht aktiv (Opt-out). Die Widerspruchsquote liegt laut Kassen-Spitzenverband im Schnitt bei fünf Prozent. Auch private Versicherungen können ePAs anbieten.

Zugriffsrecht für Ärzte für 90 Tage 

Wenn man in der Praxis oder Klinik die Versichertenkarte einsteckt, bekommen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte ein Zugriffsrecht zum Lesen und Füllen der ePA. Standardmäßig gilt es für 90 Tage, man kann die Spanne über die App verkürzen und verlängern. Patienten können in der Sprechstunde bestimmen, wenn ein Befund nicht in die Akte hinein soll. Bei sensiblen Daten müssen sie auch ausdrücklich auf dieses Widerspruchsrecht hingewiesen werden, wie das Ministerium erläutert. Der Verbraucherzentrale Bundesverband pocht auf unkomplizierte Einstellungen, welcher Mediziner was einsehen kann. «Sonst erfährt am Ende die Zahnarztpraxis von der Psychotherapiebehandlung.»

Schrittweise mehr Inhalte

Ärztinnen und Ärzte sind künftig verpflichtet, wichtige Dokumente in die E-Akte einzustellen. Gleich zum Start soll auch eine Liste der Medikamente enthalten sein, die automatisch aus den inzwischen üblichen E-Rezepten erstellt wird. Ab Sommer soll als nächstes ein Medikationsplan mit zusätzlichen Angaben etwa zu Dosierungen von Arzneimitteln dazukommen. Die KBV weist darauf hin, dass die ePA als «versichertengeführte» Akte die eigene Dokumentation der Ärzte in ihrem jeweiligen Praxissystem nicht ersetzt. Auch eine direkte Kommunikation zwischen Praxen bleibe wichtig, zumal Versicherte Daten löschen können.

Schutz der sensiblen Gesundheitsdaten

Lauterbach versicherte zum Start: «Die Daten der Bürger sind sicher vor Hackern.» Zuvor hatte der Chaos Computer Club vor Angriffsmöglichkeiten gewarnt. Daraufhin kündigte die mehrheitlich bundeseigene Digitalgesellschaft Gematik Lösungen an, um derartige Szenarien zu unterbinden. Gespeichert werden die Daten laut Ministerium auf Servern in Rechenzentren im Inland innerhalb der geschützten Datenautobahn des Gesundheitswesens. Generell wird jeder Zugriff auf die ePA mit Datum und Uhrzeit protokolliert. In die ePA hochzuladen sein sollen nur Dateiformate, die keine Viren übertragen.

Zugang zur eigenen Akte

Bei der ersten Anmeldung in der ePA-App müssen Versicherte auch Sicherheitsanforderungen erfüllen. Es wird entweder ein elektronischer Personalausweis mit Geheimnummer (Pin) oder die elektronische Gesundheitskarte mit Pin benötigt, die man auf Antrag von der Krankenkasse erhält. Später kann man selbst Identifizierungswege am Smartphone einstellen, zum Beispiel per Gesichtserkennung. Wenn man die App nicht selbst nutzen möchte, können auch Angehörige damit beauftragt werden. Kinder erhalten ebenfalls eine ePA, es sei denn, die Eltern widersprechen; ab 15 Jahren können sie selbst entscheiden.

Daten auch für die Forschung

Die E-Akte soll auch für die Forschung einen Schub bringen. Ab Juli 2025 sollen Daten der ePAs für Forschungszwecke an eine zentrale Stelle weitergeleitet werden. Die Daten werden pseudonymisiert verwendet, wie das Ministerium erklärt – also ohne direkte personenbezogene Angaben wie Name und Adresse. Versicherte können dieser Nutzung jedoch in der App oder bei einer Ombudsstelle der Krankenkasse widersprechen. Lauterbach sieht große Chancen für die Forschung mit umfangreichen Datensätzen, einschließlich Daten aus Registern und Kassenabrechnungen.

dpa