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Was der Kanzler und das halbe Kabinett in Indien wollen

Olaf Scholz räumt sich drei Tage für Indien frei. Auch fünf seiner Ministerinnen und Minister machen sich ins 6000 Kilometer entfernte Neu-Delhi auf. Es gibt mehr als einen Grund für den Aufwand.

Russland, Wirtschaft, Sicherheit: Das sind drei der wichtigsten Themen, über die sich Kanzler Scholz und der indische Regierungschef Modi am Freitag unterhalten werden.
Foto: Michael Kappeler/dpa

Die Regierungskonsultationen ähneln einer Klassenfahrt. Der Kanzler ruft mehrere Ministerinnen und Minister zusammen, um den Beziehungen zu einem besonders engen oder wichtigen Partner auf der Welt einen kräftigen Schub zu geben. Oft sitzt dann bereits das halbe Kabinett stundenlang auf dem Hinflug eng zusammen im Regierungsflieger – und keiner kann raus.

Bei den deutsch-indischen Regierungskonsultationen ist es anders. Die Ampel-Regierung wird in den nächsten Stunden nach und nach in Neu-Delhi zum siebten Treffen dieser Art eintrudeln. Zuerst landen heute am frühen Morgen Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in der indischen Hauptstadt. Kurz darauf starten Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit einem zweiten Regierungsflieger von Berlin aus nach Indien. Später kommen dann noch Außenministerin Annalena Baerbock aus Paris und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger gleich nach einem Kiew-Besuch mit Linie nach.

Am Freitag werden sie alle gemeinsam im Hyderabad House, dem Gästehaus der Regierung in Neu-Delhi, mit Ministerpräsident Narendra Modi und seinem Kabinett beraten. Darum geht es dabei:

Russland: Indien als Mittler zwischen den Lagern 

Die Verbindung zur Reise hat viel mit Russland zu tun. Indien zählt neben Brasilien und Südafrika zu den drei Ländern der G20-Staatengruppe, die sowohl zu Moskau als auch zum Westen einen guten Draht haben. Modi ist gerade noch in Kasan beim Gipfeltreffen der Brics-Staaten, die als Gegengewicht zur G7 agieren. Indien könnte aufgrund seiner guten Beziehungen in beiden Lagern eine wichtige Rolle bei den Bemühungen um ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine spielen. Kanzler Scholz setzt sich seit Monaten verstärkt für eine neue Friedenskonferenz ein, an der auch Russland teilnehmen soll.

Sicherheit: Gemeinsames Marine-Manöver

Deutschland und Indien haben vor mehr als 20 Jahren eine strategische Partnerschaft abgeschlossen und wollen ihre Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich nun weiter intensivieren. Scholz besucht am Samstag in der Provinz Goa die deutsche Fregatte «Baden-Württemberg» und das Versorgungsschiff «Frankfurt», die an einem gemeinsamen Manöver mit der indischen Marine teilnehmen. Auch bei der Rüstungskooperation gebe es noch «unerschlossenes Potenzial», sagte Modi bereits beim letzten Indien-Besuch des Kanzlers im vergangenen Jahr. Indiens Streitkräfte sind derzeit zu einem Großteil mit russischen Waffen ausgerüstet. Die Bundesregierung würde gerne daran mitwirken, das zu ändern. 

Wirtschaft: Habeck hofft auf Freihandelsabkommen

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) pochte vor seinem Abflug auf einen zügigen Abschluss des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Indien. «Seit 20 Jahren wird darüber verhandelt, das ist nicht gerade Deutschlandtempo. Mal gucken, ob wir ein paar Knoten lösen können», sagte der Grünen-Politiker. Die ersten Verhandlungen über ein solches Abkommen gab es von 2007 bis 2013. Damals scheiterten die Gespräche aber. Hürden waren aus deutscher Sicht etwa Schutzmaßnahmen für den indischen Autosektor. 2022 wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen.

Fachkräfte: Heil will Anwerbung voranbringen

Für Arbeitsminister Heil geht es um die Anwerbung von Fachkräften aus Indien. Das bevölkerungsreichste Land der Welt sei dabei ein «idealer Partner», sagte der SPD-Politiker vor dem Abflug. «In Indien kommen pro Monat eine Million Menschen zusätzlich auf den Arbeitsmarkt.» Vergangenen Mittwoch beschloss das Kabinett eine Strategie zur leichteren Anwerbung der Fachkräfte, deren Umsetzung bei der Reise vorangetrieben werden soll.

dpa