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Einfluss der NRW-Kommunalwahl auf die Bundespolitik

NRW-Wahl als Stimmungstest für Schwarz-Rot: Einfluss auf Bundestagsmehrheit und Koalitionsdynamik.

Die Kommunalwahl wird wohl auch Spuren auch in der Bundespolitik hinterlassen. (Archivbild)
Foto: Guido Kirchner/dpa

«Kommunalwahlen sind Kommunalwahlen.» So lautet die Antwort von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) auf die Frage, ob die Wahl in seinem Heimatland Nordrhein-Westfalen am Sonntag gut vier Monate nach seinem Amtsantritt auch ein Stimmungstest für die Bundespolitik ist. Natürlich gebe es auch «einen gewissen Blick auf die Landespolitik und auf die Bundespolitik», sagte Merz Anfang September bei seinem Antrittsbesuch als Kanzler in NRW. Aber die großen Unterschiede bei den Wahlergebnissen in den Kommunen zeigten doch, wie stark sie von den einzelnen Kandidaten abhängen würden.

Auch andere aus der schwarz-roten Koalition versuchten in den vergangenen Wochen die Bedeutung der Wahl herunterzuspielen. «Ich gehe davon aus, dass die Ereignisse in Berlin keinen großen Einfluss auf die Wahlen in NRW haben werden», sagte etwa der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Dirk Wiese, der wie Merz aus dem Sauerland kommt. «Als bekanntermaßen größtes und wirtschaftlich starkes Bundesland, ist NRW selbstbewusst und eigenständig.»

Auch nach der Wahl wird es schwierig sein zu bestimmen, wie stark die Bundespolitik tatsächlich die Ergebnisse beeinflusst hat. Dennoch wird allgemein angenommen, dass die Wahl ihre Auswirkungen auf die Bundespolitik haben wird. Das sind die Gründe dafür:

Mehr als ein Fünftel der Bevölkerung in NRW

Knapp 22 Prozent der über 83 Millionen Einwohner Deutschlands leben in Nordrhein-Westfalen. Das Bundesland ist somit das bevölkerungsreichste mit 13,7 Millionen Wahlberechtigten. Dies verleiht der Wahl eine besondere Bedeutung.

Einzige Wahl weit und breit

Zusätzlich dazu steht NRW ziemlich allein im Wahlkalender. Die letzte Wahl in Deutschland liegt bereits mehr als ein halbes Jahr zurück (Bürgerschaftswahl in Hamburg). Bis zum nächsten Wahltermin werden weitere sechs Monate vergehen: Am 8. März 2026 finden in Bayern Kommunalwahlen und in Baden-Württemberg Landtagswahlen statt. NRW ist somit nicht nur die erste Wahl seit dem Amtsantritt von Schwarz-Rot in Berlin, sondern auch die einzige Wahl innerhalb eines gesamten Jahres.

Persönliche Betroffenheit in der Koalition

Unter den Wahlberechtigten sind auch viele prominente Koalitionspolitiker. Neben Kanzler Merz sind auch Bundestagsfraktionschef Jens Spahn und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann in Nordrhein-Westfalen zu Hause. Das trifft auch auf SPD-Chefin Bärbel Bas zu, die aus Duisburg stammt. Somit gibt es eine größere persönliche Betroffenheit in der Regierungskoalition.

Wird die Koalition abgestraft? 

Für die Koalitionsparteien SPD und CDU in Berlin steht zunächst die Frage im Raum, wie stark sie selbst Einbußen hinnehmen müssen. Bei der Bundestagswahl im Februar erzielten Union und SPD gemeinsam noch 49,3 Prozent. In aktuellen Umfragen auf Bundesebene sind davon nur noch 39 bis 44 Prozent übrig geblieben. Somit hätte Schwarz-Rot keine Mehrheit mehr im Bundestag.

In Nordrhein-Westfalen, ihrem einstigen Stammland, muss vor allem die SPD damit rechnen, deutlich an Zustimmung zu verlieren. Auch die Union ist von Verlusten bedroht. Bei den letzten Kommunalwahlen 2020 erzielte die Union 34,3 Prozent. Die SPD lag knapp dahinter mit 24,3 Prozent vor den Grünen, die auf 20,0 Prozent kamen und somit die zweitstärkste Partei waren. Beide Parteien erzielten jedoch ihr schlechtestes Ergebnis bei Kommunalwahlen in NRW.

Wie hoch wächst der blaue Balken? 

Die entscheidende Frage bei der Wahl ist jedoch: Wie hoch wird der blaue Balken wachsen, der damals bei 5,1 Prozent stehen blieb? Die AfD zog 2017 erstmals mit einem einstelligen Ergebnis in den Düsseldorfer Landtag ein. Obwohl die Ergebnisse der Partei dort lange Zeit deutlich unter denen anderer westdeutscher Bundesländer wie Niedersachsen, Bayern oder Hessen lagen. Bei der vorgezogenen Bundestagswahl im Februar wurde die AfD jedoch mit 16,8 Prozent die drittstärkste Kraft vor den Grünen.

«Vor allem in strukturschwachen Regionen mit industriellem Niedergang – wie Gelsenkirchen oder Duisburg – hat die AfD gute Chancen, ihre Ergebnisse auszubauen und sich dauerhaft zu verankern», sagte der Politikwissenschaftler Oliver Lembcke von der Universität Bochum Ende August.

Es ist ungewiss, ob es der Partei gelingen wird, einen Bürgermeister-, Oberbürgermeister oder Landratsposten zu gewinnen. Möglicherweise wird dies erst in Stichwahlen entschieden. Die Rechtspopulisten hatten bereits den Wahlkreis Gelsenkirchen bei der Bundestagswahl im Februar gewonnen. Die kriselnde Bergbau-Stadt im Ruhrgebiet, die für ihre ehemalige Kohle- und Stahlindustrie bekannt ist, weist die höchste Arbeitslosenquote Deutschlands auf.

Neue Unruhe für eine Koalition im Werden

Ein weiterer Schock der AfD könnte neue Unruhe in die Koalition bringen, die gerade versucht, sich nach einem sehr holprigen Start wieder zu vereinen. Die Union dürfte sich in ihrer Forderung nach einem harten Kurs gegen illegale Migration bestärkt fühlen. Und die SPD hat möglicherweise ein weiteres Argument, ihre Bemühungen um ein Verbot der AfD zu verstärken. Die Union hat Gespräche darüber gerade erst abgelehnt. Auch die anstehenden Beratungen über Sozialreformen werden vor dem Hintergrund schlechter Wahlergebnisse sicher nicht einfacher.

dpa