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Was es mit der «Brandmauer» auf sich hat

Im Bundestag könnten Unionsanträge zur Verschärfung der Migrationspolitik auf die Tagesordnung kommen, denen die AfD zustimmt. Das Ende der sogenannten Brandmauer?

Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz will im Bundestag noch vor der Wahl schärfere Migrationsregeln zur Abstimmung stellen.
Foto: Hannes Albert/dpa

Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) hat nach der tödlichen Messerattacke von Aschaffenburg Anträge zur Verschärfung der Migrationspolitik im Bundestag angekündigt – unter Inkaufnahme, dass diesen auch die AfD zustimmt. Die AfD wiederum hat ihr Werben für eine Zusammenarbeit mit der Union nun noch einmal verstärkt und jubelt schon über das Ende der «Brandmauer.» Was hat es mit dem Begriff auf sich und was könnte passieren? 

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Was könnte nächste Woche im Bundestag passieren? 

Unionskanzlerkandidat und Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) hat angekündigt, dass er Vorschläge für schärfere Regeln in der Migrationspolitik vorlegen will. «Und wir werden sie einbringen, unabhängig davon, wer ihnen zustimmt», sagte er. «Ich gucke nicht rechts und nicht links. Ich gucke in diesen Fragen nur geradeaus.» Er nimmt also eine Zustimmung der AfD in Kauf.

Es bleibt jedoch fraglich, ob es überhaupt dazu kommt, denn gemäß der Geschäftsordnung des Bundestags sind in der Regel drei Beratungen vor einer abschließenden Abstimmung bei Anträgen, ebenso wie bei Gesetzentwürfen, vorgesehen. Eine Verkürzung des Verfahrens ist mit einer Zweidrittelmehrheit möglich. Nach der kommenden Sitzungswoche sind vor der Bundestagswahl nur noch zwei Plenartage im Februar geplant.

Wie kam es überhaupt zum Wort «Brandmauer» in Verbindung mit der AfD? 

Wer den Begriff zuerst in diesem Zusammenhang benutzt hat, lässt sich nur schwer nachvollziehen, aber schon 2014 – ein Jahr nach Gründung der damals vor allem Euro-kritisch auftretenden Partei – nutzte ihn der damalige CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Die AfD zog in Sachsen zum ersten Mal in ein Landesparlament ein, und Scheuer sagte zur Frage einer Zusammenarbeit, in diesem Punkt gebe es eine «Brandmauer». Der Begriff wurde später auch von anderen Parteien genutzt, um eine Zusammenarbeit auszuschließen. 2018 etwa nach den Ausschreitungen von Chemnitz, sagte Grünen-Politiker Cem Özdemir, man müsse eine «Brandmauer in Richtung AfD errichten».

Und wie geht CDU-Chef Merz damit um? 

Merz hatte im Dezember 2021 dem «Spiegel» gesagt: «Mit mir wird es eine Brandmauer zur AfD geben.» Im vergangenen Herbst, als Sachsen-Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) im Zuge der Landtagswahlen im Osten empfahl, vom Begriff der «Brandmauer» Abstand zu nehmen, weil die Partei ihn für sich nutze und sich als Märtyrerin darstelle, sagte Merz: «Das Wort Brandmauer hat nie zu unserem Sprachgebrauch gehört. Das ist uns immer von außen aufgenötigt worden.» 

Die AfD verwendet immer wieder Merz‘ Worte, um Druck auf die Union auszuüben, indem sie sich auf ihre Wahlerfolge beruft und behauptet, dass aufgrund dessen die strenge Abgrenzung nicht mehr lange aufrechterhalten werden könne.

Wie begründet die CDU ihre Ablehnung einer Zusammenarbeit?

Es ist ihre offizielle Beschlusslage. Auf ihrem Parteitag in Hamburg 2018 hatten die Christdemokraten festgehalten: «Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab.» Merz hatte vor kurzem in den ARD-«Tagesthemen» bekräftigt: «Wir arbeiten nicht mit einer Partei zusammen, die ausländerfeindlich ist, die antisemitisch ist, die Rechtsradikale in ihren Reihen, die Kriminelle in ihren Reihen hält, eine Partei, die mit Russland liebäugelt und aus der Nato und der Europäischen Union austreten will.» Er steht mit seinem Wort dafür, hält das und knüpft sein Schicksal als Parteivorsitzender an diese Antwort.

Was halten die Menschen von dieser strikten Position der CDU? 

Knapp zwei Drittel der Befragten (65 Prozent) im aktuellen ZDF-«Politbarometer» sind der Meinung, dass es richtig ist, dass die CDU eine politische Zusammenarbeit mit der AfD grundsätzlich ablehnt, 32 Prozent finden es nicht richtig. Die CDU/CSU-Anhänger unterstützen den strikten Abgrenzungskurs mit großer Mehrheit von 73 Prozent.

Immer wieder heißt es, die Brandmauer bröckele längst. Inwiefern? 

Es handelt sich auch um eine Frage der Definition. Was bedeutet eigentlich Zusammenarbeit? Merz hatte im ZDF-Interview 2023 eine klare Grenze zwischen Kommunalpolitik und den darüber liegenden Ebenen gezogen. Zusammenarbeit bezieht sich auf gesetzgebende Organe, sagte er und nannte Landtage, den Bundestag und das EU-Parlament. Wenn auf kommunaler Ebene ein Landrat oder Bürgermeister von der AfD gewählt wird, ist es selbstverständlich, Wege zu finden, wie man in der Stadt weiterarbeiten kann.

Das Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) hat in einer im vergangenen September veröffentlichten Untersuchung zum Abstimmungsverhalten in ostdeutschen Kommunalparlamenten festgestellt, dass es dort Zusammenarbeit mit der AfD gibt, jedoch nicht in großem Umfang. Überprüft wurden mehr als 2.400 Sitzungen der Parlamente in Landkreisen und kreisfreien Städten von Mitte 2019 bis Mitte 2024 in allen ostdeutschen Bundesländern. Die AfD stellte insgesamt 2.348 Anträge und erhielt in etwa 80 Prozent der Fälle keine Unterstützung. In ungefähr 20 Prozent (484 Fälle) wurde nachgewiesen, dass inhaltlich mit der AfD zusammengearbeitet wurde.

dpa