Seit vergangener Woche steht fest, dass die Bundestagswahl vorgezogen wird. Der Termin ist aber offen. Warum ist es so schwierig, ihn zu finden?
Was hinter dem Gezerre um den Wahltermin steckt
Mitte Januar, Ende März oder vielleicht doch irgendwann im Februar? Seit Tagen wird darüber diskutiert, wann die vorgezogene Bundestagswahl nach dem Platzen der Ampel-Koalition stattfinden soll. Fest steht nur, dass es irgendwann zwischen dem 19. Januar (das will die Union) und dem 30. März (das war der ursprüngliche Plan der SPD) sein wird. Am Dienstag tagen die Bundestagsfraktionen, am Mittwoch gibt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Regierungserklärung zur aktuellen innenpolitischen Lage ab. Bis dann sollte es eigentlich Klarheit geben – oder auch nicht.
Was will Scholz?
Sein ursprünglicher Plan war: Vertrauensfrage im Bundestag am 15. Januar und Neuwahl Ende März. Der 30. März wäre da der günstigste Termin, weil dann in keinem Bundesland Ferien sind – ein wichtiges Kriterium bei der Festlegung von Wahlterminen. Scholz will gleichzeitig eine Vereinbarung mit der Union treffen, welche Projekte man bis zum Wahltermin noch im Bundestag beschließen kann.
Was will die Union?
Die Union findet es zu spät. Sie hat Scholz gebeten, die Vertrauensfrage noch in dieser Woche zu stellen und dann am 19. Januar zu wählen. Das ist neben dem 30. März der einzige Sonntag im ersten Quartal 2025, an dem es keine Ferien gibt.
Wen hat Scholz auf seiner Seite?
Die Argumentation des Kanzlers, dass die Organisation einer Bundestagswahl Zeit brauche, wird durch einen Brief der Bundeswahlleiterin gestützt. Sie warnt vor einem zu frühen Wahltermin und betont den großen organisatorischen Aufwand. Wahlausschüsse auf Kreis- und Landesebene müssen berufen, Wahlhelferinnen und Wahlhelfer geworben und geschult, Wahlräume gefunden und ausgestattet werden. Über 60 Millionen Wählerinnen und Wähler erhalten Wahlbenachrichtigungen. Zusätzlich zum Versand der Briefwahlunterlagen und der Einrichtung von Briefwahlbezirken – 25.000 im Jahr 2021 – weist Brand auf die Bereitstellung und Prüfung der notwendigen IT-Infrastruktur sowie die Gefahr von Cyberangriffen hin. Einen konkreten Termin, wann die Wahl frühestens stattfinden kann, nennt sie jedoch nicht.
Wen hat die Union auf ihrer Seite?
Die Bevölkerung. Nach dem aktuellen ARD-Deutschlandtrend wollen 65 Prozent der Deutschen eine Neuwahl «zum frühesten Zeitpunkt». Nur 33 Prozent sind für einen Termin im März.
Was ist der aktuelle Diskussionsstand?
Scholz hat mittlerweile nachgegeben. Am Sonntagabend erklärte er im ARD-Interview mit Caren Miosga, dass er die Vertrauensfrage auch schon vor Weihnachten stellen würde, wenn sich die Fraktionen darauf einigen. Gemäß der Verfassung gibt es dann Fristen von insgesamt 81 Tagen, in denen der Wahltermin liegen muss. Wenn Scholz die Vertrauensfrage am 20. Dezember, dem Freitag vor Weihnachten, stellen würde, wäre der späteste Wahltermin der 9. März.
Warum würde dieser Termin der SPD gut passen?
Am 2. März findet die Wahl in Hamburg statt, der Heimatstadt von Scholz. Die SPD erwartet, dass sie dort mit ihrem Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher erneut stärkste Kraft wird und diesen Schwung in die Bundestagswahl mitnehmen könnte. Die SPD führt zwar organisatorische Gründe für einen späteren Wahltermin an, sieht aber auch strategische Vorteile darin, mehr Zeit für den Wahlkampf zu haben. In den Umfragen liegt sie 15 bis 18 Prozentpunkte hinter der Union. Die Sozialdemokraten hoffen darauf, dass Merz im Wahlkampf Fehler macht, ähnlich wie 2020 der CDU/CSU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, und die SPD wie damals einen vermeintlich aussichtslosen Rückstand aufholen kann. Je länger der Wahlkampf dauert, desto größer ist die Möglichkeit, solche Fehler zu begehen.
Warum will die Union, dass es schnell geht?
In den aktuellen Umfragen kann es für die Union kaum besser werden. Sie führt nicht nur mit großem Abstand vor SPD und Grünen, sondern auch vor der AfD. Je näher der Wahltermin rückt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Vorsprung schrumpft.
Wie geht es jetzt weiter?
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich will nun zügig vertrauliche Gespräche mit CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz führen. Die Fraktionen von SPD und Grünen haben zudem für Dienstag eine öffentliche Sondersitzung des Wahlprüfungsausschusses des Bundestags beantragt. Es sei dort «mit der Bundeswahlleiterin zu diskutieren, wann die Neuwahl aus ihrer Sicht mit ihrer praktischen Erfahrung frühestens stattfinden kann», heißt es in einem Antragsschreiben an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Am Dienstag kommen auch die Bundestagsfraktionen zu Beratungen zusammen.
Am Mittwoch gibt Scholz dann im Bundestag dann eine Regierungserklärung zur aktuellen Lage ab. Möglicherweise gibt es bis dann eine Einigung, vielleicht aber auch nicht. Eins stellte Regierungssprecher Steffen Hebestreit heute aber schon klar. «Ich kann Sie schon beruhigen, dass der Bundeskanzler am Mittwoch nicht die Vertrauensfrage stellen wird.»