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Was ist das «Königreich Deutschland»?

Das «Königreich Deutschland» gilt als bundesweit größte Reichsbürger-Gruppe. Aber wer und was steckt dahinter?

Innenminister verbietet Reichsbürger-Gruppe.
Foto: Michael Kappeler/dpa

Seit den frühen Morgenstunden werden bundesweit Gebäude und Wohnungen der Reichsbürger-Gruppierung «Königreich Deutschland» durchsucht. Die Bundesanwaltschaft lässt vier Männer festnehmen, die als Köpfe des Vereins gelten. Gleichzeitig spricht Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) ein Vereinsverbot gegen die Gruppe aus. Ihren Mitgliedern wirft er vor, «einen „Gegenstaat“ in unserem Land geschaffen und wirtschaftskriminelle Strukturen aufgebaut» zu haben. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Verein und den Ermittlungen:

Was ist das «Königreich Deutschland»?

Das «Königreich Deutschland» gilt als derzeit größte Vereinigung sogenannter Reichsbürger und Selbstverwalter. «Nach außen hin reklamiert es aggressiv eigene Staatlichkeit – untermauert etwa durch eigene Verfassungs- und Gesetzgebung – und stellt das Gewaltmonopol der Bundesrepublik infrage», stellt das Bundesinnenministerium fest.

Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang beschreibt das «Königreich Deutschland» als «eine besonders gefährliche Gruppierung der Reichsbürgerszene», die ihre demokratiefeindliche und antisemitische Agenda überaus aggressiv und mit großer krimineller Energie verfolgt habe. Ihr Ziel sei es, einen außerhalb der deutschen Rechtsordnung stehenden «monarchischen Fantasiestaat» zu errichten.

Welches System steckt dahinter?

Laut Bundesanwaltschaft hat die Gruppe das Ziel, das System der Bundesrepublik Deutschland durch ihr eigenes zu ersetzen. Mitglieder sollen daher von Steuer- und Sozialabgaben befreit sein. Zu diesem Zweck hat die Gruppierung eine eigene Währung, ein eigenes Bank- und Versicherungssystem sowie ein Meldeamt mit fiktiven Ausweisdokumenten eingerichtet.

Finanziert wurde die Gruppe laut Bundesanwaltschaft vor allem durch verbotene Bank- und Versicherungsgeschäfte sowie über Spenden und Einnahmen aus Seminaren. Für neue Anhänger gab es «Systemausstiegsseminare». Zudem wurden demnach Gelder durch das Anwerben von Unternehmen eingenommen, denen im Gegenzug in Aussicht gestellt wurde, über den Verein umsatz- und sozialabgabenfrei ihre Waren und Dienstleistungen vertreiben zu können.

Wer ist Peter Fitzek?

Der in Halle in Sachsen-Anhalt geborene Peter Fitzek gründete 2012 in Wittenberg das «Königreich Deutschland» und leitete es als sogenannter «Oberster Souverän». Laut Bundesanwaltschaft verfügte er als solcher «über die Kontrolle und Entscheidungsgewalt in allen wesentlichen Bereichen». So habe er etwa die ideologische Ausrichtung bestimmt und eigene «Gesetze» erlassen.

Wer sind die anderen Beschuldigten?

Die Bundesanwaltschaft ließ neben Fitzek heute auch drei weitere mutmaßliche Rädelsführer des «Königreichs Deutschland» festnehmen. Zwei von ihnen sollen ebenfalls zu den Gründungsmitgliedern der Vereinigung zählen und als Fitzeks Stellvertreter handeln. Der dritte Mann trat demnach 2013 der Gruppe bei und war für die Finanzen zuständig. Die oberste deutsche Anklagebehörde legt ihm zur Last, Fitzek bei unerlaubten Einlagengeschäften geholfen zu haben.

Hat der Zeitpunkt des Verbots mit dem Regierungswechsel zu tun?

Nein. Nur der jeweilige Bundesinnenminister oder die Bundesinnenministerin kann einen extremistischen Verein verbieten. Laut Sicherheitskreisen waren ermittlungstaktische Gründe ausschlaggebend für den Zeitpunkt. Das Verbot und die Vorbereitung der Maßnahmen wurden bereits seit Monaten vorbereitet.

Wie liefen die Durchsuchungen und Festnahmen ab?

Polizeikräfte der Länder tauchten am frühen Morgen gleichzeitig an verschiedenen Orten in sieben Bundesländern auf. Laut Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) waren insgesamt 800 Beamte an den Durchsuchungen und Festnahmen beteiligt. Ein Schwerpunkt war im sächsischen Halsbrücke. Hier liegt der Hauptsitz des selbst ernannten «Königreichs» und der Wohnort von Fitzek.

Wie gefährlich ist die Gruppe?

Viele «Reichsbürger» sind waffenaffin. Für die nun verbotene Gruppierung, die auch in sozialen Netzwerken um Anhänger warb, gilt das nicht. Es wurden bisher «keine relevanten Waffen» gefunden, berichtete Dobrindt nach Beginn der Durchsuchungen. 

Gibt es Verbindungen zu anderen «Reichsbürger»-Vereinigungen?

Über enge Kontakte zu anderen «Reichsbürger»-Gruppen ist nichts bekannt. Das ist unter Extremisten, die der Verfassungsschutz zum Spektrum der «Reichsbürger und Selbstverwalter» zählt, auch nicht ungewöhnlich. Schließlich geht es bei diesen Gruppen, die teils rechtsextremistisches Gedankengut verbreiten, oft darum, eine eigene Gegen-Autorität zu schaffen. Laut Bundesinnenminister gibt es derzeit neben dem nun verbotenen Verein noch rund 40 weitere «König- und Kaiserreiche». 

Das Vereinsverbot sei gut, reiche aber nicht aus, sagt die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic. Sie erinnert an die «Reichsbürger»-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß, die einen Umsturz geplant haben soll. «Beim geplanten Sturm auf den Reichstag, an dem unter anderem die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete, Birgit Malsack-Winkemann, beteiligt war, ist außerdem klar geworden, dass es zwischen dem Reichsbürger-Milieu und der AfD beste Kontakte gibt», sagt die Innenpolitikerin. Deshalb sei es auch im aktuellen Fall wichtig, jegliche Bezüge zur AfD aufzuklären.

dpa