Was würde sich ändern, wenn die AfD die nächste Bundestagswahl gewinnt und die Regierung stellt? Der Artikel beleuchtet mögliche Auswirkungen auf Politik, Gesellschaft und Meinungsfreiheit – und ordnet das Szenario mit Blick auf Geschichte und internationale Entwicklungen ein.
Was wäre, wenn die AfD Deutschland regiert? – Ein Blick auf mögliche Entwicklungen und historische Parallelen

Die Alternative für Deutschland (AfD) gewinnt in Umfragen zunehmend an Zustimmung. In manchen ostdeutschen Bundesländern liegt sie bereits bei über 30 Prozent. Was wäre, wenn sie tatsächlich eine Bundestagswahl gewinnt und an die Macht kommt? Welche Auswirkungen hätte das auf Gesellschaft, Meinungsfreiheit und die politische Kultur in Deutschland? Und wie weit entfernt wäre ein solches Szenario historisch gesehen vom Aufstieg der NSDAP?
AfD-Wahlsieg: Ein demokratischer Prozess mit unklaren Folgen
Ein Wahlsieg der AfD wäre zunächst ein Ergebnis des demokratischen Prozesses. Solange die Partei nicht durch das Bundesverfassungsgericht verboten wurde – etwa wegen nachgewiesener Verfassungsfeindlichkeit –, ist sie zur Teilnahme an Wahlen und zur Übernahme von Regierungsverantwortung berechtigt. Der „Flügel“ um Björn Höcke gilt offiziell als rechtsextrem. Sollte eine AfD-geführte Bundesregierung aus genau diesen Kreisen bestehen, wäre das ein Bruch mit der bisherigen Nachkriegspolitik.
Ein realistisches Regierungsszenario auf Bundesebene erfordert entweder die absolute Mehrheit – aktuell unwahrscheinlich – oder Koalitionspartner. Bislang lehnen alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ab.
Politische Agenda: National, autoritär, anti-liberal
Ein Blick ins Parteiprogramm der AfD zeigt: Die Partei will massive Einschränkungen bei Migration, einen Rückbau der EU-Kompetenzen, ein Ende von Gender-Politik und Klimaschutzmaßnahmen, und sieht die öffentlich-rechtlichen Medien als „Propaganda-Instrumente“, die entweder reformiert oder abgeschafft gehören.
Ein Wahlsieg würde bedeuten: Diese Positionen würden Regierungshandeln bestimmen. Im Bereich Meinungsfreiheit könnte das insbesondere bedeuten, dass kritische Medien stärker unter Druck geraten – etwa durch Haushaltskürzungen, Einfluss auf die Berichterstattung oder juristische Drohkulissen gegen Journalisten.
Historische Parallele: NSDAP in der Weimarer Republik
Der Vergleich mit der NSDAP liegt für viele Kritiker nahe – aber auch er verlangt Differenzierung. Die NSDAP nutzte demokratische Wahlen, um an die Macht zu kommen. 1933 wurde Adolf Hitler Reichskanzler, anschließend baute das NS-Regime das demokratische System radikal ab.
Während die AfD kein formales Ziel einer Diktatur verfolgt, zeigen Aussagen einzelner Funktionäre immer wieder, dass sie die Grundlagen der offenen Gesellschaft infrage stellen. Der „Remigrations“-Skandal rund um das Potsdamer Geheimtreffen zeigt, dass in Teilen der Partei Ideen diskutiert werden, die klar gegen das Grundgesetz verstoßen.
AfD-Regierung: Was würde sich im Alltag verändern?
- Medien und Meinungsfreiheit: Kritische Berichterstattung könnte als „Volksverhetzung“ oder „Volksverräterei“ diffamiert werden. Der Druck auf Journalistinnen und Journalisten würde zunehmen.
- Kulturelle Vielfalt: Migration, Religionsfreiheit und Minderheitenschutz könnten zurückgedrängt werden. Fördergelder für integrative Projekte stünden auf der Kippe.
- Protest und Opposition: Demonstrationen könnten – ähnlich wie in Ungarn oder Polen – mit repressiven Maßnahmen eingeschränkt werden.
- Außenpolitik: Ein Rückzug aus internationalen Bündnissen wie der EU oder dem Pariser Klimaabkommen wäre denkbar. Die USA und Frankreich sehen die AfD bereits kritisch.
Gesellschaftliche Auswirkungen: Meinungsfreiheit, Zivilgesellschaft und Medien
Ein zentrales Thema ist die Frage, wie sich eine Regierungsbeteiligung der AfD auf Meinungsfreiheit, Presse und Gesellschaft auswirken könnte. Kritiker befürchten eine Einschränkung unabhängiger Medien durch politische Einflussnahme oder Gesetzesinitiativen. Aussagen von AfD-Funktionären, in denen Journalisten pauschal als „Systempresse“ bezeichnet werden, unterstreichen diese Sorgen.
Auch zivilgesellschaftliche Organisationen, insbesondere mit Fokus auf Antirassismus, Gleichstellung oder Integration, müssten mit Budgetkürzungen oder politischem Druck rechnen. Förderprogramme für Vielfalt, Inklusion oder LGBTQ+-Projekte könnten unter einer AfD-Regierung zur Disposition stehen.
Widerstandspotenzial der demokratischen Kräfte
Die gute Nachricht: Deutschland hat ein starkes Grundgesetz und viele Institutionen, die auf Rechtsstaatlichkeit pochen. Ein Bundesverfassungsgericht, freie Medien, eine aufmerksame Zivilgesellschaft – sie alle könnten ein Bollwerk gegen autoritäre Tendenzen bilden.
Internationale Vergleiche: Entwicklungen in Ungarn und Polen
Blickt man auf europäische Beispiele, etwa nach Ungarn oder Polen, zeigen sich Parallelen im Umgang mit Medien, Justiz und NGOs unter nationalkonservativen Regierungen. Auch dort begannen Veränderungen formal demokratisch, führten aber zu einer schrittweisen Schwächung der Gewaltenteilung und der Pressefreiheit.
Ein mögliches AfD-Regierungshandeln könnte ähnliche Effekte auslösen, insbesondere wenn rechtsstaatliche Kontrollinstanzen geschwächt oder strategisch umgestaltet würden.
Fazit: Demokratie braucht Verteidiger
Ein AfD-Wahlsieg wäre kein Automatismus in Richtung Autoritarismus – aber ein Warnsignal. Wer aus der Geschichte gelernt hat, erkennt: Die Demokratie stirbt nicht an einem Tag. Sie wird untergraben – Schritt für Schritt.
Ein wachsames Parlament, kritischer Journalismus und eine engagierte Zivilgesellschaft wären wichtiger denn je.