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Was wir über den Tatverdächtigen wissen – und was nicht

Ein Auto fährt in einen Demozug mitten in der bayerischen Landeshauptstadt. Was über den Tatverdächtigen bisher bekannt ist.

Blumen und Kerzen für die Opfer der Schreckensfahrt.
Foto: Daniel Löb/dpa

Nach dem vermuteten Anschlag in München mit mindestens 36 Verletzten untersuchen die Ermittler den Lebenslauf des verdächtigen Afghanen in Deutschland. Die Staatsanwaltschaft hat nach seiner Befragung Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund. Allerdings gibt es auch noch Fragezeichen bei der Suche nach dem Motiv, mit einem Auto in eine Verdi-Demonstration zu fahren. Was bisher bekannt ist und was noch geklärt werden muss, wird im Folgenden zusammengefasst:

Wer ist der Festgenommene?

Der Verdächtige ist 24 Jahre alt und lebt seit Ende 2016 in Deutschland. Es besteht kein Zweifel an seiner Identität. Er hatte zuvor in Italien gelebt und einen Reisepass vorgelegt, den die Behörden als echt betrachteten. Kurz nach seiner Ankunft in Deutschland wurde bei dem damals 15-Jährigen eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Dies ist bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen nicht ungewöhnlich. Die Ursachen dafür liegen oft in Erlebnissen im Herkunftsland, wie beispielsweise Krieg, oder in den Umständen der Flucht.

In den sozialen Medien präsentiert er sich als Bodybuilder, der auch an Wettbewerben teilnimmt. Er teilt auch islamische religiöse Inhalte. Laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat der junge Afghane eine Schule besucht, eine Berufsausbildung absolviert und danach als Ladendetektiv für zwei Sicherheitsfirmen gearbeitet.

Wie lebte er in München?

Laut Generalstaatsanwaltschaft arbeitete der Mann bis zuletzt im Sicherheitsgewerbe und lebte in einer Mietwohnung. Am Tag zuvor wurde die Wohnung im dritten Stock eines Mehrfamilienhauses im Stadtteil Solln durchsucht. Das Auto, mit dem er die Menschen überfuhr, gehörte ihm. Nachbarn gaben an, dass sie ihn nicht kannten. Er hatte keine Vorstrafen. In Bayern gab es laut Behördenangaben ein Verfahren wegen Arbeitsamtsbetrugs, da er sich nach dem Ende seiner Arbeitslosigkeit offenbar nicht rechtzeitig abgemeldet hatte. Das Verfahren wurde gegen eine Geldauflage eingestellt.

Welchen Aufenthaltsstatus hatte er? 

Der junge Afghane hatte nach Angaben Herrmanns einen gültigen Aufenthaltstitel und eine Arbeitserlaubnis. «Damit war der Aufenthalt des Täters bis zum heutigen Tage nach gegenwärtigem Erkenntnisstand absolut rechtmäßig», sagt Herrmann. Nach Angaben der Polizei verfügte er über eine sogenannte Fiktionsbescheinigung als Übergang zwischen zwei gültigen Aufenthaltsgenehmigungen. 

Die Ermittler geben gleichzeitig bekannt, dass der Mann laut neuesten Informationen und entgegen erster Angaben vom Donnerstag nicht wegen Ladendiebstählen und Drogendelikten bekannt war. Seine Arbeit als Ladendetektiv führte zu diesem Missverständnis. Gemäß der Polizei war er in entsprechenden Verfahren Zeuge und hatte selbst Anzeigen erstattet.

Herrmann zufolge stellte der Afghane einen Asylantrag. Sein Antrag wurde abgelehnt. Seine Klage vor Gericht war erfolglos. Im Jahr 2020 wurde sein Asylverfahren endgültig abgeschlossen, mit einem Ablehnungsbescheid und der Aufforderung zur Ausreise. Die Landeshauptstadt München erließ jedoch im April 2021 eine Duldung und im Oktober 2021 eine Aufenthaltserlaubnis.

Was ist über ein mögliches Motiv bekannt? 

Das, was der Tatverdächtige nach seiner Festnahme sagte, «lässt auf eine religiöse Tatmotivation schließen», sagt Oberstaatsanwältin Gabriele Tilmann. Nach seiner Festnahme habe er «Allahu akbar» (Gott ist groß) gesagt und gebetet. Laut Innenminister Herrmann gibt es keinen Hinweis auf einen Zusammenhang mit der laufenden Münchner Sicherheitskonferenz hochrangiger internationaler Politiker. «Im Moment gehen wir in der Tat davon aus, dass die Zielgruppe hier, dass die Opfer aus den Reihen dieser Verdi-Demonstration eher zufällig waren», sagt er. «Aber auch dem muss natürlich nachgegangen werden.»

War der Mann als potenzieller Extremist bekannt?

Nein. Der Tatverdächtige sei «wohl bislang eher unauffällig» gewesen, sagt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Aus Sicherheitskreisen heißt es, auch ein Blick auf das Umfeld des Tatverdächtigen habe bislang keine Kontakte zu islamistischen Kreisen ergeben. Er war religiös, betete, ging regelmäßig in eine Moschee, die laut Staatsanwaltschaft nicht für extremistische Prediger bekannt ist. Dass sich der junge Afghane als Bodybuilder leicht bekleidet in sozialen Medien zeigte, spricht eher gegen ein geschlossenes islamistisches Weltbild.

dpa