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Wegen Inflation: Steuerentlastung für 48 Millionen Bürger

Die hohen Preise belasten viele Bürger ohnehin schon stark. Der Staat solle daran nicht auch noch über die Einkommensteuer mitverdienen, meint die Ampel-Regierung.

Bundesfinanzminister Christian Lindner will durch weniger Steuern die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger stärken.
Foto: Oliver Berg/dpa

Der Bundestag hat eine steuerliche Entlastung für 48 Millionen Bürger beschlossen. Die Auswirkungen der hohen Inflation auf die Einkommensteuer – die sogenannte kalte Progression – sollen damit komplett ausgeglichen werden. Außerdem soll es die größte Kindergeld-Erhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik geben. Wie das Parlament am Donnerstag beschloss, verzichtet der Staat in den nächsten zwei Jahren so auf Steuereinnahmen von rund 50 Milliarden Euro. Die Änderungen können erst in Kraft treten, wenn der Bundesrat zugestimmt hat.

Viel Lob gab es im Bundestag für das Gesetz auch von der oppositionellen Union, die ihre Zustimmung gab. Es gehe um eine Selbstverständlichkeit, sagte Fraktionsvize Mathias Middelberg. «Wir geben ihnen (den Bürgern) das zurück, was ihnen durch die Inflation, durch die Preisentwicklung, sonst zusätzlich genommen würde.» Middelberg kritisierte aber zugleich, im laufenden Jahr würden die Auswirkungen der hohen Inflation nicht ausgeglichen. Die AfD kritisierte, die Ampel entlaste mit dem Gesetz nicht, sondern erhalte nur die Kaufkraft der Bürger. Die Linke bemängelte, dass Spitzenverdiener von der Anpassung in absoluten Zahlen stärker profitieren als Geringverdiener – das sei in der aktuellen Krise nicht angemessen.

Kalte Progression – eine automatische Steuererhöhung

Die Ampel-Regierung will mit dem Gesetz verhindern, dass der Staat auch noch bei der Einkommensteuer von den derzeit hohen Preisen profitiert. Die kalte Progression, quasi eine inflationsbedingte heimliche Steuererhöhung, wird abgefedert.

Diese entsteht bei hoher Inflation, wie es sie durch den russischen Krieg in der Ukraine und die folgende Energiekrise in Deutschland gerade gibt. Prognosen gehen davon aus, dass die Inflationsrate im kommenden Jahr über sieben Prozent liegen könnte.

Hohe Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, weil sie sich für einen Euro weniger kaufen können. Wenn dann das Gehalt weniger stark steigt als die Inflation, muss man zudem weiterhin hohe Steuern zahlen, kann sich aber weniger leisten. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte zuletzt argumentiert: Wenn ein Einkommen von eigentlich 43.000 Euro durch die Inflation im kommenden Jahr nur noch eine Kaufkraft von 39.000 Euro habe, dürfe der Staat nicht so viel Steuern erheben, als seien es noch 43.000 Euro Kaufkraft.

Anpassungen im Steuertarif: Grundfreibetrag und Eckwerte

Um das aufzufangen, dreht die Regierung an den Stellschrauben des Einkommensteuertarifs. Der Grundfreibetrag, also das Einkommen, bis zu dem keine Steuer gezahlt werden muss, soll steigen – um 561 Euro auf 10.908 Euro im kommenden Jahr. 2024 soll er dann auf 11.604 Euro angehoben werden.

Zudem soll der Spitzensteuersatz von 42 Prozent im kommenden Jahr erst bei einem zu versteuernden Einkommen von 62.827 Euro greifen. Derzeit wird er schon ab 58 597 Euro fällig. 2024 würde dieser Eckwert auf 66.779 Euro steigen.

Die Grenze für den noch höheren Reichensteuersatz von 45 Prozent tastet die Bundesregierung bewusst nicht an, weil sie in dieser Einkommensklasse keine zusätzliche Entlastung für nötig hält.

Kindergeld steigt ebenfalls

Familien können sich auf eine zusätzliche Entlastung einrichten: Das Kindergeld soll auf einheitlich 250 Euro pro Monat und Kind angehoben werden. Das bedeutet für das erste und zweite Kind ein Plus von 31 Euro und für das dritte Kind ein Plus von 25 Euro im Monat.

Was das für einzelne Steuerzahler bedeutet

Das Finanzministerium hat mehrere Beispielrechnungen aufgemacht: Demnach muss ein Single mit Bruttolohn von monatlich 2400 Euro im kommenden Jahr 197 Euro weniger Steuern zahlen. Eine Familie mit zwei Kindern und gemeinsamem Bruttolohn von 4667 Euro im Monat hätte 818 Euro mehr in der Tasche. Ein Single mit Bruttolohn von monatlich 13.000 Euro müsste 674 Euro weniger Steuern zahlen.

In absoluten Zahlen werden Topverdiener damit stärker entlastet als Geringverdiener – bei ihnen ist der Effekt der hohen Inflation aber auch stärker. Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) warf Lindner vor, Spitzenverdiener über Gebühr zu begünstigen. Der Grundfreibetrag solle voll angepasst werden, schon beim Spitzensteuersatz sei das aber weder geboten noch bezahlbar.

Kosten für den Staat

Durch die Verschiebung der Eckwerte nehmen Bund, Länder und Gemeinden im kommenden Jahr 18,6 Milliarden Euro weniger Steuern ein. Im Jahr 2024 sind es sogar 31,8 Milliarden. Das ist deutlich mehr als in einem ersten Entwurf vorgesehen – hier hatte Lindner aber noch mit einer niedrigeren Inflation gerechnet. Trotzdem profitiert der Bund weiter von der hohen Teuerung – etwa, weil er deutlich mehr Mehrwertsteuer einnimmt.

dpa