Könnte im Fall eines russischen Angriffs schnell genug Verstärkung an die Ostflanke gebracht werden? Daran gibt es in der EU seit langem Zweifel. Jetzt gibt es zumindest ein neues Krisenkonzept.
Wegen Russland: EU plant Notfallsystem für Militärtransporte

In Anbetracht der Bedrohungen durch Russland plant die EU die Einführung eines Notfallsystems für eine schnelle grenzübergreifende Verlegung von Streitkräften und Militärausrüstung. Laut Informationen der Deutschen Presse-Agentur wird die Europäische Kommission heute in Brüssel einen konkreten Vorschlag dazu vorlegen. Dieser sieht vor, dass militärischen Transportoperationen in einer Krise EU-weit priorisierten Zugang zu Verkehrsnetzen, Infrastruktur und damit verbundenen Dienstleistungen gewährleistet wird.
Zusätzlich würden Ausnahmen bei Lenk- und Ruhezeiten, nationalen Melderegeln oder Umwelt- und Lärmschutzvorschriften gewährt. Schienenfahrzeuge könnten ebenfalls außerhalb ihres normalerweise genehmigten Einsatzbereichs eingesetzt werden.
«Auf guten Willen kann man sich nicht verlassen»
«In Krisen, in denen der Zeitfaktor bei jeder Reaktion entscheidend sei, kann es sich Europa nicht leisten, langsam zu handeln», heißt es in einem Text zu der geplanten Richtlinie, die von der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas, Verteidigungskommissar Andrius Kubilius und Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas vorgestellt werden soll. Situationen, die eine schnelle und umfangreiche militärische Verlegung erfordern, träten selten angekündigt auf. Dann könne man sich nicht auf Ad-hoc-Koordinierung und den guten Willen einzelner Staaten verlassen. Für den Fall der Fälle brauche es einen klaren Plan und einen Vorrang für die Streitkräfte. Ohne dies bleibe alle Abschreckung theoretisch.
Nach dem Kommissionsvorschlag werden der Rat der Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament beraten. Wenn das neue System beschlossen wird, könnte es im Krisenfall innerhalb von 48 Stunden aktiviert werden. In den Arbeitstexten der Kommission wird es als European Military Mobility Enhanced Response System (Emers) bezeichnet.
Es fügt viele weitere Vorschläge hinzu, wie grenzüberschreitende Militärtransporte außerhalb des Notfallmechanismus erleichtert werden sollen. Neben dem Abbau bürokratischer Hürden geht es auch um den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Derzeit sind viele relevante Straßen- und Eisenbahnbrücken sowie zahlreiche Häfen und Flughäfen nicht für große und schwere Militärtransporte geeignet.
Hintergrund der Planungen sind Geheimdiensterkenntnisse, nach denen Russland spätestens 2030 militärisch in der Lage sein dürfte, einen weiteren Krieg zu beginnen. «Russland hat derzeit keine Kapazität, einen Angriff auf die EU zu starten. Es könnte sich aber in den kommenden Jahren darauf vorbereiten», erklärte die EU-Außenbeauftragte Kallas im Oktober. Die Gefahr werde nicht verschwinden, selbst wenn der Krieg in der Ukraine ende.
Bisherige Anstrengungen gelten als unzureichend
Es gab zuletzt immer wieder Kritik an den Bemühungen der EU, die militärische Mobilität deutlich zu verbessern. Der Europäische Rechnungshof monierte beispielsweise Anfang des Jahres, dass Milliardeninvestitionen in Projekte für eine schnellere Verlegung von Streitkräften innerhalb Europas nicht die gewünschte Wirkung zeigten. Geförderte Infrastrukturprojekte wurden nicht unter Berücksichtigung der Gesamtlage oder der dringendsten Prioritäten, sondern auf Einzelfallbasis ausgewählt.
Die EU-Kommission kündigte im November 2022 als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine an, militärisch nutzbare Infrastrukturprojekte mit 1,7 Milliarden Euro zu fördern. Dazu gehörten beispielsweise der Ausbau von Straßen oder Bahnstrecken. Die Mittel waren Ende 2023 bereits erschöpft, obwohl sie bis 2027 geplant waren. Der Rechnungshof kritisiert daher auch eine Finanzierungslücke.
Die Kommission hat vorgeschlagen, das Budget für militärische Mobilität im nächsten langfristigen EU-Haushalt zu verzehnfachen. Es sollen insgesamt 17,65 Milliarden Euro für Investitionen in militärisch nutzbare Verkehrsinfrastruktur bereitgestellt werden.








