Die Wehrbeauftragte blickt auf das letzte Jahr ihrer Amtszeit. Sie sieht drängende Probleme, deren Lösung wegen der Bedrohung durch Russland nun vorankommen müsse.
Wehrbeauftragte beklagt: Bundeswehr fehlen Tausende Soldaten
Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, drängt auf verstärkte Bemühungen, um Personal für die Bundeswehr zu gewinnen. Bis zur Zielgröße von 203.000 Soldaten fehlen weiterhin etwa 20.000 Männer und Frauen, sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
«Außerdem sind viele Dienstposten nicht besetzt», beklagte sie. Und die tatsächliche Einsatzbereitschaft liege in vielen Verbänden nur um die 50 Prozent. «Das ist deutlich zu wenig», warnte Högl angesichts der angespannten Sicherheitslage nach der Invasion Russlands in die Ukraine. Schon im Frühjahr hatte sie in ihrem Jahresbericht beklagt, dass die Truppe immer weiter altere und schrumpfe.
Weiter sagte Högl der dpa: «Personal halte ich für das wichtige Thema für das Jahr 2025.» Sie plädierte auch dafür, einen neuen Anlauf zu nehmen für eine breiter angelegte Dienstpflicht für junge Männer und auch Frauen.
Die Wehrbeauftragte unterstützt gemäß Artikel 45b des Grundgesetzes den Bundestag bei der Überwachung der Streitkräfte. Sie fungiert jedoch auch als Anwältin für die Soldaten, die sich jederzeit an sie wenden können. Högls Amtszeit von fünf Jahren endet in diesem Mai.
«Die Personallage muss höchste Aufmerksamkeit bei allen politisch Verantwortlichen haben», forderte Högl. Die bisherigen Maßnahmen könnten hoffentlich helfen, das Niveau zu halten. Ausreichend sei das aber nicht.
Högl bekräftigt Ruf nach Dienstpflicht mit einem Gesellschaftsjahr
Zu einer breiter angelegten Dienstpflicht für junge Männer und auch Frauen sagte sie: «Ich favorisiere ein Jahr für die Gesellschaft und fände es gut, wenn es verpflichtend wäre. Mit einer Bandbreite von Möglichkeiten: Kultur, Umwelt, sozialer Bereich, Blaulichtorganisationen und Bundeswehr – und das für alle Geschlechter», so Högl. Das würde auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken.
Ein solcher Vorschlag würde über das Wehrdienstmodell von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hinausgehen. Pistorius plant, eine Wehrerfassung wieder einzuführen und eine Auskunftspflicht für junge Männer bezüglich ihrer Bereitschaft zum Wehrdienst zu etablieren.
«Boris Pistorius wollte mehr, doch mit der bisherigen Regierungskoalition war nicht mehr möglich», so Högl mit Blick auf die Ampel-Koalition. «Sein Vorschlag wäre ein guter Start und erster Schritt gewesen. Es wäre gut, wenn der nächste Bundestag das Thema zügig diskutiert und entscheidet.»
Bei den Zielen der Zeitenwende «noch nicht am Ziel»
Der Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 habe die Bundeswehr verändert. «Diese Zeitenwende ist auch ein Auftrag für weitere Reformen und mehr Tempo. Das betrifft Material, Personal und Infrastruktur. Und da sind wir noch nicht am Ziel», sagte Högl.
In Bezug auf die für den 23. Februar geplante Neuwahl des Bundestages forderte sie, dass die Angelegenheiten der Bundeswehr und der Verteidigungspolitik nicht in einer Logik von Opposition und Regierung diskutiert werden. Es sei wichtig, dass im Bundestag eine große Einigkeit und breite Mehrheiten herrschen. Der Verteidigungsetat müsse ebenfalls erhöht werden, um qualifiziertes Personal in der Bundeswehr zu behalten.
Bürokratie in der Truppe «wird immer schlimmer»
«Am Ende kostet die vollständige Einsatzbereitschaft unserer Bundeswehr viel Geld – und das Geld muss bereitgestellt werden. Es ist gut investiertes Geld in Frieden und Freiheit», sagte Högl. Und: «Wie es finanziert wird, entscheidet das Parlament. In diese Debatte mische ich mich nicht ein.»
Als ein ungelöstes Problem beschreibt sie den lähmenden Verwaltungsaufwand in den Streitkräften. «Die ganze Truppe klagt über Bürokratie, und es wird immer schlimmer. Dazu kommt die fehlende Digitalisierung», sagte Högl. «Es gibt immer noch keine elektronische Gesundheitsakte für unsere Soldatinnen und Soldaten und keine digitale Zeiterfassung. Dafür laufen viele Prozesse immer noch auf der Basis von Exceltabellen, die von A nach B gefaxt werden. Das ist nicht zeitgemäß und behindert die Einsatzbereitschaft.»
Kommando Spezialkräfte braucht «mehr Platz»
Högl hat angekündigt, dass sie dem Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr zum Ende ihrer Amtszeit noch einmal besondere Aufmerksamkeit schenken wird. Sie hat den Verband, der vor einigen Jahren nach rechtsextremen Vorfällen in einer schweren Krise steckte und ein erfolgreiches Reformprogramm durchgeführt hat, mehrmals besucht.
«Der Verband hat sich in den vergangenen Jahren sehr verändert. Ich habe das in meiner Amtszeit intensiv begleitet und freue mich über diese Veränderung – und dass das KSK den Blick nach vorne richtet und Aufgaben in der Bündnis- und Landesverteidigung übernimmt», sagte Högl.
Sie äußerte sich positiv zu Überlegungen, dem KSK zusätzlich zu der Heimatkaserne in Calw in Baden-Württemberg einen zweiten Standort zu geben, womöglich im Osten Deutschlands. Högl sagte: «Wir sollten jetzt keine Standort-Diskussion beginnen – aber dass das KSK mehr Platz braucht, ist klar. Und vielleicht wäre auch ein zweiter Standort sinnvoll für den veränderten Auftrag.»