Der Kanzler plant, bis Weihnachten alle Gesetzentwürfe abzustimmen, die keinen Aufschub dulden. Trotz fehlender Mehrheit im Bundestag will er Projekte wie den Ausgleich der Inflation vorantreiben.
Scholz will wichtige Projekte durchs Parlament bringen
Die Ampel ist Geschichte – aber Kanzler Olaf Scholz will wichtige Projekte trotzdem noch durchs Parlament bringen. Er wolle in den verbleibenden Sitzungswochen des Bundestags bis Weihnachten alle Gesetzentwürfe zur Abstimmung stellen, die aus seiner Sicht «keinerlei Aufschub» duldeten, sagte der SPD-Politiker nach dem Bruch der Koalition.
Der Kanzler hat spezifische Pläne genannt – jedoch fehlt ihm ohne die FDP die Mehrheit im Bundestag. Am 20. Dezember ist die planmäßige letzte Sitzung des Parlaments in diesem Jahr. Möglicherweise wird es im März Neuwahlen geben. Vorher möchte Scholz, dass diese Themen entschieden werden:
Steuerliche Entlastungen
Scholz will, dass der Effekt der Inflation bei der Einkommensteuer ausgeglichen wird – ein Projekt, das eigentlich der nun Ex-Finanzminister Christian Lindner maßgeblich vorangetrieben hat. «Damit alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab dem 1. Januar mehr Netto vom Brutto haben», begründete der Kanzler, dass er an den Plänen zum Ausgleich der Kalten Progression festhält.
Man spricht von kalter Progression, wenn Bürger aufgrund des progressiven Steuertarifs auch dann mehr Steuern an den Staat zahlen müssen, wenn ihre Gehaltserhöhung lediglich die Inflation ausgleicht. Lindner schlug vor, den Grundfreibetrag und andere Eckwerte des Steuertarifs so zu verschieben, dass höhere Steuersätze erst später zum Tragen kommen. Lediglich die Grenze für die Reichensteuer, die über dem Spitzensteuersatz liegt, sollte unverändert bleiben, um die Allerreichsten nicht zu stark zu entlasten. Der FDP-Chef warf den Grünen vor, die Pläne zu blockieren.
Rentenpaket
Das ist wahrscheinlich der wichtigste Punkt für die SPD: Die Stabilisierung der gesetzlichen Rente. Ende September hat sich der Bundestag in erster Lesung mit dem lang erwarteten Rentenpaket befasst. Der Kernpunkt ist die Garantie eines stabilen Rentenniveaus, das mit der Lohnentwicklung Schritt hält. Aufgrund der alternden Bevölkerung wird dies jedoch immer kostspieliger, was zu höheren Beiträgen für jüngere Menschen führt. Die Koalition plant, diese prognostizierte Beitragserhöhung durch Investitionen am Aktienmarkt abzufedern und die Rendite zu nutzen.
Insbesondere der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, bestand jedoch auf Änderungen, da das Paket seiner Meinung nach die Jüngeren zu stark belastet. Denn der Aktienplan wird voraussichtlich nicht alle zusätzlichen Kosten decken können. Auch innerhalb der Union ist das Rentenpaket umstritten. Fraktionsvize Hermann Gröhe bezeichnete es Ende September als verpasste Gelegenheit für mehr Generationengerechtigkeit. Ein Neustart in der Rentenpolitik sei erforderlich.
Asylpolitik
Der Kanzler nannte als nächstes Vorhaben die zügige Umsetzung der Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Deutschland beabsichtigt, dies schnell umzusetzen. Am Mittwochvormittag hatte die Koalition zwei Gesetzesänderungen beschlossen. Die Reform beinhaltet unter anderem eine Verpflichtung zur Identitätskontrolle bei Ankommenden. Asylbewerber mit einer EU-weiten Schutzquote von unter 20 Prozent sollen ihr Verfahren an der EU-Außengrenze durchlaufen.
Hilfen für die Industrie
Deutschland steckt in einer Konjunkturflaute, schlecht geht es vor allem der Industrie. Kanzler Scholz hatte Ende Oktober einen Industriegipfel mit Vertretern von Wirtschaft und Gewerkschaften veranstaltet. Er kündigte danach einen «Pakt für die Industrie» an, der sehr konkrete Maßnahmen umfassen solle, um den Standort zu stärken. Wirtschaftsverbänden beklagen vor allem im internationalen Vergleich hohe Energiepreise.
Bis Jahresende will Scholz nun unbedingt «Sofortmaßnahmen» für die Industrie durchsetzen. Konkret sagte er, die Netzentgelte für Unternehmen sollten gedeckelt werden und es solle ein Paket geschnürt werden, das Arbeitsplätze in der Automobilindustrie und bei den vielen Zuliefererbetrieben sichere. Denkbar wären zum Beispiel neue Fördermaßnahmen, um den Absatz von Elektroautos anzukurbeln. Maßnahmen zur Stärkung der Industrie würden aber Milliarden kosten.
Scholz sucht Unterstützung von Merz
Der Kanzler kündigte an, er werde sehr schnell das Gespräch mit dem Oppositionsführer suchen, dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz. Er wolle ihm anbieten, in zwei entscheidenden Fragen, «gern auch mehr», konstruktiv zusammenzuarbeiten. Scholz nannte die schnelle Stärkung der Wirtschaft und die Verteidigung. «Unsere Wirtschaft kann nicht warten, bis Neuwahlen stattgefunden haben, und wir brauchen jetzt Klarheit darüber, wie wir unsere Sicherheit und Verteidigung in den kommenden Jahren solide finanzieren, ohne dafür den Zusammenhalt im Land aufs Spiel zu setzen.» Die Frage ist allerdings, ob Merz das mitmacht.
Was höchst dringlich ist – aber von Scholz nicht genannt wurde
Der Bundestag muss noch für das laufende Jahr einen Nachtragshaushalt verabschieden – ansonsten könnte es zu einer Haushaltssperre kommen. Im Sommer hatte die Koalition bekannt gegeben, dass sie einige Milliarden zusätzliche Kredite benötigt, um geringere Steuereinnahmen, höhere Ausgaben beim Bürgergeld und gestiegene Kosten für die Förderung erneuerbarer Energien auszugleichen. Aufgrund der schwächer als erwarteten Konjunktur in Deutschland erlaubt die Schuldenbremse diese höhere Kreditaufnahme.
Ohne die zusätzlichen Mittel könnte es einfach kein Geld mehr für bestimmte Anliegen geben. Während einer Haushaltssperre müssen alle Ausgaben vom Finanzministerium genehmigt werden. Das führt zu großer Unsicherheit für viele Angestellte, die auf Projektbasis arbeiten oder befristete Arbeitsverträge haben.
Denn auch der Haushalt für 2025 ist noch nicht unter Dach und Fach. Das Jahr beginnt wahrscheinlich mit einer vorläufigen Haushaltsführung, während der man sich auf unerlässliche und dringende Ausgaben beschränken muss. Schließlich kann kaum eine abtretende Regierung eine künftige auf einen Haushaltsplan festlegen.