Für die Sondierungsteams von Union und SPD tickt die Uhr. Heute oder morgen könnten erste Entscheidungen fallen. Es geht um Milliarden.
«Wichtiger Tag» – Sondierer hoffen auf Einigung bei Finanzen
Die Verhandlungen zwischen Union und SPD in Berlin nähern sich einer entscheidenden Phase. Es wird diskutiert, wie eine potenzielle schwarz-rote Bundesregierung mehr finanziellen Spielraum erhalten kann – sowohl für die Verteidigung als auch für wichtige Investitionen in die Infrastruktur. Ein Vorschlag der Bundesbank zur Reform der Schuldenbremse könnte neuen Schwung in die Gespräche bringen.
«Ich glaube, heute ist ein sehr, sehr wichtiger Tag. Ich hoffe, dass wir erfolgreich sind», sagte CSU-Chef Markus Söder kurz vor Beginn des dritten Verhandlungstags in Berlin. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) betonte, Deutschland müsse gleichzeitig der Ukraine helfen, die Bundeswehr stärken, aber auch genug Geld haben, um die eigenen Probleme im Land zu lösen. «Zum Beispiel die Stärkung der Wirtschaft.»
Einigung rechtzeitig zum EU-Gipfel?
Das Zerwürfnis zwischen den USA und der Ukraine sowie die vorerst eingestellten US-Militärhilfen setzen die Regierungsbildung in Deutschland unter großen Zeitdruck. Die für die weitere Ukraine-Hilfe wichtigen Finanzfragen sollen möglichst bis zum EU-Gipfel in Brüssel am Donnerstag geklärt werden.
Dort planen die Europäer, auf den Eklat zwischen US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu reagieren und einen gemeinsamen Kurs auf dem Weg zum Frieden für die Ukraine festzulegen. Es wird um zusätzliche Finanz- und Militärhilfen für das von Russland angegriffene Land gehen, sowie um die Stärkung der europäischen Streitkräfte.
Wo das Geld herkommen könnte
Ökonomen schätzen den Investitionsbedarf der Bundeswehr auf bis zu 400 Milliarden Euro, während der Bedarf an Infrastruktur von Bund und Ländern – wie Straßen, Schulen, Schiene und anderen – sogar bei 400 bis 500 Milliarden Euro liegt.
Mehr Geld könnte durch eine Änderung der Schuldenregel im Grundgesetz freigesetzt werden, was die Union bisher jedoch abgelehnt hat. Daher werden auch zwei separate, milliardenschwere Sondervermögen für die Bundeswehr und die Infrastruktur diskutiert, die im Grundgesetz verankert sind und somit von der Schuldenbremse ausgenommen werden.
Sondervermögen sind spezielle Fonds, die neben dem regulären Haushalt existieren und einem bestimmten Zweck dienen. Sie können beispielsweise mit Krediten finanziert werden. Der Staat würde dann Anleihen auf dem Kapitalmarkt platzieren. Diese werden in der Regel von institutionellen Anlegern wie Pensionskassen und Kreditinstituten erworben, aber auch von Fonds wie dem norwegischen Staatsfonds.
Bundesbank für Reform der Schuldenbremse
Die Bundesbank befürwortet in einem Dokument eine Überarbeitung der Schuldenbremse mit erweiterten Spielräumen für Schulden, insbesondere für Sachinvestitionen. Dies geht aus einem Papier hervor, das Table-Media vorliegt und auch der Deutschen Presse-Agentur. Die Neuverschuldung sollte sich danach richten, ob die Staatsverschuldung über oder unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt. Diese Grenze ist in den EU-Maastricht-Verträgen als Schuldenobergrenze festgelegt.
Die Schuldenbremse erlaubt bisher nur eine jährliche Neuverschuldung von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – etwas mehr, wenn die Konjunktur schwächelt. Die Bundesbank schlägt vor, die Grenze bei Schuldenquoten unter 60 Prozent auf 1,4 Prozent anzuheben. Bei höheren Schuldenquoten könnten bis zu 0,9 Prozent Neuverschuldung möglich sein. Bis 2030 hätte der Staat im günstigsten Fall rund 220 Milliarden Euro mehr Kreditspielraum als jetzt. Liegt die Schuldenquote wie aktuell über der europäischen Grenze, wären immerhin noch rund 100 Milliarden Euro zusätzliche Schulden erlaubt.
Entscheidung mit dem alten Bundestag?
Die SPD ist der Meinung, dass eine Reform der Schuldenbremse der bessere Weg ist, im Gegensatz zur Union, die dies bisher ablehnt. Allerdings könnten Union und SPD alleine sowieso nicht entscheiden: Eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag ist für eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich.
AfD und Linke könnten im neuen Bundestag einen solchen Beschluss verhindern – sie verfügen zusammen über mehr als ein Drittel der Stimmen. Daher wird erwogen, dass der alte Bundestag einen Beschluss fasst, bei dem Union und SPD gemeinsam entweder mit Grünen oder FDP die erforderliche Mehrheit sicherstellen könnten.
Doch die sind scheinbar noch nicht mit im Boot. Der wahrscheinliche künftige Kanzler Friedrich Merz (CDU) müsse jetzt «endlich liefern und konkrete Finanzierungsvorschläge machen», forderte Grünen-Chefin Franziska Brantner auf X. Sie kritisierte, Merz glaube, «Friss oder stirb wäre tragfähig in dieser Weltlage».
Der alte Bundestag hat die Möglichkeit, noch zu tagen, bis der neue Bundestag seine Arbeit aufnimmt. Dies muss spätestens am 25. März geschehen. Eine Reform der komplizierten Schuldenbremse wäre daher nur begrenzt möglich. Die Schaffung von Sondervermögen dürfte im Vergleich dazu einfacher umzusetzen sein.