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Wie gefährlich werden die Ost-Wahlen für die Ampel?

Die Ampel ist ziemlich ramponiert aus den Sommerferien zurückgekehrt. Jetzt hat sie sich aber bei einem wichtigen Thema wieder zusammengerauft – kurz vor den Wahlen im Osten. Ist das nun die Rettung?

Der Haushaltsstreit hat der Ampel-Koalition in Berlin einen neuen Tiefpunkt beschert - ausgerechnet kurz vor den Landtagswahlen im Osten.
Foto: Kay Nietfeld/dpa

Dass es ein schwieriger Spätsommer und Herbst für die Ampel werden würde, war klar. Dass die Koalitionäre sich aber schon vor den Wahlen in Ostdeutschland im September in einer Art und Weise selbst zerlegten, die alle bisherigen Streitereien in den Schatten stellt, hat dann doch viele überrascht. Der SPD-Kanzler musste sich aus dem Sommerurlaub in den Haushaltsstreit einschalten, der Finanzminister schrieb einen Brief zur Ukraine-Hilfe, der die Bündnispartner verunsicherte, am Ende nannte der Grünen-Chef die Ampel eine «Übergangskoalition».

Unmittelbar vor den beiden Wahlen hat sich die Ampel jedoch wieder zusammengerauft und gezeigt, dass sie bei einem wichtigen Thema auch ohne öffentlichen Streit und wochenlange Verhandlungen handlungsfähig ist. Am Donnerstag reagierte die Regierung mit einem Sicherheitspaket auf den mutmaßlich islamistischen Anschlag von Solingen, das unter anderem eine Verschärfung der Messerverbote und Leistungskürzungen für bestimmte Asylbewerber enthält. Am Freitag folgte dann die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schon lange versprochene Abschiebung von Straftätern in das von den Taliban regierte Afghanistan.

Fünf-Prozent-Marke auch für SPD bedrohlich nah

Kann dies dazu beitragen, die drohende große Katastrophe für die Ampel bei den Wahlen doch noch abzuwenden? Die aktuelle Situation in den Umfragen – jedoch noch vor den Beschlüssen zu Migration und Sicherheit – ist jedenfalls katastrophal. Die SPD erzielte bereits 2019 in Thüringen und Sachsen mit 8,2 bzw. 7,7 Prozent ihre bisher schlechtesten Ergebnisse bei Landtagswahlen. In allen Umfragen liegen die Sozialdemokraten nun sogar noch darunter und nähern sich gefährlich der Fünf-Prozent-Marke an.

Die Grünen müssen ebenfalls um ihren Verbleib in den beiden Landtagen bangen. Und die FDP, die es in Thüringen 2019 noch knapp geschafft hat, wird inzwischen in beiden Ländern teilweise nur noch unter den «sonstigen Parteien» aufgeführt, weil sie es nicht mehr über drei Prozent schafft. Zuletzt kam nicht nur die AfD, sondern auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in einzelnen Umfragen auf mehr Zustimmung als alle drei Ampel-Parteien zusammen.

Scholz ließ Wahlniederlagen bisher abperlen

Kanzler Scholz hat bisher alle Wahlniederlagen an sich abperlen lassen. Als die SPD im Mai bei der Europawahl ihr schlechtestes Ergebnis bei einer nationalen Wahl seit mehr als 130 Jahren einfuhr, wandelte er durch das Willy-Brandt-Haus, machte Selfies mit den Genossen und lehnte einen Kommentar zum Wahlergebnis mit einem schlichten «Nö» ab. Tags darauf sagte er lediglich, es gehe für die Koalition nun darum, ihre Arbeit zu machen und «sich darauf vorzubereiten, dass die Zustimmung immer größer werden wird».

Diesmal wird es für ihn wohl nicht mehr so einfach sein, davon zu kommen, falls die SPD die Ergebnisse der letzten beiden Wahlen noch unterschreitet oder sogar aus einem der Landtage fliegt. Es erscheint nach wie vor unwahrscheinlich, dass die Ampel ein Jahr vor dem regulären Wahltermin aufgibt, angesichts der düsteren Aussichten aller drei Parteien bei einer Neuwahl. Dennoch wird die Ampel der Öffentlichkeit klar machen müssen, was sie mit der verbleibenden Zeit bis zur Bundestagswahl am 28. September 2025 noch erreichen möchte.

Es gibt viele ausstehende Projekte: Die Umsetzung der Wachstumsinitiative, das Rentenpaket, die Kindergrundsicherung, das Tariftreuegesetz und das Gesetz zur Förderung der Demokratie. Auch die internationalen Krisen von der Ukraine bis Nahost und die Umsetzung der Migrations- und Sicherheitsbeschlüsse stehen noch an. Schon am nächsten Dienstag soll die von Scholz angekündigte Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und der Union als größter Oppositionskraft erstmals tagen.

AfD fiebert schon lange auf diese Wahlen hin

Die Wahlen im Osten werden nicht nur die Ampel, sondern das ganze deutsche Parteiensystem einmal kräftig durchschütteln. Die AfD fiebert seit mehr als einem Jahr auf diesen September hin. In Sachsen und Thüringen und auch in Brandenburg drei Wochen später könnte sie zum ersten Mal seit ihrer Gründung 2013 eine oder mehrere Landtagswahlen gewinnen. Der Urnengang in den ostdeutschen Bundesländern wird von der Partei strategisch als Zwischenetappe gesehen. «Im Osten muss für uns die Sonne der Regierungsverantwortung aufgehen», sagt Parteichef Tino Chrupalla. 

Die AfD plant voraussichtlich, für die Bundestagswahl 2025 einen Kanzlerkandidaten oder eine Kanzlerkandidatin aufzustellen, jedoch eher symbolisch, da bundesweite Regierungsmehrheiten und Koalitionspartner für die Partei, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachtet wird, nicht in Sicht sind. Die Partei denkt bereits an das Superwahljahr 2029, wie Chrupalla Ende Juni betonte.

Anschließend wird in Brandenburg, Sachsen und Thüringen erneut gewählt, und die Wahl zum übernächsten Bundestag steht an. Das Kalkül: Wenn bis dahin die Unzufriedenheit in der Bevölkerung und die Akzeptanz für die AfD ausreichend gewachsen sind, könnte ihre Stunde schlagen.

Wagenknecht als Shooting Star?

Sahra Wagenknechts BSW könnte den steilsten Start einer Parteineugründung bei Landtagswahlen hinlegen, den es je gegeben hat. Sie geht mit zweistelligen Umfragewerten in die Abstimmungen und könnte vielleicht sogar mitregieren. CDU und SPD schließen jedenfalls ein Bündnis nicht aus.

Die Partei von Wagenknecht wird die Ergebnisse als Unterstützung für die Bundestagswahl betrachten. Das BSW liegt in bundesweiten Umfragen zwischen acht und neun Prozent, während Wagenknechts frühere Partei, die Linke, nach aktuellem Stand an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern würde.

Entscheidungswochen für K-Frage der Union

In der CDU erwarten sie langwierige und komplizierte Sondierungen über mögliche Regierungsbildungen. Bundesparteichef Friedrich Merz hat jede Zusammenarbeit mit AfD und Linker ausgeschlossen – Stichwort Brandmauer. Nach der Europawahl hatte er sich erst auch gegen eine Kooperation mit dem BSW stark gemacht, weil die Partei «in einigen Themen rechtsextrem, in anderen wiederum linksextrem» sei. Erst auf Druck ostdeutscher CDU-Landesfürsten lenkte er ein und überließ die Entscheidung den Landesparteien. 

Die Entscheidungswochen brechen an, wenn es um die K-Frage geht, die Merz und CSU-Chef Markus Söder im Spätsommer klären wollen. In der CDU herrscht die Losung, dass die Kanzlerkandidatur auf Merz hinauslaufen würde, wenn er es wünscht. Dies wird allgemein angenommen.

Es könnte jedoch interessant werden, wenn die CDU unerwartete Verluste hinnehmen muss – schließlich hat sich Merz auch stark in den Wahlkämpfen engagiert. Oder wenn einige in den Landesverbänden doch an der AfD-Brandmauer rütteln. Eine Vorgängerin von Merz – Annegret Kramp-Karrenbauer – musste aufgrund einer solchen Diskussion ihr Amt aufgeben. CSU-Chef Söder, von dem bekannt ist, dass er sich selbst als den besseren Kanzlerkandidaten ansieht, dürfte auf solche Turbulenzen nur warten.

dpa