Nicht nur Menschen, die Politiker mit Schaum bewerfen oder Plakate abreißen, beschäftigen vor der Bundestagswahl die Sicherheitsbehörden. Sie richten ihren Blick auch auf Hacker, Bots und Trolle.
Wie sicher ist die Neuwahl? – Warnung vor Desinformation

Vor der bevorstehenden Bundestagswahl wird von den Sicherheitsbehörden darauf geachtet, potenzielle Cyberangriffe, ausländische Einflussnahme und die Verbreitung von Desinformation frühzeitig zu erkennen und zu bekämpfen. Laut Sicherheitskreisen gibt es jedoch bisher keine Hinweise auf eine konkrete Bedrohung der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar.
Laut den Verantwortlichen ist der Wahlprozess selbst nicht gefährdet, dank der langsamen Digitalisierung der deutschen Verwaltung. Die Bundeswahlleiterin Ruth Brand wird vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) unterstützt, um die digitale Übermittlung der Landesergebnisse und die Ermittlung des vorläufigen Wahlergebnisses abzusichern. Das endgültige Wahlergebnis beruht jedoch auf den Niederschriften der Wahlvorstände.
DESINFORMATION: Ein besonders auffälliges Beispiel für politische Desinformation ist die 2022 aufgedeckte «Doppelgänger»Kampagne. Hier war versucht worden, mittels täuschend echt aussehender Online-Portale oder Webauftritte bekannter Medien russische Narrative zum Ukraine-Krieg zu verbreiten. Dabei ging es offensichtlich auch darum, durch bewusste Falschinformationen im Internet und über Social Media demokratische Werte infrage zu stellen.
Nach Beginn der Kampagne wurden in mehreren EU-Ländern gefälschte Webseiten entdeckt, die Internetseiten bekannter Medien oder Institutionen imitierten. Ende Juli 2023 setzte die EU fünf Organisationen, die mit dem russischen Staat verbunden sind, sowie sieben Personen als Verantwortliche auf eine Sanktionsliste. Teil der Kampagne waren auch gefälschte Zitate, die Prominenten aus der Unterhaltungsbranche zugeschrieben und über soziale Netzwerke verbreitet wurden.
Laut Sicherheitskreisen waren die Grünen, die SPD und die CDU/CSU zuletzt besonders im Fokus von Desinformationskampagnen.
Durch Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz eröffnen sich neue Möglichkeiten für Menschen und Geheimdienste, die die öffentliche Meinung beeinflussen wollen. Ein Beispiel dafür ist der Spitzenkandidat der Grünen, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der Anfang Dezember Ziel einer Desinformationskampagne wurde, die mithilfe von KI erstellt wurde. Auf einer Website, die kurz darauf nicht mehr erreichbar war, erschien ein Bericht über angebliche Missbrauchsvorwürfe, inklusive eines mit KI manipulierten Videos. Das Bundesamt für Verfassungsschutz betrachtet den Bericht mit den falschen Behauptungen als gezielten Versuch, den Politiker zu diskreditieren.
Es ist oft sehr schwierig für Nicht-Experten, solche Fälschungen zu erkennen. Mit Hilfe von Deepfake-Tools können künstliche Sprachaufnahmen erstellt werden, die sich kaum von der echten Stimme unterscheiden lassen. Die Spuren in Bezug auf die erfundenen Vorwürfe gegen Habeck deuten, wie häufig in solchen Fällen, auf Moskau hin. Der Verfassungsschutz teilte im November mit, dass Russland angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine das größte und naheliegendste Interesse daran hat, die Wahl in ihrem Sinne zu beeinflussen.
HACKERANGRIFFE: Hier bereiten sich die Sicherheitsbehörden unter anderem auf «Hack and Leak»-Operationen vor. Das sind Cyberangriffe, bei denen man sich Zugang zu interner Kommunikation beschafft, um sie später zu veröffentlichen, oft mit dem Ziel, die Betroffenen bloßzustellen oder politische Debatten über bestimmte Themen zu befeuern.
Ein russischer Nachrichtendienst hatte im letzten Jahr eine Webex-Schalte von vier hochrangigen Offizieren der Luftwaffe abgehört. Der Mitschnitt wurde veröffentlicht. Die Offiziere diskutierten über Einsatzszenarien für den deutschen Marschflugkörper.
Ein Beispiel für «Hack and Leak» zum Zweck der Wahlbeeinflussung gab es 2016 in den USA. Eine russische Hackergruppe hatte damals E-Mails der demokratischen Partei erbeutet. Die E-Mails waren dann kurz vor der Wahl veröffentlicht worden und hatten Hillary Clinton, der damaligen Gegenkandidatin des heutigen Präsidenten Donald Trump, geschadet.
Im Juni wurde eine Cyber-Attacke auf die CDU bekannt. Der Verfassungsschutz und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik haben daraufhin Ermittlungen eingeleitet. Betroffen war unter anderem die zentrale Mitgliederdatei. Es wird vermutet, dass chinesische Hacker für den Angriff verantwortlich sein könnten. Deutsche Experten gehen jedoch davon aus, dass China bisher eher an klassischer Spionage zur Informationsbeschaffung interessiert ist und nicht an der Veröffentlichung gestohlener Daten.
Die SPD wurde 2023 Opfer einer Cyber-Attacke. Zu dieser Zeit wurden E-Mail-Konten der Parteizentrale gehackt. Die Bundesregierung machte eine Einheit des russischen Militärgeheimdienstes für diesen Angriff verantwortlich. Im Mai bestellte das Auswärtige Amt einen hochrangigen russischen Diplomaten ein und rief den deutschen Botschafter in Moskau, Alexander Graf Lambsdorff, für eine Woche zu Konsultationen nach Berlin zurück.
ALGORITHMEN: Durch das gezielte Ausspielen von Inhalten auf Basis von Nutzerprofilen – sogenanntes Microtargeting – kann Wahlwerbung oder Desinformation an spezifische Zielgruppen gerichtet werden. Außerdem kann es zu einer Beeinflussung der öffentlichen Meinung kommen, da Algorithmen polarisierende, emotionale Inhalte oft bevorzugt ausspielen. Sogenannte Social Bots verstärken diesen Effekt. Social Bots sind automatisierte Programme, die in sozialen Netzwerken agieren, Kommentare posten und menschliches Verhalten simulieren. Sie erstellen und verbreiten auch eigene Inhalte.
Rund einen Monat vor der Wahl lud Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Betreiber mehrerer Plattformen ein. Dabei ging es unter anderem um die Frage der Algorithmen. Faesers Botschaft: «Die großen Internetplattformen tragen Verantwortung für das, was auf ihren Plattformen geschieht.»