Die Partei hat plötzlich wieder Erfolg, doch hat sie auch alle Hände voll zu tun – mit ihren vielen neuen Mitglieder, mit einer neuen Rolle im Bundestag. Es gibt einiges zu bereden.
Wie weiter, Linke? Parteitag berät in Chemnitz

Nach ihrem überraschenden Erfolg bei der Bundestagswahl setzt die Linke sich neue Ziele. Ein Parteitag in Chemnitz wird ab heute darüber beraten, wie man Wähler langfristig bindet und mit welchen Themen dies gelingt. Zudem muss die Partei die Herausforderung meistern, Zehntausende neuer Mitglieder zu integrieren. Die Bundesvorsitzende Ines Schwerdtner machte bereits im Voraus deutlich: Regieren im Bund ist vorerst nicht das Ziel.
«Es geht uns darum, etwas zu verändern», sagte Schwerdtner dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. «Wir würden nicht unsere Überzeugungen für einen Regierungsposten verkaufen.» Ziel sei zunächst, «unsere eigene Identität als linke Partei aufzubauen». In den nächsten vier Jahren wolle die Linke so stark werden, dass sie wirklich in der Gesellschaft verankert sei und etwas verändern könne. «Wir wollen einen Politikwechsel aus der Gesellschaft heraus», sagte Schwerdtner.
Wie die Linke zurückkam
Die Linke hatte kurz vor der Bundestagswahl stark aufgeholt. Noch im Herbst 2024 lagen ihre Umfragewerte bei nur etwa drei Prozent. Am Wahltag im Februar erreichte sie dann 8,8 Prozent. Zugleich verdoppelte sie binnen weniger Monate ihre Mitgliederzahl und zählt nun nach eigenen Angaben etwa 112.000 Menschen in ihren Reihen. In vier Jahren will sie bei 150.000 sein.
Einige Faktoren trugen zum Erfolg nach einer langen Durststrecke bei. Die ehemalige unzufriedene Fraktionschefin Sahra Wagenknecht trat zurück. Eine neue Parteispitze wurde gewählt: Schwerdtner und ihr Co-Vorsitzender Jan van Aken. Ungewöhnlicherweise arbeiten sie nun eng mit der Fraktionsspitze Heidi Reichinnek und Sören Pellmann zusammen. Gemeinsam führten sie einen Haustürwahlkampf mit dem Schwerpunktthema Wohnen durch. Als CDU-Chef Friedrich Merz im Januar eine gemeinsame Abstimmung mit der AfD in Betracht zog, wuchs die Sorge vor einem Rechtsruck und Tausende Wähler und neue Mitglieder schlossen sich der Linken an.
Wie die Linke darauf aufbauen will
Genau da will die Linke weiter machen und auch bei den anstehenden Kommunal- und Landtagswahlen punkten. «Wir sind die Hoffnung», ist der Titel des Leitantrags des Parteitags in Chemnitz. «Wir als Linke werden in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle einnehmen», heißt es im Entwurf. «Fokus, Fokus, Fokus» auf Themen wie Wohnen, Preise und Steuern für Reiche ist ein Schlagwort, Kampagnenfähigkeit ein anderes. Ziel sei «eine Partei, die praktisch gebraucht wird und konkret hilft».
Daneben ist im Antrag von einem neuen Programm bis 2027 die Rede. «Die Linke versteht sich als moderne sozialistische Partei für die arbeitende Klasse», heißt es. Dazu gehörten, «all jene, die dazu gezwungen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten – also die übergroße Mehrheit in unserer Gesellschaft». Folglich solle die Linke eine «organisierende Klassenpartei» werden.
Das Grundgesetz schreibe auch keine bestimmte Wirtschaftsordnung vor, heißt es im Entwurf. «Freiheitlich-demokratisch bedeutet für uns mehr Miteinander und Füreinander. Um ein neues Zusammenleben zu ermöglichen, braucht es jedoch einen grundsätzlichen Wandel, der die Macht der Milliardäre begrenzt, bricht und schließlich abschafft.» Parteichef van Aken hatte zuletzt klargestellt, dass die Linke bei ihrem traditionellen Ziel bleibe: demokratischer Sozialismus.
Wie die Linke Einfluss gewinnen kann
Für andere Parteien ist dies eher ein Schreckgespenst, daher dürften die Möglichkeiten zur Regierungsbeteiligung im Bund begrenzt sein – selbst wenn die Linke es wollte. Dennoch hofft sie auf Einfluss: Wenn im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, wird sie benötigt. Dies wurde erst diese Woche deutlich. Als CDU-Chef Merz im ersten Wahlgang zur Kanzlerwahl durchfiel, näherte sich die Union erstmals der Linken an, um den zweiten Wahlgang zu beschleunigen.
Nun fordert die Linke ein Ende des sogenannten Unvereinbarkeitsbeschlusses, mit dem die Union eine parlamentarische Zusammenarbeit mit der Linken ausschließt. Schwerdtner sagte dem RND: «Die Regierung wird ja auf uns zugehen müssen. Bei der angestrebten Reform der Schuldenbremse ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Die wird es ohne uns nicht geben.»
Dass da politisch viel zusammenpasst, behauptet allerdings auch die Linke nicht. Den neuen Kanzler Merz geht sie im Leitantrag scharf an: «In Deutschland verkörpert Merz den Wandel vom neoliberalen Transatlantiker zum autoritären Rechtspopulisten. Es ist zu erwarten, dass eine Bundesregierung unter Führung von Merz sich wenig um die Lösung realer Probleme bemühen wird, sondern ebenfalls Schritte zu einer autoritären Ökonomie gehen wird.»