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Zäsur im Bundestag: Wie es im AfD-Drama weitergeht

Die Premiere der AfD als Mehrheitsbeschafferin im Bundestag dürfte Folgen haben, die weit über den Wahltag hinausreichen. Der nächste Akt in dem Drama folgt am Freitag.

Die Union bringt ihren Fünf-Punkte-Plan für eine Verschärfung der Bekämpfung der irregulären Migration durch den Bundestag.
Foto: Michael Kappeler/dpa

Manche behaupten, dass die Brandmauer zur AfD gefallen ist. Andere bestreiten das vehement. Nach der Abstimmung über die Verschärfung der Migrationspolitik im Bundestag kann es jedoch keinen Zweifel geben: Die Union hat ihren Fünf-Punkte-Plan mit Hilfe der AfD durchgesetzt, was nicht nur die verbleibenden vier Wochen im Bundestags-Wahlkampf bestimmen wird. Es wird auch Auswirkungen für die Zeit danach haben, deren Ausmaß noch nicht abzuschätzen ist.

Der 29. Januar 2025 sei «wahrscheinlich ein ganz bedeutender Tag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland» gewesen, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Abend in der ARD-Sendung «Maischberger». Die Union habe einen Konsens aufgekündigt, den es die ganze Nachkriegsgeschichte über unter den Demokraten in Deutschland gegeben habe. «Den Konsens, nämlich, dass es keine Zusammenarbeit der demokratischen Parteien mit der extremen Rechten gibt. Heute ist das passiert.»

Das bestreitet Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz. Zum Thema Zusammenarbeit mit der AfD sagt er: «Da können jetzt AfD-Leute triumphieren, wie sie wollen, die wird es nicht geben.» Er sei aber auch nicht länger bereit, sich «von einer Minderheit davon abbringen zu lassen, Abstimmungen herbeizuführen, die in der Sache richtig sind.» 

Wer hat gewonnen, wer verloren?

Die Union ist auf dem Papier der Gewinner des Tages. Mit knapper Mehrheit hat sie im Bundestag ihren Fünf-Punkte-Plan zur Verschärfung der Bekämpfung der irregulären Migration durchgesetzt, was unter anderem mehr Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen vorsieht. Dies geschah gegen den Willen der Minderheitsregierung von SPD und Grünen. Die AfD spielte dabei erstmals eine Rolle als Mehrheitsbeschafferin. Allerdings hat der Antrag vorerst keine Auswirkungen, da die Regierung nicht daran gebunden ist.

Die eigentliche Siegerin ist daher eine andere: Die AfD. Sie hat die komplette Ausgrenzung durch die anderen Parteien im Bundestag durchbrochen und spricht nun vom Beginn einer «neuen Epoche».

Geht das nun so weiter mit der AfD?

Auf diese Frage gibt es an diesem Freitag eine erste Antwort. Dann geht es nicht nur um einen Antrag mit Appell-Charakter, sondern ein Gesetz mit konkreten Regelungen zur Eindämmung der Migration. Und die Union macht keine Anstalten, davon nach dem Eklat im Bundestag noch abzusehen. Laut Entwurf wollen CDU und CSU etwa «das Wort Begrenzung der Zuwanderung» wieder ins Aufenthaltsgesetz aufnehmen, wie Merz in der ARD sagte. «Wer könnte dagegen sein?» 

Der Vorsitzende der CDU hat SPD und Grünen noch Verhandlungen für eine Zustimmung angeboten, aber das Echo blieb vorerst aus. Die AfD hat bereits erneut Zustimmung signalisiert – genauso wie die FDP und die BSW. Es könnte also erneut eine Mehrheit jenseits der Regierungskoalition und mit der AfD geben. Und diesmal zählt es: Der Beschluss würde konkrete Veränderungen nach sich ziehen – eine neue Dimension.

Was bedeutet das für den weiteren Wahlkampf?

Bislang waren die wichtigsten Themen im Wahlkampf Wege aus der Wirtschaftskrise, Ukraine-Hilfe und Steuerkonzepte. Nun stehen zwei andere Themen im Vordergrund und dominieren alles andere: Wie streng sollte Deutschland sich gegen irreguläre Migration abschotten? Und wie gehen die anderen Parteien mit der AfD um, die vom Verfassungsschutz als teilweise rechtsextremistisch eingestuft wird, aber in den Umfragen auf ein Fünftel der Stimmen kommt.

SPD und Grüne sind in Bezug auf das Thema Migration eher defensiv und sehen hauptsächlich Probleme bei der Umsetzung bestehender Maßnahmen. Die SPD, die in den Umfragen zwischen 14 und 17 Prozent stagniert, versucht nun jedoch, mit Warnungen vor einer schwarz-blauen Koalition zu punkten.

Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz habe «bewusst kalkuliert hingenommen», dass die AfD seinem Antrag zustimmt, obwohl er lange das Gegenteil versichert habe, sagte Scholz in der ARD. «Und deshalb, finde ich, kann ich ihm nicht mehr trauen.» Für ihn gehe es bei der Bundestagswahl nun darum, eine Mehrheit von Union und AfD zu verhindern. 

Was bedeutet das für Regierungsbildung nach der Wahl?

Merz hält dagegen und versichert, dass eine Koalition mit der AfD für ihn nicht infrage komme. Am Tag nach der Wahl seien Stimmen für die AfD für das Ziel eines Politikwechsels deswegen «nichts mehr wert». Aber was bedeutet der Eklat im Bundestag für eine Zusammenarbeit zwischen den sogenannten Parteien der Mitte, also CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP?

Von der Grünen-Fraktionsführung kam trotz heller Empörung keine Absage an Schwarz-Grün. Der Vorsitzende der Grünen Jugend, Jakob Blasel, sagte dagegen dem Spiegel, solange Merz an der Spitze stehe, «dürfen die Grünen keine Koalition mit CDU und CSU eingehen».

dpa