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Einigung beim größten Klimaschutzpaket der EU

Wer fürs Klima schädliche Treibhausgase produziert, muss bezahlen: Das ist die Idee des EU-Emissionshandels. Nun gibt es eine Einigung auf eine bahnbrechende Reform des wichtigsten Klimaschutzprogramms der EU.

Die Flagge der Europäischen Union weht im Wind.
Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Wer in der EU klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) ausstößt, muss künftig häufiger und mehr dafür bezahlen. Unterhändler des EU-Parlaments und der Staaten verständigten sich am frühen Morgen nach schwierigen Verhandlungen auf eine Reform des Emissionshandels – das Herzstück des EU-Klimapakets «Fit for 55».

«Es ist das größte Klimagesetz, das es je in Europa gegeben hat», sagte der EU-Abgeordnete Peter Liese (CDU), der die Verhandlungen für das Parlament führte. Durch den Emissionshandel müssen etwa Stromproduzenten für ihren CO2-Ausstoß bezahlen.

«Aus deutscher Sicht ist die Einigung ein Durchbruch für den Klimaschutz, der gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit unserer europäischen Industrie und die soziale Abfederung notwendiger Klimamaßnahmen sichert», kommentierte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Einigung. Die Beschlüsse seien zentral, um die EU unabhängiger von fossilen Energien zu machen.

Das Ziel

Zum Kampf gegen den Klimawandel hat sich die EU vorgenommen, den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen wie CO2 bis 2030 um 55 Prozent zu verringern im Vergleich zu 1990. Bis 2050 will die Union klimaneutral werden – also nur noch CO2 auszustoßen, das auch wieder gebunden werden kann. Damit wollen die Staaten sich an das Pariser Klimaschutzabkommen halten, dessen Ziel es ist, die Erwärmung des Klimas bei möglichst 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Laut den jüngsten Daten der Statistikbehörde Eurostat von 2020 hat die EU ihre CO2-Emissionen bisher um 33 Prozent gegenüber 1990 verringert – wobei sich in jenem Jahr auch die Folgen der Corona-Pandemie niederschlugen.

Bezahlen für den Treibhausgas-Ausstoß

Der Emissionshandel schafft einen Anreiz dazu, von fossilen Energieträgern wie Gas oder Öl auf erneuerbare Energie umzusteigen und den CO2-Ausstoß weiter zu verringern. Bislang müssen etwa Stromproduzenten und die Industrie Verschmutzungszertifikate vorweisen, um CO2 auszustoßen. Die Zahl der Verschmutzungsrechte im Umlauf soll nun schneller verringert werden als bislang vorgesehen. Dadurch steigt der CO2-Preis und es wird teurer, dem Klima zu schaden.

Auch Verbraucher werden zur Kasse gebeten

Das System soll ab 2027 auf das Heizen von Gebäuden und den Straßenverkehr ausgeweitet werden. Etwa Lieferanten von Gas oder Benzin müssen dann Verschmutzungszertifikate kaufen, wodurch sich voraussichtlich der Benzin- und Gaspreis erhöht. Das soll einen Anreiz schaffen, etwa mit Wärmepumpen CO2-arm zu heizen oder mit elektrischen Autos zu fahren. Allerdings gibt es eine «Notbremse»: Sind die Energiepreise besonders hoch, kann das System um ein Jahr verschoben werden, um etwa Verbraucher nicht zu sehr zu belasten.

Für deutsche Verbraucher dürfte sich hier grundsätzlich wenig ändern, da ein ähnliches Emissionshandelssystem für Gebäude und Verkehr in Deutschland bereits seit 2021 gilt. Offen ist, wie das deutsche System, das teils ehrgeiziger als das EU-weite ist, darin integriert werden soll. Die EU-Unterhändler hatten sich zuvor zudem darauf geeinigt, auch den Luft- und Seeverkehr in den Emissionshandel aufzunehmen.

Weniger Verschmutzungsrechte

Besonders kontrovers wurde darüber verhandelt, wie lange Firmen noch weiter kostenlos CO2 ausstoßen dürfen. Zur Zeit werden noch gratis Zertifikate ausgeteilt, damit europäische Unternehmen keinen Nachteil gegenüber Produzenten in Drittländern haben, wo es keine CO2-Preis gibt. Kostenlose Zertifikate für Firmen sollen nun bis 2034 schrittweise weitgehend auslaufen. Unternehmen, die sich bei der Energiewende nicht anstrengen, müssen kostenlose Zertifikate abgeben.

CO2-Zoll

Wenn die kostenlosen Zertifikate auslaufen, sollen auch stärkere Schutzmechanismen für europäische Unternehmen greifen. So sollen auch Produzenten im Ausland für den Ausstoß von CO2 zahlen, wenn sie ihre Ware in der EU verkaufen wollen – durch einen sogenannten CO2-Grenzausgleich, der ab 2034 vollständig gelten soll. Auf diesen Mechanismus hatten sich Unterhändler bereits Anfang der Woche im Grundsatz geeinigt.

Klimasozialfonds

Höhere Kosten für Verbraucher durch die Energiewende – etwa steigende Heizkosten – sollen durch einen neuen Fonds über 86,7 Milliarden Euro abgefangen werden. Damit sollen Haushalte entlastet und Investitionen, zum Beispiel in effizientere Gebäude oder öffentliche Verkehrsmittel, finanziert werden. Der Fonds soll durch Einnahmen aus dem Emissionshandel und teilweise durch die Mitgliedstaaten gespeist werden.

Wie es weitergeht

Die Einigung muss noch vom EU-Parlament und den Staaten offiziell bestätigt werden – das gilt normalerweise als Formsache. Die Bundesregierung hatte während der Verhandlungen unter anderem beim Auslaufen der kostenlosen Zertifikate für die Industrie Bedenken, wie es von Verhandlungsteilnehmern hieß. Eine Sprecherin der Bundesregierung erklärte der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage, dass die Bundesregierung die Einigung ausdrücklich begrüße. Einige Verhandler hatten Bedenken gehabt, dass Deutschland die Einigung noch im Nachhinein blockieren könnte. Eine Abstimmung soll nicht vor dem Jahreswechsel stattfinden.

dpa