In den letzten 20 Jahren hat sich Precht zu einer der umstrittensten Figuren der deutschen Medienlandschaft entwickelt. Trotz Kritik bleibt er ein populärer Gast in Talkshows und Podcasts.
Richard David Precht: Vom Philosophen zum Medienstar

In den letzten 20 Jahren hat Richard David Precht (60) es geschafft, sich durch Denken, Schreiben und Reden an die Spitze zu arbeiten. Aus dem früheren Journalisten und Buchautor ist inzwischen einer der bekanntesten Stars der deutschen Medienwelt geworden – und eine ihrer kontroversesten Persönlichkeiten. Auch mit 60 Jahren scheint das Bestreben des engagierten Philosophen, seine Botschaften zu verbreiten, unaufhaltsam zu wachsen.
Wer ist Richard David Precht – und wenn ja, wie viele?
Der unermüdliche Welterklärer erzielte seinen großen Durchbruch im Jahr 2007 mit der Veröffentlichung seines Buches „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“, in dem er seinen Lesern eine leicht verständliche Einführung in grundlegende philosophische Fragen bot, ohne dabei den Unterhaltungsaspekt zu vernachlässigen. Angetrieben von einer begeisterten Rezension von Elke Heidenreich (81) in ihrer Literatursendung „Lesen!“, eroberte das populärwissenschaftliche Buch sofort die Spiegel-Bestsellerliste und hielt sich dort beeindruckende 16 Wochen lang auf dem ersten Platz.
Nach diesem großen Erfolg begann Prechts Aufstieg zum Publikumsliebling und Medienstar. Seine Fähigkeit, komplexe Themen verständlich zu erklären und das verwirrende Weltgeschehen gekonnt einzuordnen, machte den charmanten Philosophie-Doktor schnell zu einem gefragten Gast in allen deutschen Talkshows. Auch weitere populärwissenschaftliche Bücher wie „Liebe: Ein unordentliches Gefühl“ oder „Die Kunst, kein Egoist zu sein“ erreichten mühelos die Bestsellerliste.
„Precht“ eliminiert „Das Philosophische Quartet“
Um neuen Schwung in ihren Bildungsbereich zu bringen, machte das ZDF im Jahr 2012 den redegewandten Talkshow-Stammgast mit einer eigenen Sendung selbst zum Moderator. Der neue Star am Philosophie-Himmel verdrängte mit seinem Format „Precht“ den bisherigen Philosophen-König Peter Sloterdijk (77) und dessen zusammen mit Rüdiger Safranski (79) moderiertes „Philosophisches Quartett“ aus dem Programm, was damals nicht nur auf Zustimmung stieß.
Nach seinem Sturz vom Fernsehphilosophen-Thron gab der merklich angefressene Sloterdijk der „Zeit“ folgendes giftiges Statement zu Protokoll: „Precht ist vom Handwerk her Journalist und als solcher Popularisator von Beruf. Ob er wirklich, wie das ZDF annimmt, zu einer Verjüngung des Publikums beitragen wird, bezweifle ich allerdings. Seine Klientel gleicht eher der von André Rieu, den hören auch vor allem Damen über fünfzig in spätidealistischer Stimmung.“
„Redegewandter Dressman“ mit Mainstream-Kompabilität
Auch die österreichische Philosophin und Publizistin Isolde Charim (65) erkannte in dem Wechsel von Sloterdijk zu Precht im Bereich der TV-Philosophie eher eine Verfallsgeschichte als einen Aufklärungsfortschritt. In einem Kommentar in der „taz“ bezeichnete sie ihn als „redegewandten Dressman“, der mit seiner Mainstream-Kompatibilität „alle Forderungen einer medialisierten Warenwelt“ übererfülle, lobte jedoch auch sein pädagogisches und volksbildnerisches Programm, bei dem Verständlichkeit stets an erster Stelle komme. Was ja grundsätzlich nichts Verwerfliches sei.
Richard David Prechts Aufstieg zum dauerpräsenten Medienstar und Welterklärer brachte ihm neben großer Anerkennung auch immer wieder beißenden Spott ein, nicht zuletzt von seinen eigenen TV-Kollegen. „Als hätten Platon, Karl May und Sascha Hehn ein Kind gezeugt“, lästerte etwa Komiker Oliver Kalkofe (59) in einer bitterbösen „Laudatio für das Genie Richard David Precht“ im ARD-Satiremagazin „extra 3“.
Die Comedystar Carolin Kebekus (44) nahm den attraktiven Schöngeist mit einem selbst komponierten Rap-Song auseinander, in dem unter anderem gesagt wird: „Wer ist da und flext, wenn du durch die Glotze zappst? / Wer ist der number one talkshow guest? Yes / Richard David Precht / Wer ist King of Stress? Wär gern Deutschlands Sokrates? / Denkt er hat immer Recht? Nein! / Richard David Precht“.
Böhmermann parodiert „Lanz & Precht“
Nachdem Precht sein Philosophie-Imperium im Jahr 2021 durch den gemeinsamen Podcast mit Talk-Ikone Markus Lanz, „Lanz & Precht“, erweitert hatte, nahm sich 2023 auch der bekannte Satiriker Jan Böhmermann den langhaarigen Power-Talker in einer scharfen Podcast-Parodie vor. Diese stellte ihn als jemanden dar, der nur Halbwissen verbreitet, während Lanz als grotesk uninformierter Moderator dargestellt wurde.
Vorangegangen war ein Eklat, für den Precht im Oktober 2023 mit einer Aussage bei „Lanz & Precht“ gesorgt hatte. Darin hatte er fälschlicherweise behauptet, dass orthodoxen Juden ihre Religion grundsätzlich das Arbeiten verbiete – „Ein paar Sachen, wie Diamanthandel und ein paar Finanzgeschäfte ausgenommen.“ Nach einem gewaltigen Shitstorm und massiven Antisemitismus-Vorwürfen musste sich der Philosoph in einer vorgezogenen weiteren Podcast-Folge zerknirscht für seine „salopp dahergesagten“ Behauptungen zu den beruflichen Einschränkungen orthodoxer Juden entschuldigen, mit denen er den tatsächlichen Sachverhalt „falsch und schief dargestellt“ habe. Antisemitismus liege ihm jedoch „so fern wie kaum irgendetwas anderes“.
Nur einige Wochen danach legte der umstrittene Denker aufgrund heftiger Proteste seine Honorarprofessur an der Leuphana-Universität Lüneburg nieder. An der Berliner Hochschule für Musik Hanns Eisler bleibt er jedoch weiterhin als Honorarprofessor für Philosophie und Ästhetik ohne mediale Aufmerksamkeit im wissenschaftlichen Bereich tätig.
Precht bleibt zuversichtlich
Der Eklat hat dem „Lanz & Precht“-Podcast hingegen keinen spürbaren Schaden zugefügt. Vor kurzem wurde das wöchentliche Powertalk-Format von Apple Music zum erfolgreichsten Podcast des Jahres 2024 gekürt. Die letzte Episode, die am 6. Dezember vor Prechts 60. Geburtstag veröffentlicht wurde, befasste sich mit dem wenig erfreulichen Thema „Deutschland einig Jammerland – Wo bleibt die Zuversicht?“.
In dem Gespräch waren sich die beiden Diskussionspartner darüber einig, dass der derzeitig allgegenwärtige Pessimismus unser Land nicht weiterbringe und mehr Zuversicht angesagt sei. Immerhin weise schon der große Philosoph Immanuel Kant (1724-1804), so ließ Precht die Hörer wissen, in seinen Schriften ausdrücklich auf eine „innere Verpflichtung zur Hoffnung“ hin.