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Mehr als nur Pickel: Experte klärt zu Akne inversa auf

Akne inversa ist mehr als nur Pickel. Hautarzt Dr. Florian Schenck klärt im Interview über die Diagnose der schmerzhaften Hauterkrankung und den Leidensweg Betroffener auf.

Akne inversa kann unter anderem in der Achselhöhle auftreten.
Foto: LightField Studios/Shutterstock.com

Pickel, Pusteln, Narben: Akne ist die häufigste Hauterkrankung weltweit, im Schnitt sind etwa 70 bis 95 Prozent aller Jugendlichen betroffen. Aber Akne ist nicht gleich Akne. Abseits der bekannteren Formen der Hautkrankheit, wie etwa der Akne vulgaris, gibt es eine weniger bekannte, aber umso belastendere Variante: die Akne inversa, auch Hidradenitis suppurativa (HS) genannt.

Dabei handelt es sich um eine chronisch-entzündliche systemische Hauterkrankung, die sich mit schmerzhaften Abszessen und Entzündungen bemerkbar macht. Die Krankheit geht von den Haarwurzeln insbesondere in den Faltenarealen aus. “Invers” kommt aus dem Lateinischen und bedeutet “umgekehrt” – denn diese Akneform tritt meist nicht an den typischen Stellen im Gesicht, sondern an unüblichen Körperstellen in den Achselhöhlen, der Leistengegend oder im Intimbereich auf. Diese Entzündungen sind nicht nur schmerzhaft, sondern beeinträchtigen auch das psychische Wohlbefinden der Betroffenen stark. Akne-inversa-Spezialist Dr. Florian Schenck klärt im Interview über die Erkrankung und Behandlungsmethoden auf.

Besteht Verwechslungsgefahr der Akne inversa mit anderen Krankheiten? Wenn ja, mit welchen? 

Dr. Schenck: Viele Patienten glauben am Anfang, dass es Pflegefehler sind wie mangelnde Intimhygiene. Oder dass es möglicherweise mit dem heute sehr verbreiteten Rasurstandard zusammenhängt und es dadurch zu Haarwurzelentzündungen kommt. Das bekommen die Patienten oft auch von ihren primär behandelnden Ärzten zurückgespiegelt, sodass sie annehmen, ihre Symptome seien selbstverschuldet und ließen sich mit einem veränderten Verhalten problemlos in den Griff kriegen.

Was geben Sie Menschen mit auf den Weg, die die Diagnose Akne inversa erhalten haben?

Dr. Schenck: In der Erstdiagnose ist es uns am wichtigsten, den Patienten zu sagen: “Sie sind nicht schuld!” Wir möchten verdeutlichen, dass es sich um eine Erkrankung mit genetischem Hintergrund handelt und es Schicksal ist, wenn es einen betrifft. Beeinflussbare Co-Faktoren sind zum Beispiel Nikotinkonsum, Gewicht, Rasurverhalten und Auswahl geeigneter Kleidung.

Ein offener Umgang hilft den Patienten am meisten. Wir vermitteln ihnen anhand weniger Fragen, dass wir verstehen, wie Akne inversa im Alltag ihre Lebensqualität beeinflusst. Das hilft den Betroffenen weiter.

Wie geht es nach der Diagnose weiter?

Dr. Schenck: Die Therapieoptionen der Akne inversa sind abhängig vom Stadium. In frühen Stadien empfehlen wir neben desinfizierenden Maßnahmen zum Beispiel häufig eine dauerhafte Haarentfernung, die zu einer deutlichen Krankheitsreduktion führt, da die Akne inversa am Anfang ja eine Erkrankung der Haarwurzeln ist.

In frühen Stadien versuchen wir, von außen zu behandeln: desinfizierend oder gegebenenfalls antibiotisch. Wobei anfangs gar keine Bakterien involviert sind. Erst in den späteren Stadien, wenn sich die Haarwurzeln aufblähen und Fistelgänge entstehen, kommt es zu bakteriellen Besiedlungen. Dann kommen auch längere Antibiotikatherapien über einen Zeitraum von zehn bis zwölf Wochen in Betracht.

Außerdem gibt es noch folgende Möglichkeiten zur Behandlung der Akne inversa: Biologika, physikalische Therapie und chirurgische Behandlung durch Operationen.

Welche Auswirkungen kann die Akne inversa auf die Lebensqualität von Betroffenen haben? 

Dr. Schenck: Es scheint keine andere Hautkrankheit zu geben, die einen vergleichbar hohen Impact auf die Lebensqualität hat wie Akne inversa. Das liegt sicherlich am Alter der Patienten. Akne inversa beginnt oft mit der Pubertät und den einsetzenden Hormonen und manifestiert sich meist bis zum 25. Lebensjahr. Die Patienten sind mitten in der beruflichen Findungsphase und im Privatleben auf Partnersuche. Sie sind häufig eingeschränkt bei der Berufswahl und können die Ausbildung oder das Studium krankheitsbedingt nicht oder nicht befriedigend beenden.

Die Patienten sind in einem Teufelskreis gefangen. Die Symptome wie Schmerzen, Geruchsbildung und Flüssigkeitsabsonderungen können zu sozialer Isolation führen.

Inwiefern kann die Akne inversa die Beziehung von Betroffenen beeinträchtigen?

Dr. Schenck: Es gibt massive Beeinträchtigungen. In einer festen Partnerschaft gibt es durch die Erkrankung immer wieder Einschränkungen und Phasen ohne Intimkontakt, mit denen das Paar meist umgehen kann. Aber ohne feste Partnerschaft fällt es Patienten oft schwer, Intimität zuzulassen. Viele Patienten stellen die Partnersuche aufgrund der Instabilität der Erkrankung ein, auch wenn sie eigentlich gern eine Beziehung hätten, da sie psychisch schlecht mit einer möglichen Ablehnung leben können.

Wie stellt sich die Stigmatisierung aufgrund der Krankheit dar? Gibt es Unterschiede im Vergleich zur Stigmatisierung anderer Hautkrankheiten, deren Symptome vielleicht im Alltag sichtbarer sind als die der Akne inversa?

Dr. Schenck: Viele Menschen können nicht erfassen, worum es bei Akne inversa geht, und denken bei Akne gleich an den Gesichtsbereich. Daher sagt der internationale Sprachgebrauch ja auch nicht Akne inversa, weil das vermeintlich zu verharmlosend klingt. Wobei auch mit der international gebräuchlichen Bezeichnung Hidradenitis suppurativa keiner etwas anfangen kann.

Die Akne inversa ist in der Bevölkerung unbekannt und wird nicht wahrgenommen. Patienten erleben zum Beispiel im Beruf Stigmatisierung, wenn sie alle vier Wochen fehlen und der Kollege sich wundert und auch auf Nachfrage zum Grund des Ausfalls mit dem Namen der Erkrankung nichts anfangen kann.

Auch Geruchsbildung und Sekretion, die mit der Erkrankung einhergehen, können zu einer Stigmatisierung führen. Das sind für die Patienten schwere Einschränkungen, da sie zum Beispiel keine Flecken auf ihrem Bürostuhl hinterlassen möchten. Daher tragen viele Patienten Einlagen oder Windeln. Das sind Menschen im jugendlichen oder jungen Erwachsenenalter, die sich extrem viele Gedanken machen müssen, bevor sie das Haus verlassen. Die Situation ist ähnlich wie bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, die Durchfall haben und ihren Stuhl nicht halten können.

Die Angst davor, aufzufallen und stigmatisiert zu werden, fängt schon bei der Kleidungswahl an: Patienten mit einer aktiven Erkrankung würden niemals helle Kleidung tragen, da man Flecken sehen könnte. Typischerweise tragen schwerer betroffene Patienten dunkle Kleidung.

Was würden Sie Menschen mit Akne inversa raten, die eine Familie gründen möchten?

Dr. Schenck: Die Schwangerschaft stellt ein Risiko für vermehrte Entzündungsaktivität dar, wobei es auch Patientinnen gibt, bei denen die Akne inversa in der Schwangerschaft durch hormonelle Veränderungen erstaunlich ruhig gewesen ist.

Wenn bei Patientinnen ein Kinderwunsch besteht, stellen wir das in den Vordergrund und schauen, wie wir die momentane Therapie anpassen können. Hier gilt vor allem, die Schwangerschaft nicht durch bestimmte Medikamente zu gefährden, die sich negativ auf das ungeborene Kind auswirken können.

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