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Dating macht krank: Immer mehr Singles leiden unter Online-Dating-Burnout

Ghosting, Frust, ständiges Swipen – statt Schmetterlinge im Bauch erleben viele Singles heute nur noch Stress. Studien zeigen: Millionen Deutsche sind betroffen vom sogenannten Online-Dating-Burnout. Experten schlagen Alarm und erklären, wie man sich schützen kann.

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Symbolbild: Online-Dating-Burnout – erschöpfte Person mit Smartphone
Symbolbild: Online-Dating-Burnout – erschöpfte Person mit Smartphone
Foto: Newsflash24 (KI)

Sie wischen, hoffen, schreiben – und verzweifeln: Die moderne Partnersuche via Smartphone lässt viele Singles emotional ausbrennen. Immer mehr Menschen in Deutschland berichten von Erschöpfung, Frustration und Selbstzweifeln durch die Nutzung von Dating-Apps. Die Diagnose: Online-Dating-Burnout.

Was ursprünglich die Suche nach Liebe vereinfachen sollte, wird zunehmend zur psychischen Belastung. Statt Herzklopfen herrscht innere Leere – das zeigen neue Studien und Erfahrungsberichte deutlich.

Der Begriff Online-Dating-Burnout beschreibt einen Zustand emotionaler Überforderung, der durch die intensive Nutzung von Online-Dating-Apps entsteht. Betroffene fühlen sich ausgelaugt, verlieren das Vertrauen in andere Menschen und erleben eine zunehmende Entfremdung von sich selbst. Ghosting, oberflächliche Chats und enttäuschende Dates sind typische Auslöser.

Online-Dating-Burnout äußert sich durch Symptome wie Antriebslosigkeit, Gereiztheit, Schlafprobleme, sozialen Rückzug und einen Verlust des Glaubens an Beziehungen.

Eine Studie der Hochschule Fresenius ergab, dass bis zu 14 Prozent aller App-Nutzer:innen burnoutähnliche Symptome entwickeln. Bei rund 27 Millionen Singles in Deutschland sind das über drei Millionen Menschen, die psychisch unter dem digitalen Dating leiden.

Weitere Zahlen einer Forsa-Umfrage im Auftrag der KKH-Krankenkasse belegen: 59 Prozent empfinden Online-Dating als frustrierend, 37 Prozent berichten von gedrückter Stimmung, 30 Prozent fühlen sich gestresst und 19 Prozent erleben Scham oder Selbstzweifel. Besonders betroffen sind Menschen, die ernste Absichten haben – vor allem ab Mitte 30. Sie wünschen sich Verbindlichkeit, erleben aber in Dating-Apps vor allem Oberflächlichkeit und Unverbindlichkeit.

Experten nennen mehrere Ursachen für den Online-Dating-Burnout. Eine große Rolle spielt das Überangebot an potenziellen Partner:innen. Die scheinbar unendliche Auswahl führt zu Entscheidungsstress – dem sogenannten Paradox of Choice. Hinzu kommt ein ständiges Auf und Ab der Gefühle: neue Matches sorgen kurzzeitig für Euphorie, gefolgt von Frust über enttäuschende Gespräche oder Ghosting.

Viele Nutzer:innen erleben zudem eine schleichende Abwertung ihrer selbst. Wer ständig ohne Erklärung ignoriert wird, zweifelt irgendwann an der eigenen Attraktivität oder Persönlichkeit. Einige entwickeln sogar ein süchtiges Nutzungsverhalten: Der kleine Dopamin-Kick bei jedem Match erinnert an Mechanismen aus der Glücksspielpsychologie.

Doch es gibt Wege, um sich vor einem Online-Dating-Burnout zu schützen. Psycholog:innen empfehlen vor allem bewusste Auszeiten von den Apps. Wer merkt, dass das Swipen nur noch Stress verursacht, sollte die App löschen oder sich Zeitlimits setzen. Auch hilft es, die eigenen Erwartungen zu überdenken: Nicht jedes Match muss zur großen Liebe führen. Ein entspannter, realistischer Zugang schützt vor Enttäuschungen.

Viele Singles entdecken zudem wieder den Wert analoger Begegnungen. Ob Stammtisch, Sportgruppe oder Sprachkurs – reale Erlebnisse bieten oft mehr Tiefe als Chats im Messenger. Besonders Menschen über 50 fühlen sich offline wohler als im hektischen App-Dschungel.

Ein Frankfurter Gründerteam arbeitet deshalb an einer neuen Dating-App speziell für die Generation 55+. Statt Profilbildern und Filterfunktionen stehen hier echte Treffen im Vordergrund – bei Spaziergängen, Museumsbesuchen oder gemeinsamen Kochabenden. Die App soll eine Antwort auf die zunehmende Entfremdung durch digitale Datingformate bieten.

Online-Dating ist nicht grundsätzlich schlecht – doch wer merkt, dass es ihn emotional überfordert, sollte handeln. Denn die Suche nach Liebe darf nicht zur Belastung werden. Ein bewusster Umgang mit digitalen Tools, realistische Erwartungen und der Mut, auch offline neue Wege zu gehen, können helfen, wieder Vertrauen in das eigene Liebesleben zu gewinnen.

Online-Dating-Burnout ist ein ernstes, wachsendes Phänomen. Doch wer rechtzeitig gegensteuert, schützt nicht nur sein Herz, sondern auch seine psychische Gesundheit. Denn wahre Nähe beginnt nicht beim Swipen – sondern im echten Leben.

Ricardo Bohn