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Alle feiern Popp nach Finaleinzug: «Ein Biest da vorne»

Euphorisiert gehen die DFB-Frauen aus dem EM-Halbfinale heraus. Das Endspiel gegen England, prophezeit Torhüterin Frohms, «wird nochmal alle Dimensionen sprengen». Erstmal musste das Team umziehen.

Überzeugt auf ganzer Linie: Alexandra Popp (M) erzielte schon sechs Tore.
Foto: Nick Potts/PA Wire/dpa

Mit der Power von Kapitänin Alexandra Popp wollen die deutschen Fußballerinnen bei der EM nun auch Wembley und noch mehr Sympathien in der Heimat erobern.

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg erwartet «ein großartiges Finale» gegen Gastgeber England am Sonntag vor rund 90.000 Zuschauern. Dafür hat sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz angesagt. Die Halbfinal-Show der DFB-Frauen mit der zweifachen Torschützin Popp riss zudem die TV-Zuschauer in Deutschland mit. Die Heldin des Abends von Milton Keynes war nur noch «unfassbar glücklich» und «unglaublich stolz».

Deutschland überzeugt mit Teamspirit

Als die 31-Jährige Wolfsburgerin nach dem 2:1 gegen Frankreich am Spielfeldrand den kleinen blauen Pokal als «Beste Spielerin» erhielt – da stürmten ihre Mitspielerinnen noch einmal johlend auf ihre Anführerin zu. Dass Popp nach einer schweren Knieverletzung im vergangenen Jahr, einem weiteren Eingriff im Januar und einer Corona-Quarantäne in der EM-Vorbereitung in Herzogenaurach nun so ein Turnier spielt – damit hatte wohl niemand gerechnet.

«Wie wir gerade auf dem Platz zusammenstehen, das macht mich unglaublich stolz, dass wir das als Mannschaft so geschafft haben», sagte Popp ergriffen nach dem Spiel. «Ich bin schon seit zehn Jahren bei der Frauen-Nationalmannschaft dabei – und so einen Teamspirit, so ein Teamgefüge habe ich ganz ehrlich noch nie erlebt.»

Die Olympiasiegerin von 2016, die die beiden vergangenen EM-Turniere wegen Verletzungen verpasst hatte, kämpft nun sogar mit Englands Beth Mead (ebenfalls sechs Treffer) um die Auszeichnung als Torschützenkönigin. «Ich profitiere extrem von den Mädels. Das erste Ziel ist ganz klar, den Europameistertitel zu holen», sagte sie.

Rekord-Einschaltquoten und Scholz vor Ort

Popps fünftes und sechstes Tor im fünften EM-Spiel und den Finaleinzug des Rekord-Europameisters sahen fast die Hälfte aller Fernsehzuschauer am Mittwochabend im ZDF. Durchschnittlich 12,187 Millionen Zuschauer und ein Marktanteil von 47,2 Prozent bedeutet eine Rekord-Einschaltquote für dieses Turnier.

Auch der Bundeskanzler beglückwünschte die DFB-Frauen und hofft, am Sonntag (18.00 Uhr MESZ/ARD und DAZN) den Titelgewinn live im Stadion erleben zu können. «Das war eine großartige Leistung», schrieb der SPD-Politiker auf Twitter. «Ich freue mich darauf, nach London zu fahren und das deutsche Team im Traumfinale gegen die Gastgeberinnen aus England im Wembley-Stadion zu unterstützen.»

Mittelfeldspielerin Oberdorf überragend

Während Popp vorne traf, räumte hinter ihr im defensiven Mittelfeld mal wieder Lena Oberdorf resolut auf. Die 20-Jährige vom VfL Wolfsburg überzeugte auch bei TV-Interviews auf Englisch. «Ich bin nur stolz auf sie», sagte sie da über ihre Spielführerin und lobte auch die gesamte Auswahl, die noch im April in der WM-Qualifikation eine 2:3-Niederlage in Serbien einstecken musste und damals große Zweifel an der EM-Mission ausgelöst hatte: «Wenn ich Fan wäre, würde ich uns bei diesem Turnier nicht wieder erkennen.»

Popp habe das zweite Tor «überragend geköpft», sagte Oberdorf und ergänzte lächelnd: «Einfach ein Biest da vorne drin.» Die Stürmerin schaffte es mit dem zweifachen Weltmeister nicht nur ins EM-Finale, sondern am Donnerstag auch ganz groß auf den Titel des Fachmagazins «Kicker» – eigentlich eine Männerdomäne.

Trainerin voll des Lobes

Voss-Tecklenburg wusste gar nicht, wo sie aufhören sollte beim Loben, auch wenn sie nach dem Abpfiff zuerst zu Torhüterin Merle Frohms rannte, die nach der Pause mehrfach den Ausgleich durch die Französinnen verhindert hatte.

«Ich würde neben Merle und Obi und Poppi am liebsten alle herausheben», sagte die 54-Jährige und holte tief Luft für eine lange Aufzählung: «Was Jule Brand gespielt hat, was Giuli Gwinn gespielt hat, was Feli Rauch gespielt hat. Was Marina (Hegering) zusammen mit Kathy (Hendrich) heute geleistet hat. Was Sara (Däbritz) und Lina (Magull) immer wieder probiert haben nach vorne. Was Svenni (Svenja Huth) gelaufen ist. Und dann die, die rein kamen…»

Für Frohms ist im EM-Finale «alles möglich». Die Kulisse konnte sich die künftige Wolfsburgerin (zuletzt Eintracht Frankfurt) nur grob ausmalen: «Ich glaube, das wird nochmal alle Dimensionen sprengen, was da auf uns wartet.»

Umzug in ein Luxus-Domizil

Die DFB-Delegation verließ am Donnerstag nach fast vier Wochen das Teamquartier in Brentford und zog mit einem Bus und einem Riesen-Transporter nach Watford nordwestlich von London. Das Nobel-Hotel wurde der Mannschaft von der Europäischen Fußball-Union UEFA zugewiesen. «Den Sinn kennen wir nicht», sagte Joti Chatzialexiou, Leiter Nationalmannschaften beim Deutschen Fußball-Bund, nach der einstündigen Anreise mit einem Lächeln: «Wir haben gesagt, wir nehmen es, wie’s kommt. Es ist vielleicht nochmal ein Tapetenwechsel.»

Spätestens bei der Ankunft in dem herrschaftlichen Anwesen hatten dann auch die Letzten im Team realisiert, dass das Turnier noch nicht vorbei ist. «Das kam irgendwie im Laufe des Tages, dass wir heute nicht nach Hause fahren», berichtete Frohms lächelnd. «Das hätte auch nicht gepasst und es wäre auch niemand bereit gewesen. Ich glaube, wir wäre einfach hier geblieben und hätten Sitzstreik gemacht.»

dpa