Ein spätes Tor und ein Elfmeter sicherten Englands Finaleinzug. Die Britinnen setzen auf die junge Stürmerin Michelle Agyemang.
England siegt im Fußball-Krimi von Genf gegen Italien und zieht ins EM-Finale ein
Kaum war der Fußball-Krimi von Genf geschrieben, packte Esme Morgan den britischen Humor aus. «Diese Drama-Spiele machen natürlich am meisten Spaß – und wir unterhalten einfach gerne», sagte Englands Innenverteidigerin im ZDF über den in doppelter Hinsicht späten 2:1-Sieg nach Verlängerung im EM-Halbfinale gegen Italien.
Ein Tor spät in der Nachspielzeit und ein weiteres kurz vor dem Ende der Verlängerung brachten Morgans Team den Einzug ins Finale – und somit die Möglichkeit, am Sonntag in Basel den Titel zu verteidigen. Die Heldin des Abends war Michelle Agyemang, die in der sechsten Minute der Nachspielzeit das 1:1 erzielt hatte. Die 19-Jährige ist erst seit April im Nationalteam.
Die Italienerinnen beweinten das bittere Aus und ärgerten sich insbesondere über den späten Elfmeter. «Sie haben sich gegenseitig festgehalten. War es ein Elfmeter? Ich weiß es nicht», sagte Trainer Andrea Soncin. Und Star-Spielerin Cristiana Girelli stellte unter Tränen fest: «Leider sollte es nicht sein. Fußball gibt, Fußball nimmt.»
«Dann ist Michelle wieder aufgetaucht»
«Ich hatte das Gefühl, dass wir in der zweiten Halbzeit an die Tür gehämmert haben und es einfach nicht klappen wollte. Aber dann ist Michelle wieder aufgetaucht und hat uns den Tag gerettet», sagte Morgan über die eingewechselte Stürmerin. «Sie ist einfach eine unglaublich intelligente Spielerin, die weiß, wo sie sich den Raum nehmen muss.»
Siegtorschützin Chloe Kelly, die in der 119. Minute ihren Elfmeter im Nachschuss zum Sieg verwandelte, hob ebenfalls Agyemang hervor: «Michelle hat auf dem Spielfeld etwas bewegt, als sie kam. Sie hat uns viel Selbstvertrauen gegeben.» Und Trainerin Sarina Wiegman fand: «Sie hat etwas Besonderes. Sie ist erst 19, aber sehr reif, sie hält den Ball wirklich gut, wenn sie so weitermacht, hat sie eine sehr große Zukunft.»
Wiegman schnürt Final-Fünferpack
Bereits am Sonntag könnte die Offensivspielerin von Arsenal, die bisher vier Länderspiele und drei Tore aufweist, ihren ersten großen Titel mit den Lionesses feiern. Es wäre der zweite EM-Triumph in Folge für England und sogar der dritte für die schier unersättliche Wiegman.
Im Jahr 2017 gewann die Niederländerin mit ihrem Heimatland den EM-Pokal, 2022 mit England. Wenn man die beiden verlorenen WM-Endspiele 2019 (mit den Niederländerinnen) und 2023 (mit England) hinzuzählt, kann sich die 55-Jährige auf das fünfte Endspiel bei WM oder EM in Folge freuen.
«Ich habe viele Emotionen, bin erleichtert, glücklich, es fühlt sich surreal an, wieder im Finale zu stehen», sagte Wiegman und bekannte: «Ich dachte in der 88. Minute, wir müssen jetzt ein Tor schießen, sonst haben wir ein Problem.» Das löste dann Agyemang für die insgesamt recht einfallslosen Engländerinnen.
«Man wird uns nicht los»
Die technischen und taktischen Schwächen des Titelanwärters wurden erneut durch Kampfkraft und Moral überdeckt. Ähnlich wie beim Elfmeterdrama im Viertelfinale gegen Schweden: England war nach einem 0:2 Rückstand zurückgekommen – auch dank Superjoker Agyemang – und hatte trotz vier Fehlschüssen vom Punkt noch gewonnen.
Weit unter ihren Möglichkeiten blieb erneut Chelseas Topstar Lauren James. Zur Pause musste sie Beth Mead weichen, die beim Ausgleich entscheidend Italiens Torhüterin Laura Giuliani irritierte und in der Verlängerung den Elfmeter herausholte. «Wir waren schon so oft kurz davor, auszuscheiden, aber man wird uns nicht los», resümierte Stürmerin Lauren Hemp.