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Bayerisches Selbstverständnis: «Heute nichts verloren»

Lieber jetzt als im Frühjahr? Die Serie von 18 Spielen ohne Niederlage endet für den FC Bayern in London. Statt über Manuel Neuers Fehler zu sprechen, schauen die Münchner aufs große Ganze.

So enden Serien: Der FC Bayern verlor nach 18 Spielen ohne Niederlage verdient beim FC Arsenal.
Foto: Sven Hoppe/dpa

Er hätte sich über den kleineren und den größeren Fehler von Manuel Neuer aufregen können, über das Ende einer Serie, oder generell über diese erste Saisonniederlage. Aber nein, der Vorstandschef des FC Bayern, Jan-Christian Dreesen, griff nach dem 1:3 in der Champions League beim FC Arsenal während der knapp sechs Kilometer langen Fahrt vom Stadion zum Mitternachtsbankett erst einmal zum Smartphone.

Er habe wegen nur dunkler Erinnerungen «ein bisschen gegoogelt», sagte Dreesen, weil er sich gefragt habe: «Wann haben wir eigentlich das letzte Mal verloren?» Und das sagte einiges aus über das Selbstverständnis beim deutschen Fußball-Rekordmeister. Dieses schien nach 18 Spielen ohne Niederlage an diesem regnerischen Abend in London – wenn überhaupt – nur einen winzigen Riss zu bekommen zu haben.

Die Bayern hatten zwar verdient verloren. Das gestand Dreesen ebenso ein wie unter anderem Trainer Vincent Kompany und Torwart Neuer, der das dritte Gegentor knapp eine Viertelstunde vor Schluss mit einem misslungenen Rettungsausflug Richtung Mittellinie mitverschuldet hatte. Aber eine Niederlage im November ist eben leichter zu verkraften als eine in einem bedeutenden Spiel in der K.-o.-Runde im Frühjahr, da teilen die Bayern das Gefühl aller europäischen Topclubs.

Die «Lektion» für den FC Bayern

«Die Champions League wird nicht jetzt entschieden, wir haben heute nichts verloren», sagte Kompany. Er habe das Gefühl, sein Team habe «Hunger» auf das nächste Spiel. «Wenn wir im März, April die Schritte gemacht haben, die wir noch machen wollen, dann hat dieses Spiel auch seine Rolle gespielt für uns», sagte der Belgier, der Arsenal gratulierte.

In einer weiterhin offenen ersten Halbzeit hatte Youngster Lennart Karl in der 32. Minute den Ausgleich für die Londoner durch Jurriën Timber (22.) erzielt. Nach der Pause konnten die Bayern jedoch keine bedeutenden Chancen mehr herausspielen – die Gastgeber feierten nach den Toren von Noni Madueke (69.) und Gabriel Martinelli (76.) ihren fünften Sieg im fünften Champions-League-Spiel.

«Die Gunners erteilen den formstarken Deutschen eine Lektion», schrieb die «Daily Mail». Anders als bei den Siegen bei Paris Saint-Germain (2:1) und gegen den FC Chelsea (3:1) schafften es die Münchner nicht, ihre Spielweise durchzusetzen. Die Arsenal-Profis hätten genau das getan, was sie tun mussten, sagte der frühere Londoner Weltklassestürmer Thierry Henry bei CBS Sports.

Niederlagen zu akzeptieren, fällt schwer

«In der zweiten Halbzeit waren wir die schlechtere Mannschaft», räumte Dreesen ein. Dessen Recherche ergab, dass die letzte Niederlage zuvor 144 Tage her war – im Sommer bei der Club-WM unterlagen die Münchner dem späteren Turniergewinner FC Chelsea. Durch die 17 Siege in den 18 Spielen bis zum Mittwochabend hätten sich alle «an das Gewinnen gewöhnt», sagte Dreesen. Da falle es dann «natürlich schwer», eine Niederlage zu akzeptieren.

Bevor er das Buffet eröffnete, lobte der Vorstandschef sein Team aber noch einmal ausdrücklich in höhere Sphären. «Wir haben eine wunderbare Reise mit euch erlebt, wir haben uns berauscht an eurem Spiel», sagte Dreesen. «Ihr seid eine fantastische Mannschaft, ihr spielt hervorragenden Fußball, begeisternden Fußball.»

Neuers Erklärung: «Großes Risiko» eingegangen

Die Fehler von Neuer – der Torwart hatte auch beim ersten Gegentor unglücklich agiert – wurden von den Verantwortlichen nur am Rande erwähnt, wenn überhaupt. Das lag möglicherweise auch daran, dass das dritte Gegentor beim Spielstand von 1:2 zwar entscheidend war, die Bayern jedoch auch zuvor weit, weit entfernt von einem möglichen Ausgleich waren.

Auch ohne den Versuch, den Ball weit vor seinem Tor zu klären, wäre Arsenal zu einer Großchance gekommen, meinte Neuer. Torschütze Martinelli wäre dann ins Laufduell mit Joshua Kimmich gekommen. «Ich sag‘ mal, dass er schneller ist als Jo», äußerte Neuer, der deshalb eine Eins-Gegen-Eins-Situation auf sich zukommen sah. «Das war mir schon klar, ich habe versucht, das vorher zu beseitigen.» Er komme am Ende einfach nicht rechtzeitig an den Ball, «wobei ich wusste, dass ich großes Risiko gegangen bin».

Beim ersten Gegentor nach einer Ecke war Neuer ebenfalls nicht rechtzeitig an den Ball gekommen, den Timber an den Händen des Keepers vorbei ins Tor köpfte. Neuer war unmittelbar zuvor aber von dem Niederländer angerempelt worden. «Er bringt mich natürlich aus der Balance, das ist klar, und dann habe ich eine andere Position, als ich gerne gehabt hätte und komme vorne nicht mehr so hin.» Er sei jedoch kein Torwart, «der sich hinschmeißt».

dpa