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Münchner Mentalitätsfragen nach K.o.-Triple

Keine zwei Wochen ist Thomas Tuchel im Amt – und schon muss er das erste Titel-Aus beim FC Bayern moderieren. Führungsspieler Kimmich spricht Klartext. Er sieht dieselben Mankos wie eine Club-Legende.

Bayerns Thomas Müller (r) reagiert neben Freiburgs Torhüter Mark Flekken.
Foto: Peter Kneffel/dpa

Oliver Kahn hockte nach dem Pokal-Schock wie versteinert auf der Ehrentribüne, Uli Hoeneß legte bedient seine Decke weg – und der untröstliche Jamal Musiala versuchte nach seinem Elfmeter-Missgeschick, schnell dem Schreckensszenario zu entfliehen.

Das Ende der Triple-Träume des FC Bayern anderthalb Wochen nach dem Trainer-Knall vergrößerte nicht nur den Erfolgsdruck in Bundesliga und Champions League, sondern erschwerte Neu-Coach Thomas Tuchel den ohnehin kniffligen Start in seine Münchner Mission. Frustbewältigung stand für das Ensemble um seinen Rekordpokalspieler Thomas Müller am freien Mittwoch an, der sich für den Kapitän «absolut beschissen» anfühlte.

Tuchel, den die Bayern-Bosse wegen «gefährdeter Saisonziele» auf den Posten von Julian Nagelsmann beordert hatten, musste nach nur wenigen Tagen im Amt gleich mal das Ende im Kampf um die erste Trophäe analysieren. «Der erste Titel ist weg, ja», sagte der zerknirschte Tuchel nach dem Last-Minute-Horror beim 1:2 gegen den SC Freiburg. «Wir gewinnen zusammen und verlieren zusammen, aber natürlich bin ich verantwortlich, niemand sonst», sagte der 49-Jährige. Tuchel lächelte gequält. Der Nagelsmann-Nachfolger hat nach dem bislang schwersten Stimmungsdämpfer in einer Münchner Auf-und-Ab-Saison noch viel Arbeit auf dem Weg zu dauerhaften Auftritten der Marke bayern-like vor sich.

Kimmich bemängelt Mentalität der Bayern

«Am Ende des Tages kotzt mich das einfach brutal an, je mehr Titel wir verspielen», klagte Joshua Kimmich, der nach dem Viertelfinal-Aus nur mühsam die Tränen zurückhalten konnte. Wenige Tage vor der Liga-Prüfung am Samstag in Freiburg und eine Woche vor dem Champions-League-Showdown gegen Manchester City zeichnete der Nationalspieler in seiner Klartext-Ansprache ein bedenkliches Bild von der Mentalität der Münchner Mannschaft. «Man hat bei uns das Gefühl, dass es ein Tick zu wenig ist. Ein Tick zu wenig Leidenschaft, ein bisschen zu wenig Emotion», sagte der 28-Jährige. «Es scheint uns nicht unbedingt zu motivieren, wenn wir Titel verspielen.»

Nach zwei krachenden Zweitrunden-Pleiten in Kiel und Mönchengladbach scheiterten die Bayern zum dritten Mal in Folge schmerzhaft auf dem Weg ins DFB-Pokalfinale nach Berlin. Dieses K.o.-Triple hatte sich kein Münchner gewünscht. Das Tor von Dayot Upamecano (19.) war bei zwei Gegentreffern von Nicolas Höfler (27.) und Lucas Höler (90.+5/Handelfmeter) bei aller Ballbesitz-Überlegenheit viel zu wenig.

Tuchel zu Musiala: «Wahnsinniges Risiko»

Besonders hatte Musiala dran zu knabbern. «Heutzutage darfst du so nicht mehr reinspringen. Du nimmst da ein wahnsinniges Risiko», sagte Tuchel über das Handspiel. Mit leerem Blick schlich der Offensivkünstler vom Platz. Als Freiburgs euphorisierter Trainer Christian Streich mit ihm sprach, wendete sich der Nationalspieler ab. Zum Ärger von Streich, der ihm einige nicht überlieferte Worte hinterherrief, doch zwischen den beiden soll alles gut sein. «Er hat uns schon viele Tore und Punkte beschert», tröstete Teamkollege Leon Goretzka den traurigsten Kollegen in einer insgesamt schwierigen Gesamtlage.

«Die letzten Wochen waren sehr turbulent», sagte der 28-Jährige. «Wir wollen alle Titel holen. Das geht jetzt im DFB-Pokal nicht mehr. Jetzt wollen wir die anderen beiden holen.» In der Meisterschaft sind die Münchner nach der 4:2-Machtdemonstration gegen Dortmund als Tabellenführer auf Kurs. In der Königsklasse dürfte mit einer Angriffsvorstellung wie am Dienstagabend im Pokal gegen Pep Guardiola und ManCity ebenfalls im Viertelfinale mutmaßlich Endstation sein.

«Das ist für uns alle bitter, aber das hat doch mit dem Trainer nichts zu tun. Das ist ein Prozess. Er macht einen sehr guten Eindruck und einen sehr guten Job», sagte Sportvorstand Hasan Salihamidzic nach dem Aus im Kampf um den Pott. Bayern-Ikone Bastian Schweinsteiger vermisst bei der aktuellen Mannschaft «Galligkeit» und «Gierigkeit», mitunter auch ein «bisschen Boshaftigkeit».

Trainingsfreier Mittwoch trotz Niederlage

Tuchel stimmte dem TV-Experten, der damit ähnliche Mankos wie Kimmich anführte, beim ARD-Interview zu. Am nach strapaziösen Tagen trainingsfreien Mittwoch hielt Tuchel trotz der Pleite fest. «Weil vor allem die Nationalspieler mal wieder im eigenen Bett schlafen müssen», wie der Neu-Coach nach bislang nur wenigen Einheiten mit dem Team sagte.

Kimmich nahm schnell die nächsten Aufgaben in den Blick und forderte eine Trotzreaktion. Man müsse das Emotionale «schleunigst» wieder auf den Platz bringen. «Generell ist ein Trainerwechsel immer auch ein schlechtes Zeichen für eine Mannschaft, weil wir eben vorher die Leistung nicht gebracht und die Spiele nicht gewonnen habe», sagte Kimmich.

Dazu fehlt es im Jahr eins nach Robert Lewandowski trotz reichlich Toren in dieser Saison in Spielen wie gegen Freiburg an Angriffspower. «Vorne müssen wir uns schon ein paar Fragen gefallen lassen», fügte Müller selbstkritisch hinzu. Man habe «diesen Witz, den letzten Kontakt» in der Offensive vermissen lassen. Die Mannschaft habe phasenweise nicht «diese Energie oder Schlagzahl» hochhalten können, sagte auch Salihamidzic. «Wir haben Leute, die sehr gute Tore machen können. Aber wir werden uns natürlich hinsetzen und schauen, was wir auf dem Transfermarkt machen.»

dpa