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DFB entscheidet sich für Neuanfang mit Neuendorf – ohne Koch

Der neue DFB-Präsident heißt Bernd Neuendorf. Der 60-Jährige gewinnt die Wahl in Bonn deutlich. Dauerfunktionär Rainer Koch ist dagegen raus. Ein klares Votum gibt es gegen Altkanzler Schröder.

Ist zum neuen DFB-Präsidenten gewählt worden: Bernd Neuendorf.
Foto: Federico Gambarini/dpa

Mit gesenktem Kopf schritt Rainer Koch am Podium des DFB-Präsidiums vorbei, auf dem sich der neue Verbandschef Bernd Neuendorf schon eingerichtet hatte.

Mit der Abwahl des umstrittenen Dauerfunktionärs aus dem innersten Entscheiderkreis endeten die Wahlen des Deutschen Fußball-Bundes – es war ein sogar sehr demokratischer Schritt zum seit Jahren geforderten Neuanfang. «Natürlich empfinde ich eine große Freude», sagte Neuendorf. «Aber natürlich auch Respekt – es sind viele Themen angeklungen, um die sich der DFB kümmern soll, um die er sich kümmern muss.»

Kampfabstimmungen hatte es beim DFB noch nie gegeben. Koch unterlag bei der geheimen Wahl für einen Vizeposten Silke Sinning und musste den weiteren Ablauf von einem Stuhl weit weg der Präsidiumsmitglieder verfolgen. «Es hat sich eigentlich alles verändert mit so vielen neuen Leuten auf den Positionen», sagte DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke, der den Verband mit Koch in den vergangenen Wochen interimsweise geführt hatte. «Es wurde ja immer bestritten, dass es ein Neuanfang ist. Aber mehr Neuanfang geht ja kaum noch.»

Votum gegen Gerhard Schröder

Neuendorf hatte lächelnd die ersten Glückwünsche angenommen. «Das überwältigt mich schon», sagte der 60-Jährige nach seinem deutlichen Wahlsieg gegen Peter Peters (193:50 Stimmen). «Jetzt müssen wir den Blick nach vorne richten, ich werde diese Aufgabe mit großer Lust angehen.» Eindeutig war auch das Votum des Bundestags im World Conference Center gegen Altkanzler Gerhard Schröder, dem wegen dessen Einstellung zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine die Ehrenmitgliedschaft entzogen wurde.

Neuendorf hatte seine Kernbotschaft bereits während seiner Bewerbungsrede deutlich gemacht. «Der Fußball muss wieder im Mittelpunkt stehen, nicht die Querelen an der Spitze des Verbandes.» An diesen hatte Koch, der vor dem Wahlgang eine bemerkenswert egozentrische Rede hielt, in der Vergangenheit oft bedeutenden Anteil. Dass Koch den DFB bis 2025 im Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union vertritt, und Peters im FIFA-Council sitzt, birgt Diskussionsbedarf für die kommenden Wochen.

Neuendorf möchte für Ruhe sorgen

«Ich gratuliere Bernd Neuendorf von ganzem Herzen», sagte der frühere DFB-Präsident Reinhard Grindel, der Koch in Abneigung verbunden ist, der Deutschen Presse-Agentur. «Nach dem Verlauf des Bundestages sollte er jetzt auch den DFB im UEFA-Exko vertreten.» Neuendorfs Vorgänger Fritz Keller war vor zehn Monaten zurückgetreten, nachdem er Koch während einer Sitzung mit dem Namen eines Nazi-Richters bezeichnet hatte.

«Ich möchte alles dafür tun, dass dieser Verband wieder zur Ruhe kommt», sagte nun Neuendorf. «Dass wir in ein paar Jahren sagen können, die Arbeit hat sich gelohnt». Die Menschen seien es «einfach leid», immer wieder von Skandalen und Hausdurchsuchungen zu lesen. «Sie wenden sich ab, sie sind genervt, sie fühlen sich nicht mehr vertreten», fügte er an. «Wir brauchen eine neue Kultur des Miteinanders. Und ich bin optimistisch, dass uns das gelingen kann.»

Koch und Osnabrügge wehren sich

Was auf ihn in den kommenden Monaten zukommt, bekam der einstige NRW-Staatssekretär in der ersten Reihe des Konferenzsaals schon vor seiner Wahl gespiegelt. Während ihrer Reden zu Beginn des Bundestags wiesen Koch und der bis Freitag als Schatzmeister tätige Stephan Osnabrügge verschiedenste Vorwürfe vehement zurück. «Ich bin es unendlich leid, kriminalisiert zu werden», sagte Osnabrügge, der wie Koch insbesondere auch gegen angebliche Medienkampagnen wetterte.

Wahr sei keiner der in den vergangenen Wochen publizierten Vorwürfe, sagte Osnabrügge. Zuletzt ging es um einen dubios anmutenden Vertrag mit einem Medienberater, auch der weiter nicht aufgeklärte Sommermärchen-Skandal spielt immer wieder eine Rolle.

Zwischendurch war während der Reden immer mal wieder kurzer Applaus zu hören, euphorisch wirkte dieser nicht. Die Abstrafung für das Wirken Kochs durch die Delegierten erfolgte um 15.30 Uhr mit dem deutlichen Votum für Sinning. In seiner Rede zuvor irritierte Koch mit der Aufforderung, sich an Absprachen vor dem Bundestag zu halten. Der Bayer wirkte fahrig – und nach seiner Niederlage schwer mitgenommen.

Gewählt wurden dagegen Stephan Grunwald zum neuen Schatzmeister und die frühere Nationalspielerin Célia Šašić zur neue Vizepräsidentin für Diversität und Gleichstellung. Zu Neuendorfs größeren Aufgaben wird nun gehören, das Ungleichgewicht zwischen Amateur- und Profifußball zu moderieren. 2023 soll ein neuer Grundlagenvertrag greifen, der auch das finanzielle Auskommen regelt.

Watzke will «Kräfte bündeln»

«Wenn wir weiter, DFB und DFL, zwei Züge aufeinander zurasen lassen, dann wird der deutsche Fußball dadurch dramatisch verlieren», sagte Watzke. Der 62 Jahre alte Geschäftsführer von Borussia Dortmund wirkte launiger als die weiteren Funktionäre, die das DFB-Podium kennen. «Es ist irgendwie so wie mit Corona – irgendwann erwischt es einen», sagte Watzke über seine erste Rede bei einer DFB-Vollversammlung. Der BVB-Chef machte dennoch deutlich: «Wir müssen die Kräfte bündeln und sie nicht gegenseitig zerstören.» Vom Bundestag müsse das Signal ausgehen, «dass wir es anpacken».

Das Signal in Richtung von Schröder wegen dessen Position im Ukraine-Krieg war eindeutig. «Wer sich aus Rücksicht auf persönliche Interessen nicht klar vom Krieg und seinem Aggressor distanziert und darüber hinaus auch nicht die gebotenen geschäftlichen Konsequenzen zieht, teilt nicht die Werte des Fußballs und des Deutschen Fußball-Bundes», erklärten Koch und Watzke – da noch gemeinsam. Die Entscheidung zum Entzug der Ehrenmitgliedschaft erfolgte ohne Gegenstimme.

Schröder ist seit langem mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin befreundet. Der Altkanzler ist für die Erdgas-Pipeline-Unternehmen Nord Stream 1 und 2 als Lobbyist tätig sowie Aufsichtsratschef beim russischen Ölkonzern Rosneft. Distanziert hat sich der 77-Jährige bislang nicht.

dpa