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21. WM mit 42 Jahren: Timo Boll greift nochmal an

Endlich einmal die Chinesen schlagen: Das wollen Timo Boll und das deutsche Tischtennis-Team bei der WM in Südkorea unbedingt erreichen. Doch mit 42 Jahren hat Boll noch ein ganz anderes Ziel.

Möchte nicht als Ersatzspieler zu den Olympischen Spielen in Paris fahren: Timo Boll.
Foto: Tom Weller/dpa

Als Timo Boll zum ersten Mal an einer Tischtennis-Weltmeisterschaft teilnahm, hieß der deutsche Bundeskanzler noch Helmut Kohl. 1997 in Manchester war das. Und Boll sagt in der Rückschau: «Mich hat das total fasziniert. Ich habe zum ersten Mal die chinesischen Spieler gesehen, die ich vorher nur aus dem Fernsehen kannte.»

Seitdem wurden das Smartphone, die Dating-Portale und ein neuer Mars-Roboter von der Menschheit erfunden. Doch kaum jemand kennt immer noch einen Weg, die Übermacht China bei einem großen Tischtennis-Turnier zu besiegen. Die deutsche Mannschaft hat seit Bolls Karrierebeginn sechs WM- und zwei Olympia-Finals gegen diesen Gegner verloren. Es ist ein starker Antrieb für Boll, bei der Team-WM vom 16. bis 25. Februar in Südkorea noch einmal anzutreten, um möglicherweise beim neunten Versuch endlich erfolgreich zu sein. Mit 42 Jahren und elf Monaten nimmt er bereits an seinem 21. WM-Turnier teil.

Glaubt er wirklich noch einmal an diesen einen großen Tag? «Das ist doch eine Selbstverständlichkeit», sagt Boll der Deutschen Presse-Agentur. «Auch im Einzel habe ich gegen den Weltmeister Fan Zhendong neunmal in Folge verloren. Und trotzdem gehst du jedes Mal wieder in das Spiel und versuchst, einen Weg oder eine Lösung zu finden.»

Bemerkenswertes Comeback

Die deutschen Spieler sind ein wenig hoffnungsvoll, da die Chinesen genauso genervt und gestresst von den vielen Turnieren und verschiedenen Wettbewerben im Tischtennis sind wie sie selbst. Es ist bemerkenswert, dass der Rekord-Europameister Boll mit fast 43 Jahren ein Comeback hingelegt hat.

2023 fiel er mehrere Monate wegen einer komplizierten Schulterblessur aus. Boll war in seiner Karriere zwar schon häufiger verletzt. Aber nichts warf ihn bislang so weit zurück wie diese Auszeit. «Das war ein sehr steiniger Prozess, zu spüren: Ich habe meinen Instinkt verloren, ich arbeite nur noch Tischtennis, weil jeder Schlag und jede Technik nicht mehr sitzen», sagt er. «Aber als Leistungssportler wird man über all die Jahre zu dieser Arbeitsmaschine. Ich hatte einen guten Kopf, um beharrlich zu bleiben und da durchzugehen.»

In diesem Januar «platzte dann der Knoten», wie er selbst es nennt. Boll gewann den deutschen Pokal mit seinem Verein Borussia Düsseldorf und das internationale Turnier in Doha. Und vor allem: Der viermalige Weltranglisten-Erste schlug dabei reihenweise Top-15-Spieler wie Lin Yun-Ju (Taiwan), Tomokazu Harimoto (Japan) und Darko Jorgic (Slowenien), die teilweise mehr als 20 Jahre jünger sind als er. «Auch diese Spieler haben im Kopf: Da steht immer noch Timo Boll», sagt sein Teamkollege Dimitrij Ovtcharov. «Diese Präsenz macht sehr viel aus.»

Boll selbst beschreibt seinen Antrieb so: «Ich wollte es mir selbst noch einmal beweisen.» Und er fügt ganz offen hinzu: «Ich hatte auch Angst davor, aufhören zu müssen. Mit 42 Jahren wäre mir sicherlich niemand böse gewesen. Ich hätte mich vor niemandem rechtfertigen müssen. Aber es war für mich noch nicht der richtige Moment. Den wollte ich gern noch einmal hinauszögern.»

Ziel: Olympia in Paris

Wenn alles nach Bolls Wunsch verläuft, wird er im Februar in Busan zum ersten Mal Weltmeister und im Juli zum siebten Mal in seiner Karriere zu den Olympischen Spielen fahren. Für ihn ist es jedoch die nächste große Herausforderung, in Paris dabei zu sein, nachdem er in die Weltspitze zurückgekehrt ist. Denn von den fünf deutschen WM-Spielern – Boll, Ovtcharov, Einzel-Europameister Dang Qiu sowie die ehemaligen Team-Europameister Patrick Franziska und Benedikt Duda – können nur drei auch Teil des Olympia-Teams sein.

Konkret bedeutet dies, dass fünf langjährige Trainingspartner und teils enge Freunde bei der Weltmeisterschaft nicht nur Teamkollegen, sondern auch Konkurrenten sein werden. Denn jeder von ihnen will auch zu Olympia. «Auf jedem lastet ein gewisser Druck. Man kann sich kaum Ausrutscher erlauben. Aber das muss ja nicht schlecht sein», sagt Boll. «Mit Blick auf Olympia hilft uns diese Konkurrenz, uns zu pushen und weiter Gas zu geben.»

So gern der deutsche Fahnenträger von 2016 noch einmal bei Olympischen Spielen antreten würde und so sehr ihn dieses Ziel in den vergangenen Monaten auch angespornt hat: Boll hat bereits vor der WM angekündigt, nicht als Ersatzspieler nach Paris zu fahren. «Ich will nur spielen, wenn ich das Gefühl habe, etwas erreichen zu können. Nur dabei zu sein, dafür möchte ich keinem dem Platz wegnehmen», sagt er. «Dann soll lieber ein jüngerer Spieler die Erfahrung machen, der Olympia noch nicht erlebt hat.»

dpa