Wer wird deutscher Meister? Diese Frage wird vor jeder neuen Bundesliga-Saison gestellt. Und trotz der großen Unruhe beim FC Bayern gibt es darauf in diesem Jahr nur eine Antwort der Konkurrenz.
FC Bayern und sonst nichts: Bundesliga ist sich einig
Laut einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur sind sich die Trainer der 18 Bundesliga-Clubs einig, dass der FC Bayern München auch in der neuen Saison wieder Deutscher Meister wird. Man braucht die Saison am Freitagabend gar nicht erst anzupfeifen.
Der amtierende Meister hat in diesem Sommer zwar seine beiden Wunschspieler Florian Wirtz und Nick Woltemade nicht bekommen. Stattdessen wird in München kurz vor dem Saisoneröffnungsspiel gegen RB Leipzig (Freitag, 20.30 Uhr/Sky und Sat.1) öffentlich über die Transferstrategie und den sehr kleinen Kader nach den prominenten Abgängen von Thomas Müller, Leroy Sané und Kingsley Coman diskutiert.
Über die Kräfteverhältnisse in der Fußball-Bundesliga macht man sich bei der Konkurrenz trotzdem keine Illusionen. «Sie haben einfach die beste Mannschaft», sagte der neue Werder-Trainer Horst Steffen über seinen Meistertipp Bayern München. Und Heidenheims Frank Schmidt meinte: «Der Punkteabstand war letztes Jahr schon sehr groß. Deshalb glaube ich nicht, dass die anderen Mannschaften diese Lücke zum FC Bayern schließen können.»
Bayern-Rivalen kämpfen mit Problemen
Im Sommer 2024 klang das noch anders. Zu diesem Zeitpunkt hatte Bayer Leverkusen gerade erstmalig in seiner Vereinsgeschichte die deutsche Meisterschaft gewonnen, und eine Reihe von Bundesliga-Trainern traute der Werkself eine erfolgreiche Titelverteidigung zu. Dass es in der diesjährigen Meisterumfrage keine andere Antwort als den FC Bayern gab, hat auch viel mit der Konkurrenz zu tun.
Denn Ex-Meister Leverkusen hat in diesem Sommer nicht nur seinen Erfolgstrainer Xabi Alonso an Real Madrid verloren, sondern auch die nahezu komplette Achse seines Meisterteams. Florian Wirtz entschied sich dafür, lieber zum FC Liverpool zu gehen als nach München. Außerdem haben Abwehrchef Jonathan Tah (Bayern München), die beiden Führungsspieler Granit Xhaka (AFC Sunderland) und Lukas Hradecky (AS Monaco) sowie Flügelflitzer Jeremie Frimpong (FC Liverpool) den Club verlassen.
Bundesliga als Englands Ausbildungsbetrieb?
RB Leipzig steht vor einem ähnlichen Neuaufbau nach der schlechtesten Saison seit dem Bundesliga-Aufstieg. Im Gegensatz dazu hat Borussia Dortmund bisher nur einen namhaften Transfer mit Jobe Bellingham (AFC Sunderland), dem jüngeren Bruder von Jude Bellingham, getätigt.
Aber selbst wenn Freiburgs Trainer Julian Schuster mit seiner Einschätzung Recht behalten sollte («Ich denke, es rückt alles wieder etwas enger zusammen») und einer der genannten Clubs oder der Champions-League-Teilnehmer Eintracht Frankfurt den FC Bayern ernsthaft herausfordern würde: Ein großes Problem der Liga würde das nicht ändern.
Denn gerade dieser Sommer hat wieder gezeigt, warum die Bundesliga vor allem in England als Ausbildungsbetrieb («Farmers League») für die Premier League verspottet wird. «Jahr für Jahr verlassen die besten Spieler die Liga – zuletzt Namen wie Florian Wirtz, Hugo Ekitiké oder Benjamin Šeško, oft Richtung Premier League», schreibt der ehemalige Nationalspieler Holger Badstuber in seiner Kolumne für das Nachrichtenportal Web.de.
«Die Bundesliga steht an einem Scheidepunkt: Entweder Rückgrat zeigen oder weiter abrutschen», meint Badstuber. «Denn was nachkommt, überzeugt selten: Eigene Talente bekommen zu wenig Vertrauen.»
Liverpool bedient sich besonders gern in der Bundesliga
Wer einen Beweis für seine These sucht, muss sich nur die Aufstellung des englischen Meisters FC Liverpool beim Saisonauftakt der Premier League anschauen. Da spielten neben den beiden ehemaligen Leverkusenern Frimpong und Wirtz auch der bisherige Torschütze von Eintracht Frankfurt (Hugo Ekitiké), der frühere Kapitän des VfB Stuttgart (Wataru Endo) und ein früherer 70-Millionen-Einkauf von RB Leipzig (Dominik Szoboszlai).
Der FC Bayern unterscheidet sich von seiner nationalen Konkurrenz dadurch, dass sie der einzige deutsche Verein sind, der auf die Dominanz der Premier League mit eigenen Transfers in dieser Preisklasse reagieren kann. Wenn ein Wirtz oder ein Woltemade nicht kommt, greifen sie eben für etwa 70 Millionen Euro bei dem Kolumbianer Luis Díaz (FC Liverpool) zu.
Das Problem der Münchner ist höchstens, dass solche Entscheidungen schon seit Jahren keinem klaren Plan mehr folgen. Sportvorstand Max Eberl würde offenbar gern noch den Ex-Leipziger Christopher Nkunku (FC Chelsea) dazu holen. Aufsichtsrat Uli Hoeneß konterkarierte diese Personalplanung kurz vor dem Saisonstart via «Süddeutsche Zeitung». «Ich würde sehr dafür plädieren, den Kader noch aufzufüllen mit einem Leihspieler», sagte er.
Verschiedene Fraktionen wollen in diesem Verein scheinbar immer wieder in verschiedene Richtungen. Und Trainer Vincent Kompany steht dazwischen. Seine Aussicht auf die neue Saison ist: «Wir möchten einen Schritt nach vorne machen, obwohl wir letzte Saison schon über 80 Punkte hatten. Was die anderen Mannschaften machen, ist nicht meine Priorität.»