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Das Musiala-Drama und Bayerns «Jetzt-erst-recht»-Gefühl

Die Bayern wollten in den USA Weltmeister werden. Aber gegen Paris ist Endstation. Es ist das letzte Spiel von Vereins-Ikone Müller – aber alles wird überlagert von einer fürchterlichen Szene.

Jamal Musiala muss mit einer Trage abtransportiert werden.
Foto: Brynn Anderson/AP/dpa

Vincent Kompany wechselte extra ins vertrautere Englisch, um seinen ganzen Schmerz über die fürchterlich anzuschauende Verletzung von Jamal Musiala ausdrücken zu können. «Das, was mein Blut zum Kochen bringt, ist nicht das Ergebnis. Sondern die Tatsache, dass es jemandem passiert ist, der das Spiel so sehr genießt und so wichtig ist für uns», sagte der Bayern-Coach ins Deutsche übersetzt. Kompanys Stimme bebte.

Der dramatische emotionaler Schlag des Musiala-Dramas überschattete alles andere im Gefolge des FC Bayern, der sich nach dem bitteren 0:2 (0:0) gegen den Champions-League-Sieger Paris Saint-Germain am Sonntag bereits vor dem Beginn der Finalwoche in New York auf den Heimweg begeben musste.

Thomas Müllers Abschied von Bayern nach dem 756. Pflichtspiel war nicht das Hauptthema an einem Tag, an dem die Bayern, wie bereits in der Champions League gegen Inter Mailand, nun auch im Viertelfinale der Club-WM gescheitert sind.

Neuer und Eberl attackieren Donnarumma

Sportvorstand Max Eberl wähnte die eigene Mannschaft zwar auf «Augenhöhe» mit der gerade wohl besten auf dem Globus. Aber PSG erzielte eben durch Desiré Doué (78. Minute) und Ousmane Dembélé (90.+6) zwei Tore. Letzteres sogar, als die Bayern nach zwei Roten Karten für William Pacho (81.) und Lucas Hernández (90.+2) mit Elf gegen Neun agierten. Und das eher kopflos.

Hinterher drehte sich aber praktisch alles um Musiala und den schlimm verdrehten linken Fuß, auf den der 1,96 Meter große PSG-Torwart Gianluigi Donnarumma Ende der ersten Hälfte mit voller Wucht gekracht war. Es war ein Schockmoment für alle, eine beim Ansehen schwer erträgliche Szene. Die Emotionen entluden sich auch an Donnarumma. Neuer nannte die Aktion des Torwart-Kollegen «schon risikofreudig. Da nimmt man die Verletzung in Kauf». 

Er habe Donnarumma sogar auf dem Platz auffordern müssen, zum später mit der Trage abtransportierten Musiala zu gehen. «Der Jamal liegt da, der wird wahrscheinlich im Krankenhaus bleiben, der hat eine schwere Verletzung. Da gehört sich das einfach aus Respekt, hinzugehen, ihm alles Gute zu wünschen und ein kleines Sorry dazulassen», belehrte Neuer den Italiener.

Wadenbein gebrochen, Bänderrisse, Operation

Der 26-jährige Donnarumma hatte freilich nach der Aktion tief betroffen gewirkt. Und nach dem Spiel reagierte er mit einer Botschaft via Instagram: «Alle meine Gebete und guten Wünsche sind bei Dir, Jamal Musiala.» 

Erst einmal wird der 22-jährige Musiala Ärzte benötigen. Nach ersten, vom Verein zunächst nicht bestätigten Meldungen, ist das Wadenbein gebrochen. Dazu sind Bänder am Fuß gerissen. Eine Operation wird nötig sein. Und eine monatelange Pause folgen. «Das ist leider dramatisch», sagte Max Eberl. 

Auch der Sportvorstand war «angefasst». Und auch wenn er Donnarumma keine Vorwürfe machen wollte, sprach er sie im Stadion doch aus. «Wenn ich mit 100 Kilo und einem Sprint auf den Unterschenkel springe, ist die Gefahr groß, dass was passiert», sagte Eberl. Absicht aber, betonte er, sei beim PSG-Torwart sicherlich «null komma null» im Spiel gewesen.

Trotzdem verändert das Unglück von Musiala, der erst zum Turnier aus einer längeren Verletzungspause zurückgekehrt war, aktuell einiges beim FCB. Eberl versprach Musiala, dass der Verein da sein werde, «um ihn wieder aufzubauen und zu begleiten auf seiner Reise, die definitiv nicht leicht sein wird».

Müller ärgern «geschmacklose Diskussionen»

Die des Rekordmeisters geht ohne das Urgestein Müller weiter. Der 35-Jährige legt das Bayern-Trikot ohne Happy End ab. Könnte Müller nach Musialas Ausfall nicht doch als Überbrückungshilfe bleiben? Derart «geschmacklosen Diskussionen», nachdem sich ein enger Kollege gerade schwer verletzt habe, lehnte Müller ab. «Nur weil man jetzt irgendwelche Gedankenspiele auf den Tisch bringen kann, hat das nichts mit der Realität zu tun.»

Wie haben sich die Bayern-Realitäten nach dieser Club-WM verändert? Müller musste gehen. Leroy Sané ist ablösefrei gewechselt. Und Musiala ist vorübergehend verletzt. Der Druck zu handeln in der Offensive nimmt zu, das Transferziel Nick Woltemade rückt näher. Der 23-jährige Shootingstar des DFB-Pokalsiegers VfB Stuttgart ist torgefährlich – und könnte die offene Zehner-Position besetzen.

Hoeneß: Woltemade passt prima

«Ich halte ihn für einen sehr, sehr guten Spieler, der prima zu uns passen würde», sagte Ehrenpräsident Uli Hoeneß (73) nur wenige Stunden vor dem Musiala-Schock. «Und ich würde es sehr begrüßen, wenn das dieses Jahr klappt. Und wenn nicht, dann nächstes Jahr.» Sofort wäre jetzt wohl besser. 

Die Bayern jedenfalls müssen was tun, wenn sie international nicht dauerhaft Teams wie Paris gratulieren wollen. «Wir werden uns belohnen – irgendwann», sagte Neuer trotzig. Der älteste, und zugleich der beste Bayern-Spieler bei dieser WM, verabschiedete sich kämpferisch aus Amerika. 

Kompany gibt drei Wochen Urlaub

Der 39-Jährige erklärte das optisch auf Augenhöhe geführte Duell mit PSG «zum Vorbild» und verkündete: «Wir wollen in Europa wieder angreifen! Wir wollen auch in der Bundesliga und im DFB-Pokal wieder da sein!» 

Erst einmal aber geht’s in den Urlaub. Drei Wochen gönnt Kompany seinen Profis. «Es geht nicht weniger. Es ist wichtig, dass die Jungs auch mental mal abschalten können», sagte er. Ohne große Vorbereitung geht es dann am 16. August im nationalen Supercup gleich wieder um den ersten kleinen Titel. Und das ausgerechnet in Stuttgart, gegen den VfB – und gegen Nick Woltemade?

dpa