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Degenkolb zurück in der Hölle: «Aufregung steigt stündlich»

Wenn am Sonntag beim Frühjahrsklassiker Paris-Roubaix wieder die Kopfsteinpflaster-Tortur für die Radprofis ansteht, ist John Degenkolb mittendrin. Für den Sieger von 2015 ist es das Lieblingsrennen.

John Degenkolb startet zum zwölften Mal beim Rad-Klassiker Paris-Roubaix.
Foto: David Pintens/Belga/dpa

In diesen Tagen erscheint die Hölle des Nordens noch etwas grausamer. Das Regenwetter der vergangenen Wochen hat die alten Feldwege aus Napoleons Zeiten in schlammige, rutschige Pisten verwandelt.

Auf die erschwerten Bedingungen bei der 121. Auflage der Kopfsteinpflaster-Tortur Paris-Roubaix am Sonntag könnte Rad-Altmeister John Degenkolb gerne verzichten. «Ich bin einmal Roubaix im Regen gefahren. Es war schön, das mal miterlebt zu haben. Aber das brauche ich nicht noch einmal. Von daher bin ich niemand, der vor dem Einschlafen betet, dass es am Sonntag regnet», sagte der letzte deutsche Sieger von 2015 der Deutschen Presse-Agentur.

Dabei ist Degenkolb beileibe kein Schönwetterfahrer. Es muss schon eine besondere Leidenschaft sein, eine Liebe zu einem Rennen zu entwickeln, das auch in diesem Jahr über mehr als 50 der insgesamt 259,7 Kilometer über die ruckeligen Pavés quer durch schier endlose, triste Rübenäcker führt. «Es ist das Rennen, was ein Stück weit meine Karriere als Radrennfahrer geprägt hat. Dementsprechend ist die Vorfreude groß. Die Aufregung steigt stündlich diese Woche bis zum Rennen», so der Klassiker-Spezialist, der 2018 in Roubaix auch seinen einzigen Tour-de-France-Etappensieg feierte.

Sturz beendet Traum vom zweiten Pflasterstein

Zum zwölften Mal nimmt der 35-Jährige am Schlossplatz in Compiegne an dem epischen Rennen teil, das auch als Hölle des Nordens bekannt ist. Degenkolb hat immer das Ziel im alten Velodrom von Roubaix erreicht. Auch 2023 kämpfte er noch einmal um den Sieg, bevor ein schwerer Sturz in der finalen Phase mit Rad-Weltmeister Mathieu van der Poel alle Hoffnungen auf einen zweiten Pflasterstein als Siegerpokal zunichte machte.

Degenkolb wird geehrt, dass er das harte Duell mit MvP als normalen Rennunfall abgetan hat. Trotzdem erinnert er sich daran, wie er als Siebter frenetisch im Ziel gefeiert wurde. Degenkolb hat einen besonderen Stellenwert bei den Franzosen. Schließlich hat der Thüringer in der Vergangenheit nicht nur das Nachwuchsrennen des Frühjahrsklassikers finanziell unterstützt, sondern auch die Amis de Paris-Roubaix, die sich um die Restaurierung der Kopfsteinpflaster-Sektoren kümmern.

Nicht zuletzt deshalb wurde auch der Pavé-Sektor zwischen Hornaing und Wandignies nach ihm benannt. «Letztes Jahr in erster Position auf mein Pflasterstück zu fahren mit meiner Familie an der Strecke, das waren Momente, die werde ich nie wieder vergessen», erinnert sich der Routinier vom Team DSM-firmenich. Auch in diesem Jahr genießt Degenkolb bei Kilometer 177,2 quasi Hausrecht.

Mathieu van der Poel als großer Favorit

Am Sonntag will es Degenkolb noch einmal wissen. Die Form sei gut, zu den Favoriten zählt er sich aber nicht. Für den Triumph müsste er Vorjahressieger van der Poel hinter sich lassen. Ein schwieriges Unterfangen, schließlich präsentiert sich der Niederländer in herausragender Form, wie er erst am vergangenen Wochenende mit seinem souveränen Triumph bei der Flandern-Rundfahrt bewies. «Mathieu van der Poel schwebt ein Stück über allen anderen. Er ist der alleinige Favorit. Er ist der Einzige, der sich selbst schlagen kann», so Degenkolb. Und dann wäre da auch noch sein deutscher Rivale Nils Politt, der in Flandern Dritter wurde und 2019 in Roubaix schon einmal auf Platz zwei gefahren war.

Können die deutschen Asse womöglich um den Sieg fahren? «In Roubaix sind schon Dinge passiert, wo keiner mit gerechnet hat», sagt Degenkolb. Stürze oder Defekte können das Rennen beeinflussen. Und da wäre da noch die geplante Schikane vor dem gefürchteten Wald von Arenberg, wo sich 1998 Klassiker-König Johan Museeuw die Kniescheibe brach. Damit soll das Tempo des Feldes auf Wunsch der Fahrer von 60 auf 35 Stundenkilometer abgebremst werden. «Die Anfrage erscheint mir völlig logisch. Als Profi bin ich zwölfmal Paris-Roubaix gefahren und jedes Mal, wenn ich dort ankam, habe ich mich gefragt, wie es mir ergehen wird. Wenn wir hier ankommen, spielen wir ein bisschen Russisches Roulette», sagt Renndirektor Thierry Gouvenou. Willkommen in der Hölle des Nordens.

dpa