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Die EM im «Sommer der Liebe»? Partystimmung auf den Straßen

Hunderttausende Menschen feiern während der Fußball-EM in Deutschland. Damit war vor dem Turnier nicht zwingend zu rechnen gewesen. Jetzt aber wird fröhlich von links nach rechts gehüpft.

Hunderttausende Menschen feiern während der Fußball-EM in Deutschland.
Foto: Christophe Gateau/dpa

Nach der Aufforderung im nächsten Urlaub in Holland, ein Stück nach links zu rücken, hüpfen sie reflexartig wieder nach rechts? Kein Problem! Plötzlich denken sie während einer völlig losgelösten 80er-Party an den zufriedenen Bundestrainer Julian Nagelsmann? Ebenfalls normal! Die ersten zehn Tage der Fußball-EM mit erstaunlicher Stimmung sind schuld an den neuen Marotten. Steckt Deutschland bereits im Sommermärchen 2.0?

Am Sonntagabend verfolgten weit über 100.000 Menschen auf den Fanmeilen der Städte das Deutschland-Spiel gegen die Schweiz. Riesige Fahnen, schwarz-rot-goldene Schminke, pinkfarbene Trikots – nach Jahren der Turniertristesse während Corona und weit weg in Katar wieder völlig normal. «Das ist ein schönes Gefühl», sagte Nagelsmann. Der Nationalmannschaft werden ab und an Zusammenschnitte der Party in den Fanzonen vorgespielt.

Über 25 Millionen Menschen vor den Bildschirmen

Das 1:1 mit dem späten Tor von Niclas Füllkrug, das mit jenem stimmungslösenden Treffer von Oliver Neuville beim Sommermärchen 2006 im zweiten Gruppenspiel gegen Polen verglichen wurde, wurde allein in der ARD von durchschnittlich 25,566 Millionen Menschen verfolgt. Weit über ein Viertel der deutschen Bevölkerung – völlig normal?

In Zeiten von Kriegen und Krisen war vor dem Turnier nicht unbedingt mit dem größten Zuspruch zu rechnen gewesen. Bilder der WM 2006 schienen aus der Zeit gefallen, erst recht, weil nationale Feierei in den vergangenen Jahren von Rechten okkupiert worden war. Und jetzt: «Während wir uns in Europa über alles und jeden streiten, ist die EM erst einmal ein Sommer der Liebe, wie die Deutschen so schön sagen», schrieb die niederländische Regionalzeitung «De Twentsche Courant Tubantia».

«Naar links! Naar rechts!»

Die Oranje-Fans zogen vor ihren EM-Partien durch die deutschen Städte und sangen fast schon hypnotisch ihr «Naar links! Naar rechts!». Auch von internationalen Medien wurden die Fanmassen als Referenz genommen im ewig schiefen Vergleich zur WM 2022 in Katar. Gefeiert worden war am Golf kaum von europäischen Anhängern, was hierzulande weiterhin in schlechter Erinnerung ist.

Für die EM-Organisatoren sind die Bilder der großen Menschenmassen beispielsweise am Brandenburger Tor, auf dem Hamburger Heiligengeistfeld oder am Mainufer eine Art beruhigende Bestätigung. «Insgesamt sind wir sehr zufrieden, wir spüren das auch bei den Gästen», sagte Turnierdirektor Philipp Lahm, der seine eigene Verspätung mit der Deutschen Bahn zuletzt gelassen hinnahm.

Die infrastrukturellen Mängel im Land wurden in den EM-Tagen überdeutlich, sie wurden aber nicht zum Partycrasher. Die Europäische Fußball-Union UEFA gibt offiziell eine Vollauslastung der EM-Stadien an, nach erfolgreichen deutschen Spielen mit einem lächelnden Nagelsmann wird Peter Schillings großer 80er-Jahre-Hit «Major Tom» in der jeweiligen Arena gespielt.

Bislang keine nennenswerten Zwischenfälle

Die Stimmung in den Stadien und Fanzonen während der EM war bisher weitgehend friedlich, wie der 68-jährige Sänger feststellt. Es gab nur wenige Zwischenfälle, und die Polizei und das Deutsche Rote Kreuz waren in großer Zahl im Einsatz. Einige Plakate und Gesänge mit rechtsnationalem Inhalt wurden zwar gesehen, aber nicht in einem Ausmaß, das international Beachtung fand.

Der englische «Guardian» veröffentlichte am Montag eine Fotoreihe mit Motiven «abseits der Action», die auch das friedliche Miteinander von Fangruppen zeigen. «Die Fußballfans aus den unterschiedlichsten Nationen sorgen für eine einmalige und außergewöhnliche Atmosphäre in der Stadt», teilten die Organisatoren der Kölner Fanzonen mit.

Was zusätzlich hilft: Das Wetter in Deutschland wird besser. Der Deutsche Wetterdienst teilte am Montag bei X das «UEFAEuro2024»-Wetter für die Spiele in Düsseldorf und Leipzig mit. Vorhergesagt wurden «angenehme Temperaturen» zum Anpfiff.

Steigerung möglich

«Wir wünschen uns natürlich, dass Deutschland weit kommt, dass das Wetter nun sommerlich bleibt», schrieben die Fanzonen-Organisatoren in Hamburg. Denn noch scheint Luft nach oben: Bei der Vor-Corona-EM 2016, bei der die DFB-Auswahl im Halbfinale ausschied, waren noch deutlich mehr Menschen auf den Straßen unterwegs. Nach dem 0:2 der DFB-Auswahl gegen Gastgeber Frankreich war die Party dann aber schnell vorbei.

dpa