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Die dunkle Seite des Tennis: Profis und ihre mentalen Probleme

Druck, Depressionen und Einsamkeit – Tennisprofis kämpfen mit mentalen Herausforderungen im Schatten des Sports.

Tennisprofi Medwedew entlud bei den US Open seinen ganzen Frust.
Foto: Adam Hunger/AP/dpa

Daniil Medwedew hackte nicht nur einmal, zweimal oder dreimal, sondern immer wieder nach seinem von wilden Szenen geprägten Erstrundenaus bei den US Open mit seinem Tennisschläger gegen die Bank. Die Wut musste raus. Andrea Petkovic, frühere Profispielerin und heutige Sky-Expertin, wollte nicht spekulieren, meinte aber: «Da ist unheimlich Druck auf dem Kessel. Bei den kleinsten Situationen, die nicht so laufen, wie er sich das vorstellt, ist es für ihn schwierig, seine Emotionen zu kontrollieren.»

Druck ist ein Aspekt von vielschichtigen mentalen Problemen im Tennis, die als Schattenseiten des oft schillernd dargestellten Sports schon länger kein Tabuthema mehr sind. Japans Topstar Naomi Osaka machte schon vor vier Jahren Depressionen öffentlich, auch männliche Spieler sprechen jetzt häufiger darüber. Über die mentalen Herausforderungen des Berufs, über Stimmungstiefs, über Einsamkeit. «Es ist super, dass sich nun auch Männer öffnen», sagte Petkovic. «Ich glaube, dass es es normaler macht, sich auch um den mentalen Aspekt zu kümmern.»

Auch Zverev öffnet sich

Alexander Zverev brachte das Thema in Wimbledon ins Rampenlicht, als er in seiner bedrückenden Pressekonferenz über Einsamkeit, fehlende Freude außerhalb des Platzes und mangelnden Ansporn sprach. In New York enthüllte er, professionelle Hilfe in Anspruch genommen zu haben. Tennislegende Boris Becker empfahl auch dem Russen Medwedew, nachdem dieser seinen Frust am Schläger abgelassen hatte.

https://x.com/TheBorisBecker/status/1959907721026977815

Es gibt mehrere Profis mit mentalen Problemen. Im Mai erzählte der norwegische Weltranglisten-Zwölfte Casper Ruud, dass die Tennis-Tour einem ein Leben wie in einem Hamsterrad aufzwinge. Vor einigen Monaten berichtete der Russe Andrej Rubljow, dass er Angstzustände hatte und Mittel gegen Depressionen eingenommen hatte.

Als er Zverev seine Hilfe anbot, gab auch Topstar Novak Djokovic preis, dass er solche Gefühle kenne: «Ich verstehe genau, was er durchmacht, weil ich selbst oft dasselbe durchgemacht habe. Man fühlt sich weniger glücklich, leer, man schafft es nicht, das zu erreichen, was man will.» 

Tennisprofis reisen mit Team, das von ihnen bezahlt wird

Sind Tennisprofis besonders anfällig dafür? Was steckt hinter solchen gesundheitlichen Problemen? «Tennis ist einfach ein sehr einsamer Sport», sagte Petkovic der Deutschen Presse-Agentur bei den US Open. Im Gegensatz zu Mannschaftssportlern können sie nicht von einem Team aufgefangen werden, auch wenn sie mit einem Team unterwegs sind, darunter Trainer, Trainingspartner, Physiotherapeuten, Manager.

«Meistens ist es so, dass du jeden Einzelnen dafür bezahlst, dass er bei dir ist», sagte Petkovic. Es könne eine seltsame Dynamik entstehen, «die dazu neigt, dass man von Ja-Sagern umgeben ist, die dir quasi immer nach dem Mund reden». Sie meine das nicht negativ. Man versuche, den Profi positiv auf das nächste Match einzustellen, so dass man vielleicht übersehe, dass etwas schieflaufe, so dass man dunkle Seiten übersehe. 

Rubljow sagte, es gehe nicht um Tennis, Tennis sei nur der Auslöser dafür. «Es ist etwas in dir, dem du dich stellen musst», so der 27-Jährige. «Diejenigen, die Tennis lieben, werden durch Tennis getriggert. Wenn du Sascha (Zverev) sagst, dass er eine Pause machen soll, wird das für ihn sehr schwer werden.»

Die Belastung im Tennis ist enorm. Die Termin- und Turnier-Hatz ufert immer weiter aus. Dass die neun Masters-Turniere auf zwölf Tage ausgedehnt wurden, meinte Djokovic in New York, bedeute fast, dass sie ähnlich wie zusätzliche Grand-Slam-Turniere seien.

Petkovic: Einsamkeit auf dem Platz nicht zu unterschätzen

Tennisprofis sind selten während ihrer langen Saison zu Hause. Es bleibt kaum Zeit zum Abschalten und für Urlaub. Zverev beschwerte sich auch einmal darüber, dass er keinen Feiertag mit seiner Familie verbringen könne.

«Ich glaube, auch die Einsamkeit auf dem Platz darf man nicht unterschätzen», sagte Petkovic. «Dieser Druck, selbst entscheiden zu müssen und es selbst dann auch vermasselt zu haben. Ich glaube, nichts steht alleine für sich, aber all diese Sachen zusammengenommen kreieren diesen Druck. Ich glaube, dass die Kombination aus einer generellen mentalen Erschöpfung und der körperlichen Erschöpfung sehr schwierig ist.» 

Hilfe nehmen dabei womöglich mehr Profis in Anspruch als man denken könnte. «Vielleicht reden nicht alle darüber», so Petkovic. Die gehe aber davon aus, «dass 75, 80 Prozent» im mentalen Bereich professionell aufgestellt seien.

dpa