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Fataler Dämpfer vor Olympia: Junge NHL-Stars ohne WM-Impuls

Zwei NHL-Stars sollten die Eishockey-Nationalmannschaft bei der WM führen – und können dem Druck nicht standhalten. Das überraschende Vorrunden-Aus ist neun Monate vor Olympia ein herber Rückschlag.

Die Eishockey-WM endet für die deutsche Nationalmannschaft früh und mit einer herben Enttäuschung.
Foto: Bo Amstrup/Ritzau Scanpix Foto/AP/dpa

Schlechter als der Eishockey-Zwerg Österreich und kein entscheidender Impuls aus der NHL von den vermeintlichen Stars: Neun Monate vor Olympia hat das Nationalteam mit dem frühen WM-Aus ein verheerendes Signal gesendet. Insbesondere der nach Leon Draisaitl beste deutsche NHL-Stürmer war nach dem Verpassen des Minimalziels am Boden zerstört. «Ich habe großen Anteil daran», sagte Angreifer Tim Stützle, der in der stärksten Liga der Welt zur Weltklasse gezählt wird.

In Dänemark war nichts davon zu sehen. Die magere Ausbeute des 23-Jährigen von den Ottawa Senators: Fünf WM-Spiele, null Tore. Als der in den NHL-Playoffs gescheiterte Stützle nach zwei Siegen zum Vorrunden-Auftakt zur WM nachreiste, gewann die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes nur noch ein Spiel. Auch Stützle versagten im entscheidenden Penaltyschießen am Dienstag gegen Co-Gastgeber Dänemark die Nerven.

Ärger bei Stützle

«Ich muss die Dinger reinmachen», ärgerte sich der glücklose Stürmer, der das Team auf ein anderes Niveau heben sollte. In der NHL hatte er für Ottawa 24 Tore und 55 Vorlagen zum ersten Playoff-Einzug der Kanadier seit mehreren Jahren beigesteuert. Im dänischen Herning langte es trotz zahlreicher Gelegenheiten nur zu zwei Assists. Zu wenig für einen Spieler seiner Klasse. 

Bei den Winterspielen in Mailand ruht die Hoffnung in erster Linie auf den NHL-Stars, die erstmals seit zwölf Jahren wieder dabei sind. Während Torhüter-Routinier Philipp Grubauer (Seattle) in Herning überzeugte, enttäuschten die jüngeren Stützle und auch Moritz Seider (Detroit), der mit 24 Jahren der jüngste deutsche WM-Kapitän seit Alois Schloder 1971 war.

Stützles Selbstreflexion ist bemerkenswert, jedoch offenbarte sie auch die Herausforderungen des deutschen Teams. Die Hauptlast lag auf den noch jungen Nordamerika-Profis. Sie waren bestrebt, sich zu beweisen und etwas zu leisten.

«Man verlässt sich zu sehr auf denjenigen, der die Scheibe hat, dass er etwas Besonderes macht, zwei Mann stehen lässt», sagte Routinier Marcel Noebels nach dem ersten deutschen WM-Vorrunden-Aus seit 2018. In der Endabrechnung lieg der Vize-Weltmeister von 2023 sogar hinter Österreich, das es erstmals seit 31 Jahren ins Viertelfinale schaffte. 

Es fehlte an Führungsspielern

Auch die Team-Chemie auf dem Eis stimmte nicht. Es fehlte an Bindegliedern zwischen den NHL-Stars und dem Rest. «Wir haben im Moment das Problem, dass ein, zwei auf dem Eis arbeiten, und drei gucken zu», erkannte Noebels. Die fehlenden Routiniers Moritz Müller (Kölner Haie) oder Nico Sturm (Florida Panthers) managten in den vergangenen Jahren diesen Spagat zwischen Stars und Arbeitern perfekt.

Bundestrainer Harold Kreis hatte früh im Turnier das Problem mit seinen NHL-Stars erkannt. «Sie können das Spiel nicht alleine gewinnen», erklärte er und betonte: «Es reicht, wenn jeder seine eigene Aufgabe erfüllt und nicht noch die vom Nebenmann miterledigen will.» Der 66-Jährige musste zugeben: «Wir verkaufen uns zu schlecht. Wir sind eine bessere Mannschaft.»

 

Auch Seider mit ungewohnten Patzern

Auch Star-Verteidiger Seider präsentierte seine Fähigkeiten erst spät. «Ich habe erst ein bisschen Kacke am Schläger gehabt», sagte der Abwehrspieler. «Dann habe ich besser ins Turnier gefunden.» Ob die für ihn ungewohnten Fehler etwas mit der Ernennung zum Kapitän geführt haben, konnte Seider nicht beantworten. «Ich weiß es nicht», sagte der 24-Jährige. «Wenn, dann mache ich mir zu viel Druck. Ich habe hohe Erwartungen an mich selber und an das Team.»

Leon Draisaitl von den Edmonton Oilers hatte ähnliche Erfahrungen gemacht. Auch der damals 22-jährige erlebte in Herning 2018 seinen Nationalmannschafts-Rückschlag. Nach Olympia-Silber in Pyeongchang kam die Mannschaft von Bundestrainer Marco Sturm mit dem Top-Stürmer mit hohen Erwartungen nach Dänemark. Das Ergebnis war ähnlich wie in diesem Jahr: Der Fokus lag auf ihm, aber nach der Vorrunde ging es nach Hause.

Lerneffekt für Olympia

Vielleicht ist das aktuelle Scheitern für das Highlight Olympia 2026 sogar lehrreich. Anders als Seider oder Stützle kann Draisaitl mit dem Erwartungsdruck sieben Jahre später bestens umgehen. Der Kölner kann durch seine Erfahrung aus zahlreichen Playoff-Schlachten in der NHL ein komplettes Team führen und auch mitreißen. «Wichtig ist, dass wir wieder das deutsche Eishockey spielen, was wir uns vorstellen und was uns stark macht. Es sind Sachen, die keiner neu erfinden muss», forderte Noebels.

dpa