Dieses Tief kommt zur Unzeit: Kurz vor Tournee und Olympia schwächelt Andreas Wellinger massiv. Auf eine Wettkampfpause soll das schnelle Comeback in Oberstdorf folgen.
«Für den Arsch»: Wellingers Abstieg kurz vor Olympia

Andreas Wellinger hat in diesem Jahr keine entspannten Weihnachten. Statt die ruhigen Tage rund um das Fest zu genießen, trainiert der deutsche Skisprung-Olympiasieger fleißig. Zusammen mit Karl Geiger absolviert Wellinger im slowenischen Planica und auf der Olympia-Anlage in Predazzo zahlreiche Sprünge, um rechtzeitig fit für die Vierschanzentournee zu sein.
Es ist dringend erforderlich, denn Wellingers bisherige Platzierungen im Weltcup waren: 57, 40, 47 und 39. Bundestrainer Stefan Horngacher entschied nach Absprache, ihn für die Tournee-Generalprobe in Engelberg aus dem deutschen Team zu nehmen – wird ihn jedoch zusammen mit Geiger für den Beginn des Spektakels am 29. Dezember in Oberstdorf wieder einsetzen.
Krise kommt zur Unzeit
«An der Einstellung liegt es bei ihnen sicher nicht. Eher verbohren sie sich dann zu sehr. Das Springen und das Singen, das kann man nicht erzwingen», sagte Horngacher über seine langjährigen Spitzenathleten, die in diesem Winter in ein tiefes Leistungsloch gefallen sind. Geiger geht es dabei ähnlich wie Wellinger. Er hat das deutsche Weltcup-Team noch eine Woche früher verlassen.
Gerade bei Wellinger kommt das Tief jedoch besonders überraschend. Nach einem Kreuzbandriss hatte sich der 30 Jahre alte Bayer sukzessive wieder in die Weltspitze gekämpft. WM-Silber in Planica und Trondheim sowie der Tournee-Auftaktsieg in Oberstdorf 2023 waren die Höhepunkte eines fulminanten Comebacks. Die Krise trifft ihn in einer Saison mit Tournee, Skiflug-WM und Olympia in Italien zur absoluten Unzeit.
Keine großen Tournee-Erwartungen
Obwohl die Konkurrenz damit rechnet, dass Wellinger schnell wieder zur Weltspitze gehören kann. «Andi hat sehr viel mitgemacht, er war im Fis-Cup und hat keine Punkte mehr geholt. Ich glaube, ihm muss ich nichts erklären. Er weiß, was er zu tun hat», sagte der Österreicher Stefan Kraft über seinen langjährigen Rivalen. Wellinger brauche «ein paar Einheiten und ein bisschen Abstand vom Skispringen, dann wird er schnell wieder gut sein».
Horngacher betonte in Engelberg, Wellinger und Geiger seien zwar seine «beiden besten Springer der letzten Jahre» und garantierte ihnen deshalb auch einen Startplatz für den Tournee-Auftakt im Allgäu. Der 56 Jahre alte Chefcoach dämpfte aber auch die Erwartungen für die Wettbewerbe rund um den Jahreswechsel. «Auf den Tournee-Sieg brauchen wir uns bei ihnen keine großen Hoffnungen zu machen», sagte Horngacher.
Wellinger: «Wie ein abgestochener Vogel»
Eher geht es um die Stabilisierung der Form. Schon das Erreichen des zweiten Durchgangs wäre für Wellinger ein Anfang. Der Olympiasieger von 2018 geht stets hart mit sich und seinen Leistungen ins Gericht. Als er zum Start in Lillehammer die Qualifikation verpasste, urteilte er schonungslos: «Momentan geht mir nicht so viel durch den Kopf. Es ist für den Arsch, was ich fabriziere gestern und heute.»
Für den bislang letzten deutschen Tournee-Sieger Sven Hannawald hängt der sportliche Absturz auch mit dem Material und den engeren Anzügen zusammen. «Das gibt es leider ab und zu mal. Es gibt Springer, die passen besser in ein neues Reglement. Dann gibt es Springer wie Wellinger, die reingepasst haben und jetzt passt grundsätzlich irgendwie nichts mehr zusammen», sagte Hannawald in seiner Funktion als ARD-Experte.
Wellinger sah bei sich selbst zu wenig Leichtigkeit und zu viele Fehler. Immer wieder beschrieb er seine Fehlleistungen auf der Schanze mit bildstarken Vergleichen. «Ich hänge über dem Eck wie ein abgestochener Vogel», sagte der Routinier beim Saisonstart. In Planica und Predazzo sollen nun die Grundlagen so gefestigt werden, damit es in Oberstdorf wieder mehr nach Adler aussieht.








