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Gewalt und Randale: Fußballfans verursachen Millionenschäden in Zügen

Die Deutsche Bahn kämpft jährlich mit Kosten von etwa zwei Millionen Euro durch gewaltbereite Fußballfans. Vorfälle wie Verwüstungen und Belästigungen häufen sich.

Bahnunternehmen entstehen durch Fans immer wieder Schäden.
Foto: Tobias Brauhardt/ODEG/dpa

Viele Bahnreisende kennen die Situation: Der Zug ist voll mit Fußballfans. Es riecht nach Bier und Zigaretten, Musik dröhnt aus Boxen, begleitet von lautem Lachen und derben Sprüchen. Doch nicht immer bleibt es bei einer bloßen Unannehmlichkeit – manchmal eskaliert die Situation: Belästigungen, Streitigkeiten und Randale sind die Folge.

«Fast alle Zugfahrten von Fußballfans verlaufen ohne Probleme. Durch eine Minderheit von gewaltbereiten Störer:innen entstehen der DB jedes Jahr etwa zwei Millionen Euro Kosten», teilte die Deutsche Bahn der dpa auf Anfrage mit. Diese Kosten entstünden durch die Beseitigung von Schmierereien und Schäden wie aufgeschlitzten Sitzen oder eingetretenen Scheiben.

Es bleibt nicht bei Vandalismus

Im Frühjahr dieses Jahres wurde ein Zug der Ostdeutschen Eisenbahn GmbH (ODEG) von Anhängern des 1. FC Magdeburg verwüstet. Dies war einer von mehreren Vorfällen. Insgesamt schätzt das Unternehmen die Schäden, die in diesem Jahr von Fans verursacht wurden, auf 25.000 bis 30.000 Euro.

Neben materiellen Schäden sind auch Angriffe auf Reisende keine Seltenheit. Das musste die Sängerin Mine am eigenen Leib erfahren. Im November saß sie im gleichen Zug wie eine Gruppe von Hertha-Fans, die auf dem Rückweg aus Darmstadt waren.

Sie beschrieb auf Instagram die beunruhigenden Szenen und veröffentlichte auch Videos. Sie wurde belästigt und beleidigt. Es wurden sexistische und rassistische Äußerungen gemacht. Die Bundespolizei konnte einen der Männer identifizieren und begann mit den Ermittlungen. Er war der Polizei bereits wegen ähnlicher Vorfälle bekannt.

Vereine übernehmen mehr Verantwortung

«Es gibt ab und zu mal Posts und Berichte auf Social Media von solchen Ereignissen, die aber überhaupt nicht zur Kenntnis genommen werden, weil die Personen nicht so eine Reichweite haben wie Mine. Insofern war das ein sehr mutiger Akt», sagt Jonas Gabler. 

Der Politikwissenschaftler ist Geschäftsführer der Organisation «Kompetenzgruppe Fankulturen und Sport bezogene Soziale Arbeit», die sich unter anderem der Arbeit gegen Diskriminierung und für Vielfalt im Fußball verschrieben hat.

Der Fall von Mine sorgte in ganz Deutschland für Aufsehen. Hertha BSC, ein Fußball-Zweitligist, reagierte prompt, verurteilte das Verhalten der kleinen Gruppe und lud die Sängerin zu einem Gespräch ein.

«Es ist wichtig, dass da Verantwortung übernommen wird von den Vereinen», sagt Gabler. Die Clubs könnten nicht in jedem der zahlreichen Züge Personal mitschicken, hätten aber die Aufgabe, «das aufzuarbeiten und sich zu fragen: Welche Normen geben wir uns?» Diese Debatte will Hertha bei einem Fan-Dialog anstoßen, doch auch in der Szene selbst sei die Problematik bereits vor dem Vorfall ein Thema gewesen. 

Betroffenen helfen

Für Gabler steckt darin eine Chance. «Am ehesten kann man so etwas verhindern, wenn Leute aus der eigenen Gruppe intervenieren», sagte er. Zudem könne man den Betroffenen Unterstützung anbieten. Auch Hertha appellierte an seine Anhänger, «sich in solchen Fällen entschieden dagegenzustellen, um derartige Geschehnisse sofort zu unterbinden».

Die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) sammelt Informationen über Straftaten bei Polizeieinsätzen im Zusammenhang mit Fußballspielen. Die meisten Vorfälle ereignen sich nach wie vor im und um das Stadion herum. Bei Spielen der Bundesliga betrug der Anteil der Straftaten an Bahnhöfen und in Zügen knapp zehn Prozent, in der 2. Bundesliga sogar 22,8 Prozent.

Die Bundespolizei gibt an, dass auf Bahnhöfen hauptsächlich Gewaltdelikte und Beleidigungen gegen Beamte häufig vorkommen, während in Zügen Sachbeschädigungen und Körperverletzungen vorherrschen.

Enthemmende Faktoren spielen große Rolle

Tausende Fans reisen jedes Wochenende durch die Republik. Gabler sagt, dass die Polizei nicht überall in großer Zahl präsent sein könne. Er betont jedoch, dass die Kommunikationswege schnell funktionieren müssten, damit die Bundespolizei im Ernstfall schnell vor Ort sein könne, falls die betroffene Person dies wünscht.

Die ODEG implementiert vorbeugende Sicherheitsmaßnahmen, wie die Begleitung von Zügen durch Sicherheitskräfte und die frühzeitige Abstimmung mit der Polizei. Diese Zusammenarbeit hat sich kürzlich vertieft.

Statistiken zum Geschlecht der Täter gibt es nicht, doch Gabler ist sich mit Blick auf Sexismus sicher: «Das ist auf jeden Fall ein Problem von Männern, das ist ein Problem von überkommenden Männlichkeitsidealen.» 

Solche Verhaltensweisen werden besonders deutlich, wenn enthemmende Faktoren im Spiel sind und es zu einem Ausbruch aus den gesellschaftlichen Konventionen kommt. «Das kann Fußball sein, das können aber auch Volksfeste sein, das kann Karneval sein», erklärte er. Alkohol spielt dabei eine zentrale Rolle.

Es geht an grundsätzliche Themen

Laut Gabler handelt es sich am Ende nicht um ein Fußballproblem, sondern um ein gesamtgesellschaftliches Problem. Er lobt, dass Aktivistinnen mittlerweile ein Bewusstsein geschaffen haben und die Vereine mehr tun. Doch für ihn sind dies nur die ersten Schritte.

«Diese Vorfälle verweisen auf ein Problem, was viel größer ist und was man nicht einfach mit so einer Checkliste mit ein paar Maßnahmen bearbeiten kann. Wenn man damit anfängt und das ernst meint, dann geht es an sehr grundsätzliche Themen ran», sagt er.

dpa