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Gegen Playoff-Angst: Völler als WM-Ruhepol für Nagelsmann

Vor dem WM-Showdown gegen die Slowakei ist jede Ablenkung Gift für Julian Nagelsmann. Der Fokus muss klar sein, die Konzentration hoch. Ein Schicksal von Rudi Völler will der Bundestrainer vermeiden.

Da geht es lang. Julian Nagelsmann gibt Anweisungen.
Foto: Federico Gambarini/dpa

Wenn es bei der Nationalmannschaft brennt, ist Julian Nagelsmann nicht alleine. Auch jetzt muss Rudi Völler wieder ran. Als Ratgeber und als Ruhepol gegen jede Ablenkung, jede schlagartig bei der Fußball-Nationalmannschaft hereinbrechende Aufregung, die den sportlichen Fokus vom großen Showdown um das direkte WM-Ticket gegen die Slowakei am Montag (20.45 Uhr/ZDF) wegführt.

Der Trainer der Nationalmannschaft schätzt die immense Erfahrung des Sportdirektors mehr als je zuvor. Denn jetzt muss unbedingt verhindert werden: das große Zittern in den Playoffs zur Weltmeisterschaft, mit der Bedrohung eines historischen Scheiterns in der langen Geschichte des viermaligen Weltmeisters.

Nagelsmann hat nach einer enttäuschenden Zickzack-Qualifikation an seinem früheren Arbeitsplatz beim Club in Leipzig viel zu verlieren.

Störfaktoren als Problem

Vor dem wichtigsten Spiel seiner Trainerkarriere seit dem schmerzhaften EM-Aus gegen Spanien im Sommer 2024 kommen beim Bundestrainer viele Gefühle zusammen. Unruhe muss vermieden werden, die Angst darf nicht blockieren. Jeder Spieler muss seine Leistung bringen, darf keine Schwachstelle darstellen – vor allem nicht in der Öffentlichkeit. Und: Der Ärger über das 0:2 in Bratislava ist immer noch präsent.

Die Lust auf Revanche ist groß. Die kecken Slowaken sollen auf keinen Fall zum WM-Stolperstein in der einst als unfassbar leicht titulierten Gruppe A werden. «Natürlich sollte es schon bei allen dazu führen, dass wir gewarnt sind», sagte Nagelsmann in seiner Rückbetrachtung auf den Fehlstart im September. 

Motivation, Mentalität, die viel beschworene Gier auf Siege: All das will der 38-Jährige in Leipzig endlich wieder spüren und sehen. «In der Herangehensweise muss es ein ganz anderes Spiel sein. Dann wirst du auch fußballerisch anders auftreten, als wir es in der Slowakei gemacht haben», versprach Nagelsmann.

Luxemburg als Anti-Mutmacher

Das Problem: Auch das 2:0 in Luxemburg war als Warm-up der Prototyp eines Pflichtsieges und letztlich eher ein Anti-Mutmacher. «Es ist wichtig, dass wir es schaffen, uns souverän zu qualifizieren», sagte Jonathan Tah.

Zum aktuellen Zeitpunkt wird der Bayern-Verteidiger erneut als Ersatzkapitän benötigt. Für seinen am Knöchel verletzten Club-Kollegen Joshua Kimmich wird ein Einsatz in der Slowakei zu einem Rennen gegen die Zeit. Immerhin wird Nico Schlotterbeck nach seiner Fußverletzung ziemlich sicher in die Startelf zurückkehren.

Die Situation ist mathematisch einfach. Deutschland wird bei der WM 2026 in den USA, Mexiko und Kanada mit einem Unentschieden sicher dabei sein. Mit einem Sieg wird auch die Möglichkeit auf einen wichtigen Platz im besten WM-Topf bei der Auslosung am 5. Dezember in Washington gesichert.

Völler hat Playoff-Erfahrung

Es würde alles anders sein, wenn das Team verlieren würde. WM-Playoffs. Zwei Do-or-Die-Spiele im März mit einem hohen Risikofaktor. Wie zuletzt 2001 gegen die Ukraine. Der damalige Teamchef des DFB war Rudi Völler. Mit ernster Miene war er am vergangenen Freitag auf der Tribüne im Stade de Luxembourg zu sehen. Der 65-Jährige schaltete in den Krisenmodus. Ohne Spieler besuchte er einen lang geplanten Charity-Termin bei der Leipziger Bahnhofsmission.

Nagelsmann wählte trotz des schwierigen Szenarios die sanfte Tour. «Am Ende habe ich schon das Gefühl, dass die Mannschaft das gerade nicht verträgt, wenn man jetzt super draufhaut, ehrlich gesagt, sondern wir wollen auch alle gemeinsam erfolgreich sein», sagte der 38-Jährige. 

Die Nationalmannschaft ist sieben Monate vor dem WM-Anpfiff ein instabiles Team, ohne verlässliche Automatismen oder Erfolgsgarantien. Die Frage ist: trotz oder wegen der Arbeit des Bundestrainers? Geht es gegen die Slowakei schief, wie geht es dann weiter?

Sané statt Adeyemi

Rückkehrer Leroy Sané, unter der Woche vom Bundestrainer öffentlich unter Druck gesetzt, reichten ein paar gute Szenen, um nun die Ansprüche zu befriedigen. «Auf Bewährung war er nicht da, sondern er ist da, um das Spiel zu entscheiden, mitzuentscheiden, das hat er gemacht», sagte Nagelsmann. Der Münchner wird gegen die Slowaken noch einmal ran dürfen.

Auch nach der persönlichen Rekordmarke von vier Siegen in Serie ist Nagelsmann längst zum Pragmatiker geworden. «Im Endeffekt ist Fußball Ergebnissport. Wir haben Druck in dieser Gruppe, den wir uns auch natürlich selber ein bisschen eingebrockt haben», sagte der Bundestrainer. 

Kimmich auf dem «Acker»?

Gegen die Slowakei will Nagelsmann neben Schlotterbeck am liebsten auch Kimmich wieder «auf dem Acker sehen». Tatsächlich wurde die Mentalität der Führungsspieler vermisst. Die Wahrheit ist aber auch, dass das Duo alleine keine Wunder bewirken kann. 

Um international wettbewerbsfähig zu sein, muss Nagelsmann darauf hoffen, dass andere fehlende Fixgrößen zurückkehren. Marc-André ter Stegen im Tor, Antonio Rüdiger in der Abwehr, Jamal Musiala und Kai Havertz in der Offensive, dazu eben noch Kimmich und Schlotterbeck: Mehr als die halbe Startelf könnte und dürfte bei der WM anders aussehen.

Zu einer WM-Versicherung für Nagelsmann ist Torjäger Nick Woltemade geworden. Die letzten drei Treffer beim 1:0 in Nordirland und dem 2:0 in Luxemburg gingen auf das Konto des Angreifers. «Ich freue mich. Er hat ähnliche Chancen gehabt in der Nations League, die er auch zu seinem Leidwesen noch nicht genutzt hat. Jetzt ist er halt super drin, auch in Newcastle, daher ist er wichtig für uns», lobte der Bundestrainer.

Keine Remis-DNA

Auf Remis will Nagelsmann nicht spielen lassen. «Generell haben wir schon irgendwie eine gewisse DNA in der Mannschaft und es kommen die meisten von Clubs, wo sie Favorit sind», erwartet er eine Siegermentalität. Aber: «Wir haben keine Phase, wo wir den Gegner aus dem Stadion schießen, sondern wir müssen uns Dinge erarbeiten.»

dpa