Bei juristischem Zwist in der Sportwelt hat eigentlich der Internationale Sportgerichtshof Cas in Lausanne das letzte Wort. Doch nun gibt es ein wichtiges und folgenschweres Urteil.
«Bedeutender Tag»: Höchstes EU-Gericht schränkt Cas ein
Athleten und Athletinnen sind nicht mehr verpflichtet, Entscheidungen des Internationalen Sportsgerichtshofs Cas zu akzeptieren. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit einem historischen Urteil den Weg zu ordentlichen EU-Gerichten für sie geöffnet. Dort kann überprüft werden, ob Cas-Entscheidungen im Einklang mit der öffentlichen Ordnung und den wesentlichen rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union stehen. Dies könnte den Cas stark beeinflussen, da er bisher in der internationalen Sportjustiz weitgehend das letzte Wort hatte.
«Das ist ein bedeutender Tag für die Sportschiedsgerichtsbarkeit», sagte der Sportrechts-Experte Jan F. Orth von der Universität Köln der Deutschen Presse-Agentur. «Der EuGH hat heute die Rechte der strukturell Schwächeren, also vor allem der Athleten und Vereine, gestärkt. Diese können nun immer mehr erreichen, dass ein nationales Gericht die Vereinbarkeit von Cas-Schiedssprüchen mit dem europäischen „Ordre public“ überprüft.»
Kartellrecht künftig wohl im Fokus
Der Richterspruch in Luxemburg begrenzt den Fall deutlich – wie stark er ihn langfristig schwächt, wird sich erst noch zeigen: Bisher waren die Urteile des Sportgerichtshofs weitgehend endgültig. Nur das Schweizer Bundesgericht konnte die Entscheidungen des in Lausanne ansässigen Schiedsgerichts noch aufheben – und das nur bei Verfahrensfehlern.
Doch das ändert sich nun. «Die Gerichte der Mitgliedsstaaten müssen in der Lage sein, die Vereinbarkeit dieser Schiedssprüche mit den Grundregeln des Unionsrechts eingehend zu überprüfen», hieß es vom EuGH-Gericht in Luxemburg. Ein zentraler Punkt dürfte dabei das Kartellrecht sein. Immer wieder klagen Sportler oder Clubs gegen Regeln, die ihnen oft von großen Verbänden auferlegt werden.
Der Cas gab sich in einer ersten Reaktion betont gelassen und wies darauf hin, dass die Sportrichter bereits jetzt EU-Recht anwenden würden, «wenn dies erforderlich ist». Cas-Generaldirektor Matthieu Reeb beteuerte: «Im Dienste der internationalen Sportgemeinschaft wird der Cas weiterhin zeitnah und fachkundig Streitigkeiten weltweit schlichten.»
Belgischer Verein mit juristischem Erfolg über FIFA
Im konkret behandelten Fall streitet sich der belgische Fußballverein RFC Seraing seit mehr als zehn Jahren mit dem Weltverband FIFA über das Verbot der sogenannten Dritteigentümerschaft. Dieses regelt, dass wirtschaftliche Rechte von Spielern nicht an Investoren verkauft werden dürfen. Das Verbot ist in den Regelwerken der FIFA, der Europäischen Fußball-Union UEFA und der nationalen Verbände festgelegt.
Der Club wurde von der FIFA daran gehindert, dass externe Investoren Spielerrechte erwerben – und er wurde 2015 mit einer Transfersperre und Geldstrafe belegt. Der Fall wurde vor dem Cas verhandelt, der im Sinne der FIFA entschied. Auch das Schweizer Bundesgericht hatte keine Einwände.
Seraing hat die Unabhängigkeit des Cas in Frage gestellt, da dieser durch internationale Verbände finanziert wird. Der Verein hat die belgischen Gerichte angerufen. Aufgrund des EuGH-Urteils könnte der Streit dort weitergehen und dem RFC Seraing neue Chancen auf einen für ihn günstigen Ausgang bieten.
Die Anwälte des Clubs begrüßten das Urteil: «Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der EuGH dem Verfahrensbetrug ein Ende gesetzt hat, mit dem internationale Sportverbände versuchten, die tatsächliche Anwendung des EU-Rechts zu umgehen, indem sie eine obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit außerhalb der EU einführten.» Das Internationale Olympische Komitee teilte mit, dass man das Urteil sorgfältig lesen werde.
Sportrechtler Orth: «Nicht das Ende des Cas»
Das Urteil des EuGH kommt nicht überraschend – bereits die Generalanwältin beim EuGH hatte argumentiert, dass nationale Gerichte in der EU die Schiedssprüche von Sportschiedsgerichten mit Sitz außerhalb der EU überprüfen können müssen. Aus ihrer Sicht werde die Zuständigkeit des CAS im Fußball den Sportakteuren aufgezwungen.
«Aber es bedeutet nicht das Ende des Cas», stellte Sportrechtler Orth klar. «Die internationale Sportschiedsgerichtsbarkeit bleibt wichtig und sinnvoll, damit wir weltweit einheitliche Standards haben, was die Bewertung sportgerichtlicher Sachverhalte angeht.»
Der EuGH entscheidet seit 1984 über Disziplinarstrafen, Transfererlaubnisse und Dopingsperren. Nur wenn dabei grundlegende EU-Rechte verletzt werden, können Prozessbeteiligte in Zukunft ordentliche EU-Gerichte anrufen, so die Absicht des EuGH.