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«Ist durch»: Tournee-Scheitern wirft viele Fragen auf

In Innsbruck ist für Pius Paschke und Co. mal wieder nichts zu holen. Doch neben den häufig zu kurzen Sprüngen gibt das deutsche Team auch abseits der Schanzen nicht die beste Figur ab.

Nicht gucken, nicht anfassen: Mit dem goldenen Adler hat Pius Paschke nichts mehr zu tun.
Foto: Daniel Karmann/dpa

Andreas Wellinger blieb ehrfürchtig stehen und schaute mit Wehmut auf die im Bergisel ausverkaufte prächtige Kulisse. Die ohrenbetäubende Partymusik und wummernden Bässe machten es dem Olympiasieger inmitten der ausgelassenen Skisprung-Party Österreichs schwer verständlich zu sein.

Bundestrainer: «Schuss ist eher nach hinten losgegangen»

Trotz des Triumphs von Sven Hannawald vor 23 Jahren warten die Deutschen immer noch auf einen Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee. Im Gegensatz dazu dominiert Österreich mit dem Sieg von Stefan Kraft in Innsbruck nach Belieben. Beim Deutschen Skiverband hatte man sich das – und auch die eigene Leistung – ganz anders vorgestellt.

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«Wir wollten aufholen, das ist uns leider nicht ganz gelungen. Wir haben alles probiert. Der Schuss ist eher nach hinten losgegangen», sagte Bundestrainer Stefan Horngacher über sein Team, bei dem es einzig Pius Paschke als Achter unter die besten Zehn schaffte. Ein durchweg enttäuschendes Abschneiden, am Bergisel und auch im Gesamtklassement.

Horngacher hakt Tournee ab

Das 34-jährige Trio, bestehend aus den Top-Springern Kraft, Jan Hörl und Daniel Tschofenig, ist so stark, dass selbst Paschke nicht mithalten kann. Am Montag (16.30 Uhr/ZDF und Eurosport) werden sie in Bischofshofen um den goldenen Adler springen – in einer Art nationalem Dreikampf, der nur durch 1,3 Punkte getrennt ist.

«Die Tournee ist durch. Das werden die Österreicher ausmachen», sagte der 55-Jährige über seine Landsleute, die mit drei Siegen in drei Springen und acht von neun möglichen Podestplatzierungen Erinnerungen an die alten Superadler-Zeiten mit Gregor Schlierenzauer und Co. wecken.

So glückselig Skisprung-Österreich ins Jahr 2025 gestartet ist, so sehr rumpelt es beim deutschen Team. Im Gelben Trikot und bei prächtiger Sonne war das Team um Paschke vor gut einer Woche in die Tournee gestartet. Auch Wellinger und Karl Geiger, der in Innsbruck nicht mal Weltcup-Punkte holte, galten als Podestanwärter. Und jetzt? Große Tristesse. «Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Die anderen springen einfach extrem gut aktuell», sagte Paschke.

Party am Bierstindl

Während die Fans aus Österreich weiterhin bis in den Abend am Bierstindl unterhalb des Bergisel den Dreifacherfolg feierten, war es für das deutsche Team an der Zeit, schnell ins Auto zu steigen und die Reise zum Teamhotel im Pongau anzutreten. Enttäuscht sei er nicht, behauptete Horngacher in der ARD. «Sonst hätte ich schon seit 23 Jahren enttäuscht sein müssen.»

Horngacher ließ diesmal die Interview-Zone im Auslauf der Bergisel-Schanze komplett aus – ein äußerst ungewöhnlicher Schritt im Skispringen. Schon in den Tagen zuvor schien der Chefcoach teilweise schmallippig und genervt von den fortwährenden Fragen zur seit über zwei Jahrzehnten andauernden Flaute.

Zumal der Tiroler bereits seinen sechsten erfolglosen Tournee-Versuch als Bundestrainer durchläuft und die Ausgangslage mit Hoffnungsträger Paschke diesmal besonders günstig erschien. «Es war nicht alles schlecht», bilanzierte Paschke. 

Die Österreicher machen derzeit nicht nur auf der Schanze, sondern auch abseits davon eine deutlich bessere Figur. Während Gespräche mit deutschen Athleten aufgrund der Kälte manchmal abrupt enden, sind Kraft, Tschofenig und Co. bereitwillig und ausführlich über ihren aktuellen Lauf.

Trainerfrage im Skispringen kein Thema

Im schnelllebigen Fußball-Geschäft würde jetzt die Trainerfrage beim deutschen Team gestellt werden. Doch Skispringen funktioniert in dieser Hinsicht ganz anders. Die sportliche Leitung um den Trainer und Sportdirektor Horst Hüttel denkt in Zyklen. Der Vertrag mit Horngacher wird stets nur um ein Jahr verlängert.

Olympia 2026 in Italien gilt zwar als gemeinsames Ziel der beiden Macher. Die Frage, warum seine Athleten so oft zur Tournee einknicken, wird Horngacher trotzdem beantworten müssen. Und die vor ein paar Tagen gegebene Antwort, dass es eben «immer ein, zwei bessere Sportler gegeben habe», dürfte dann nicht reichen. Dafür ist die Enttäuschung bei dieser Tournee zu groß.

«Wimpernschlag» zwischen Österreichs Trio

Wellinger wird mit starken Emotionen zur vierten Etappe der Tournee reisen. Im letzten Jahr kämpfte der Bayer noch um den Gesamtsieg, musste sich jedoch Ryoyu Kobayashi aus Japan geschlagen geben.

Diesmal darf er zuschauen, wie Kraft, Hörl und Tschofenig den ersten rot-weiß-roten Gesamtsieger seit 2015 untereinander ausmachen. «Ich traue mich keine Prognose, weil alle drei so verdammt gut skispringen. Das ist quasi ein Wimpernschlag», sagte Wellinger. Er lege sich höchstens fest, dass ein Österreicher die Tournee gewinnen werde, scherzte er. Und mal wieder kein Deutscher.

dpa