Wer ihm das vor nicht mal zwei Monaten prophezeit hätte, wäre von Max Verstappen beleidigt worden. In drei Wochen kann er rechnerisch schon die WM anführen. Es ist wie im Film – nur Realität.
«Kannibale» Verstappen lässt auf Titelspektakel hoffen

Max Verstappen kann die imposanten Hörner aus Texas im Trophäenschrank lassen, während er weiterhin das verunsicherte McLaren-Duo jagt. Innerhalb weniger Wochen hat er die Formel 1 wieder zu seinem Revier gemacht, zur eigenen Überraschung.
Noch vor ein paar Wochen: «Ich hätte ihm gesagt, er ist ein Idiot»
Nach dem Heimrennen in Zandvoort am 31. August lag Verstappen noch (fast) aussichtslos 104 Punkte hinter Oscar Piastri. Geglaubt, dass er vier Grand Prix später 64 Zähler aufgeholt haben und mitten im WM-Kampf stecken würde, hätte er es damals niemanden, der ihm das prophezeit hätte, versicherte Verstappen auf die ihm eigene Art: «Ich hätte ihm gesagt, er ist ein Idiot.»
Im Moment sprechen die Zahlen und Ergebnisse nur eine Sprache – die des Titelverteidigers: Sieg in Italien, Sieg in Aserbaidschan, Zweiter auf dem eigentlichen Red-Bull-Problemkurs in Singapur, Sieg im Sprint und im Hauptrennen in Austin. 101 Punkte an vier Wochenenden. Piastri, der im Verstappen-Reich in Zandvoort noch seinen siebten Saisonsieg gefeiert hatte, holte im selben Zeitraum 37 Punkte, Norris immerhin 57.
Coolness des WM-Primus ist verflogen
«Piastri und Norris zittern fünf Rennen vor Schluss», kommentierte der italienische «Corriere dello Sport». Das Schweizer Boulevardblatt «Blick» fragte sogar schon: «Ist Verstappen jetzt WM-Favorit?»
Piastri liegt immer noch 40 Punkte vor ihm, obwohl ihm die Coolness der ersten Saisonhälfte komplett abhanden gekommen ist. Der 24-jährige Australier macht Fehler und wirkt stark verunsichert. Nicht vergessen: Es ist erst seine dritte Formel-1-Saison und einen WM-Kampf wie diesen hat er bisher höchstens mal als Fan im TV verfolgt.
Norris bekam immerhin schon im vergangenen Jahr als WM-Zweiter einen Vorgeschmack. «Es sieht immer mehr danach aus, als würde die Formel-1-Saison 2025 einen unglaublich spektakulären Höhepunkt erleben», prophezeite der niederländische «Telegraaf». Der Formel 1 kann es recht sein, ausgerechnet im Jahr des super erfolgreichen Hollywood-Streifens «F1 – The Movie» könnte das echte Geschehen auf der Strecke kaum mehr Blockbuster-Qualitäten haben.
Verstappens klare Ansage: «Die Chance ist auf jeden Fall da»
Verstappen könnte bereits in knapp drei Wochen rechnerisch an der Spitze des Klassements stehen – dies wäre das erste Mal in dieser Saison. Am Sonntag findet der Große Preis in Mexiko-Stadt statt, gefolgt von dem Rennen in São Paulo weitere 14 Tage später – mit einem weiteren Sprint am Samstag davor.
Das bedeutet auch: Ein Fahrer kann maximal 58 Punkte allein bei den beiden bevorstehenden Grand Prix holen. Danach folgen noch die Rennen in Las Vegas, Katar (ebenfalls mit Sprint) und Abu Dhabi.
«Fünf Rennen, zwei davon Sprints – wenn wir diese Form weiterhin behalten können, kann es wirklich noch spannend werden», sagte Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko fast noch zurückhaltend. «Die Chance ist auf jeden Fall da», bekräftigte aber Chefpilot Verstappen nach seinem 68. Karrieresieg ganz klar.
Vor Kurzem war der Ton noch deutlich zurückhaltender. Aber spätestens seit dem Abgang des seit längerem umstrittenen Teamchefs Christian Horner Anfang Juli und dem Engagement von Laurent Mekies an seiner Stelle hat sich bei Red Bull Racing offenbar nicht nur das Binnenklima verändert.
Nur einer schaffte bisher fünf WM-Triumphe nacheinander
Bisher hat nur Michael Schumacher (2000, 2001, 2002, 2003 und 2004) im Ferrari fünf Titel in Serie gewonnen. Lewis Hamiltons Titelära mit sechs Siegen bei Mercedes wurde 2016 von seinem damaligen Teamkollegen Nico Rosberg unterbrochen. Insgesamt haben nur Juan-Manuel Fangio (5) sowie Schumacher und Hamilton (jeweils 7) in der Geschichte der Formel 1 fünf oder mehr Titel gewonnen.
«Jetzt müssen wir deren Momentum irgendwie unterbrechen», betonte McLarens Geschäftsführer Zak Brown. Dass die Teambosse aus Sicht mancher mit den sogenannten Papaya-Regeln in Anlehnung an die Lackierung des lange Zeit überlegenen McLaren zur Verunsicherung beitrugen, ist auch Teil dieses WM-Dramas in 24 Akten. Der Beinahe-Crash in Singapur, die Aussprache, ominöse Konsequenzen für Norris, der Unfall und das Aus der beiden im Sprint von Austin – für den «Kannibalen» («Gazzetta dello Sport») ein gefundenes Fressen.
Hinzu kommt, das in der entscheidenden Phase der WM auf einmal auch Mercedes und Ferrari sich zwischen die WM-Rivalen schieben. «Das ist die Problematik für Oscar und Lando, dass es andere Teams geben kann, die ihnen Punkte wegnehmen», sagte Sky-Experte und Ex-Formel-1-Fahrer Timo Glock. Verstappen sei indes zu dominant, dass ihn jemand unter Druck setzen würde.







