Die harte Entscheidungen der Stewards könnten den Titelkampf entscheiden. Verstappen bleibt kompromisslos, doch die Regeln ändern sich.
Formel-1-Saison auf dem Höhepunkt in Interlagos
Der Kurs in Interlagos, der sich ideal für Dramen und Spektakel eignet, könnte für alle Formel-1-Fans im harten Kampf um den Weltmeistertitel nicht zu einem besseren Zeitpunkt im Rennkalender liegen. Die Stimmung ist aufgeheizt, der Vorsprung in den Punkten ist geschmolzen und Max Verstappen steht nach seiner doppelten Strafe für seinen kompromisslosen Kurs in Mexiko-Stadt im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Rennkommissare. Aber das ist noch nicht alles.
«Da der Titelkampf immer härter wird, ist es gut möglich, dass die Stewards in Brasilien noch mehr harte Entscheidungen treffen müssen», heißt es auf der Homepage der Rennserie. Dass Verstappen nicht einlenken wird zum Wohle der Rennkommissare, machte Vater Jos bereits deutlich: «Er wird seinen Fahrstil nicht ändern, nur weil es ein paar Stewards gibt, die ihn nicht mögen.»
Vater und Sohn werden auch diesmal genau beobachten, wer vom Internationalen Automobilverband beauftragt wird, über Vergehen zu urteilen, nachdem der Vater über einen möglichen Interessenkonflikt in Mexiko spekuliert hatte.
Der Grund für all das: Verstappens Wagen ist zu langsam
Es könnte ein aufregendes Finale auf die Formel-1-Saison zukommen. Im Jahr 2021 war die Atmosphäre zuletzt sehr angespannt. Verstappen gewann erstmals die Weltmeisterschaft. Im letzten Grand Prix spielte die Rennleitung eine entscheidende Rolle, nachdem es in den Wochen zuvor zwischen Verstappen und Red Bull sowie dem letztlich unterlegenen Lewis Hamilton und Mercedes hoch hergegangen war – sowohl auf der Strecke zwischen den Fahrern als auch außerhalb zwischen den Teamverantwortlichen.
So wie jetzt. Red Bulls Teamchef Christian Horner legte jüngst Daten vor, die beweisen sollten, dass Norris die Kurve bei einem der Duelle in Mexiko-Stadt gar nicht bekommen hätte, McLarens Geschäftsführer Zak Brown konterte in Richtung Max Verstappen: «Es ist unnötig, es gefährdet alle und es ist kein sauberes Rennen.» Das verbale Gezanke gehört dazu, gehörte es schon immer. Krach machen in der Formel 1 nicht nur die Motoren.
Mercedes-Teamchef: Rennfahren verändert sich nach Präzedenzfall
Ob sich der ein oder andere und insbesondere Verstappen durch den jüngsten rigorosen Strafkurs der Rennkommissare nun aber anders verhält, wird sich zeigen. Mercedes-Teamchef Toto Wolff glaubt daran: «Ein Fahrer geht immer ans Limit und wenn die Regeln eine gewisse Art des Rennfahrens erlauben, wird ein Fahrer wie Max die immer ausnützen. Nun gibt es aber eine neue Interpretation und Auslegung der Regeln und ich denke, das wird die Art Rennen zu fahren von allen verändern.»
Wolff sprach von einem Präzedenzfall. «Von jetzt an muss man außen in der Kurve Platz lassen, wenn das Auto neben einem ist. Zu spät zu bremsen und das andere Auto von der Strecke bringen und dabei selbst auch noch die Strecke verlassen – das ist nicht mehr drin.» Das sei gut für den Rennsport.
Dieses taktische Manöver, in der Innenbahn zu bleiben und nicht überholt zu werden, indem der Angreifer mehr oder weniger subtil nach außen gedrängt wird, ist typisch für das Repertoire des Weltmeisters Verstappen. Dabei ist entscheidend, wer am Scheitelpunkt vorne liegt, denn dieser hat das Recht auf die Kurve. Verstappen bremst einfach so spät, dass er meist vorne ist.
Selbst Papa Verstappen räumt ein: In einer Kurve zu viel
Es ist jedoch nicht die Absicht, dass nicht mehr überholt werden soll oder darf. Es geht darum, hart, aber fair zu kämpfen. Selbst Verstappens Vater Jos musste zugeben, dass es bei der zweiten Aktion seines Sohnes möglicherweise zu viel war im Autodrómo Hermanis Rodríguez gegen Norris. Max Verstappen hat keine Zeit für öffentliche Selbstbetrachtung. Wäre sein Auto nicht so langsam, müsste er sich auch nicht so verteidigen, so sein Credo. Er hat immer noch 47 Punkte mehr als Norris. Es stehen jedoch noch vier Grand Prix mit zwei Sprintrennen aus.
Norris’ Landsmann Damon Hill ehemaliger Weltmeister und heutiger TV-Experte, sieht bei Verstappen auch eine Mitschuld beim Team. «Es hat fast den Anschein, als könne Max tun und lassen, was er will», sagte er im Sky Sports Podcast. «Es kann aber kein Zerstörungsrennen sein, nur um seinen Platz zu halten oder einem anderen einen Platz zu verwehren.»