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Kracher in Dortmund: Im «Premier-League-Style» ins Finale?

Nur zwei Siege trennen die Niederlande und England noch vom ersten großen Titel seit langer Zeit. Auf dem Platz ist England Favorit, in der Stadt wird wohl Oranje dominieren.

Treffen im EM-Halbfinale aufeinander: Englands Trainer Gareth Southgate (l) und Oranje-Coach Ronald Koeman.
Foto: Martin Meissner/AP/dpa

Die Stimmung wird sicherlich ein EM-Höhepunkt sein, aber wird es auch der Fußball sein? Im spannungsgeladenen Halbfinale zwischen den Niederlanden und England streben beide Nationen danach, ihren Traum vom ersten großen Titel seit Ewigkeiten mit aller Kraft am Leben zu erhalten.

Mehr als 100.000 Fans aus beiden Ländern werden am Mittwoch in Dortmund erwartet und den dortigen Fußballtempel in eine ohrenbetäubende Stimmungshochburg in Orange und Weiß verwandeln. Dass sie auf ein EM-Finale hoffen dürfen, haben sich ihre Nationalmannschaften allerdings nicht unbedingt mit hoher sportlicher Kunst erspielt.

Die favorisierten Engländer haben sich eher durch das Turnier gequält, anstatt ihre Gegner zu dominieren. Die Leistungen des hochkarätigen Teams mit dem höchsten Marktwert aller EM-Teams waren träge und oft uninspiriert. Trotzdem ist das Potenzial enorm – besonders in der Offensive. Egal ob Bayern-Superstürmer Harry Kane, Mittelfeldlenker Jude Bellingham oder die beiden Turbodribbler Bukayo Saka und Phil Foden: Sie alle stehen eigentlich für schnellen Fußball mit Torgarantie. Und nicht nur sie.

Viele Spieler kennen sich sehr gut

«Ich denke, wir werden ein Spiel im Premier-League-Style sehen», sagte der niederländische Nationalspieler und frühere Bundesligaprofi Micky van de Ven, der mittlerweile bei Tottenham Hotspur spielt. «Der Rhythmus und das Niveau des Spiels werden hoch sein. Viele Spieler kennen sich aus der Premier League.»

In der Tat hat das Duell um das EM-Finale etwas von einem großen Klassentreffen. “31 Spieler in beiden Kadern spielen in der Premier League.” Andere wie der niederländische Stürmer Memphis Depay waren bereits in der wohl besten Fußballliga der Welt aktiv. Auch sonst ist der Fußball der beiden Nationen eng miteinander verknüpft.

In Arne Slot trainiert ein niederländischer Coach in der kommenden Saison als Nachfolger von Jürgen Klopp den FC Liverpool. England-Verteidiger Luke Shaw bekam vor dem Halbfinale bereits eine «freche Nachricht» von seinem niederländischen Trainer bei Manchester United, Erik ten Hag. Und Bondscoach Ronald Koeman hat ebenfalls eine besondere Beziehung zum kommenden Gegner.

Koeman und seine England-Geschichte

Bei Niederlandes 3:1 Sieg gegen die Three Lions auf dem Weg zum EM-Titel 1988 in Düsseldorf war der heute 61-Jährige als Spieler dabei. Fünf Jahre später erzielte er sogar ein Tor in der WM-Qualifikation, nachdem er zuvor nur Gelb statt Rot für eine Notbremse gesehen hatte. Niederlande gewann damals 2:0, während England das Weltturnier verpasste. Als Trainer war Koeman bereits für den FC Southampton und den FC Everton tätig. Er wird als Pragmatiker angesehen – genauso wie sein Gegenüber Gareth Southgate.

Beide wurden während des Turniers heftig von Kritikern in ihrer Heimat angegriffen. Viele Fans und Beobachter sind nicht zufrieden, nur weiterzukommen. Einige englische Anhänger warfen sogar Bierbecher nach Southgate und beleidigten ihn mit obszönen Gesten.

«Ich kann nicht leugnen, dass es wehtut, wenn die Dinge so persönlich werden wie zuletzt. Ich glaube nicht, dass es normal ist, wenn einem Bier nachgeworfen wird», sagte der 53-Jährige. «Aber wir stehen im dritten Halbfinale in vier Turnieren. Wir machen weiter und genießen diese Reise.»

Shaw stützt Trainer Southgate mit deutlichen Worten

Im EM-Finale 2021 scheiterte England im Elfmeterschießen an Italien. Diesmal soll der zweite große Titel nach dem WM-Triumph 1966 im eigenen Land geholt werden. Eine Art trotzigem Zusammenhalt könnte dabei helfen. Die Mannschaft stellt sich geschlossen gegen die Kritik von außen.

«Wir Spieler lieben ihn. Er ist genau das, was wir brauchen. Er ermöglicht uns, auf dem Feld unser Bestes zu zeigen», sagte Linksverteidiger Shaw über Southgate. Und Kane erklärte: «Wir sind im Halbfinale, also machen wir es wohl recht gut. Wir haben wirklich diesen Glauben, dass wir etwas Besonderes schaffen können.»

Das und auch die Qualität, nach Rückständen zurückzukommen, haben sie mit ihrem Gegner gemeinsam. Die teils schwachen Leistungen der Vorrunde und in der ersten Hälfte im Viertelfinale gegen die Türkei bremsen die Euphorie bei den Niederländern keineswegs. «Wir können stolz sein, dass wir das Halbfinale erreicht haben», sagte Koeman. «Das hat niemand erwartet. Aber die Mission ist noch nicht vorbei.»

«Die Gelbe Wand gehört jetzt uns»

Beim Versuch erstmals seit der WM 2010 wieder in ein großes Endspiel einzuziehen, wollen am Mittwoch (21.00 Uhr/ARD/MagentaTV) deutlich mehr Fans dabei sein, als ins Stadion passen. Rund 62.000 Zuschauer sind bei EM-Spielen in der Dortmunder Arena zugelassen. Bis zu 80.000 feierwütige Niederländer werden in der Stadt erwartet und wohl auch wieder von links nach rechts hüpfend ihren berühmten EM-Tanz zeigen. «Die Gelbe Wand gehört jetzt uns», titelte die niederländische Zeitung «AD» mit Blick auf die legendäre Südtribüne.

dpa