Die Nationalmannschaft ist ein fragiles Gebilde ohne Automatismen. Nagelsmann setzt auf Rückkehr der Schlüsselspieler für internationale Konkurrenzfähigkeit.
Julian Nagelsmann sucht nach Balance vor entscheidendem WM-Qualifikationsspiel

Julian Nagelsmann war zwischen Erleichterung und Selbstkontrolle hin- und hergerissen. Der Bundestrainer war natürlich nicht zufrieden mit dem Auftritt der Fußball-Nationalmannschaft beim 2:0-Sieg in Luxemburg, dem mehr als holprigen vorletzten Schritt Richtung WM in Amerika.
Aber ähnlich wie bei seiner Ansprache an sein Team nach einer sehr schlechten ersten Halbzeit im Großherzogtum, wählte Nagelsmann vorsichtige Worte, um die Situation vor dem entscheidenden Spiel um das direkte Turnierticket am Montag (20.45 Uhr/ZDF) gegen die Slowakei in Leipzig zu beschreiben.
Nicht auf Mannschaft draufhauen
«Am Ende habe ich schon das Gefühl, dass die Mannschaft das gerade nicht verträgt, wenn man jetzt super draufhaut, ehrlich gesagt, sondern wir wollen auch alle gemeinsam erfolgreich sein», beschrieb der 38-Jährige seine moderate Verbal-Strategie bei der Analyse eines unbefriedigenden Auftritts.
Die Nationalmannschaft ist sieben Monate vor dem Beginn der Weltmeisterschaft schlichtweg ein fragiles Konstrukt, ohne verlässliche Automatismen und Erfolgsgarantien. Die Frage ist: Trotz oder wegen der Arbeit des Bundestrainers? Nagelsmann ist längst zum Pragmatiker geworden. «Im Endeffekt ist Fußball Ergebnissport. Wir haben Druck in dieser Gruppe, den wir uns auch natürlich selber ein bisschen eingebrockt haben», sagte er.
Der Fakt bleibt, dass ein Unentschieden gegen die Slowaken nach vier insgesamt ziemlich glanzlosen Siegen in Serie für den ersten Platz und die sichere WM-Teilnahme ausreicht. Dies war die wichtigste Ausbeute der Reise nach Luxemburg. Andere Erkenntnisse geben weniger Hoffnung für den WM-Sommer.
Hoffen auf Rückkehrer
Gegen die Slowakei will Nagelsmann die angeschlagenen Joshua Kimmich und Nico Schlotterbeck wieder «auf dem Acker sehen». Tatsächlich wurde die Mentalität der Führungsspieler vermisst. Bei Schlotterbeck ist der Bundestrainer nach dessen Fußblessur «vorsichtig optimistisch», bei Kapitän Kimmich hingegen nach der Knöchelverletzung «vorsichtig skeptisch».
Die Wahrheit ist jedoch auch, dass das Duo allein keine Wunder vollbringen kann. Um international wettbewerbsfähig zu sein, muss Nagelsmann auf die Rückkehr anderer fehlender Fixgrößen hoffen. Marc-André ter Stegen im Tor, Antonio Rüdiger in der Abwehr, Jamal Musiala und Kai Havertz in der Offensive, dazu ebenso Kimmich und Schlotterbeck: Mehr als die halbe Startelf könnte sich bei der WM verändern.
WM-Versicherung Woltemade
Vor kurzem wurde noch gefragt, warum Woltemade im DFB-Trikot nicht trifft. Jetzt hat der Angreifer die letzten drei Treffer beim 1:0 in Nordirland und mit dem Doppelpack in Luxemburg erzielt. Der 23-Jährige von Newcastle United ist längst die WM-Versicherung für den Bundestrainer.
Der lobte den 1,98-Meter-Schlaks nicht nur für seine Tore, sondern auch für seine Arbeit in die Tiefe, einen enormen Fleiß. «Ich freue mich. Er hat ähnliche Chancen gehabt in der Nations League, die er auch zu seinem Leidwesen noch nicht genutzt hat. Jetzt ist er halt super drin, auch in Newcastle, daher ist er wichtig für uns», sagte Nagelsmann.
Risiko-Abwägung gegen die Slowakei
Ein Punkt reicht gegen die Slowaken. Doch Nagelsmann kann nicht auf Unentschieden spielen lassen. Bei einer zweiten Pleite binnen zwei Monaten gegen die Slowaken droht das Vabanque-Spiel in den WM-Playoffs. «Generell haben wir schon irgendwie eine gewisse DNA in der Mannschaft und es kommen die meisten von Clubs, wo sie Favorit sind», erwartet Nagelsmann eine Siegermentalität.
Aber die Zweifel sind nach dem Luxemburger Auftritt nicht wegzureden. «Wir haben keine Phase, wo wir den Gegner aus dem Stadion schießen, sondern wir müssen uns Dinge erarbeiten. Das müssen wir von Beginn an machen, dann bin ich zuversichtlich, dass wir das Spiel gewinnen werden», sagte Nagelsmann.








