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Machtprobe mit Kalkül – Spiel-Abbruch eine Frage der Zeit

Noch ein Tennisball auf dem Platz hätte wohl gereicht. Der Protest der Fans gegen den geplanten Investoren-Einstieg bei der DFL verschärft sich weiter. Das Ende des Konflikts scheint offen.

Uion-Fans zeigen in der Alten Försterei Banner, die sich gegen den geplanten Investoren-Deal der DFL richten.
Foto: Andreas Gora/dpa

Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis es den ersten Spiel-Abbruch in der ersten oder zweiten Fußball-Bundesliga gibt. Im immer weiter eskalierenden Streit um den geplanten Einstieg von Investoren bei der DFL haben die Fans in den Stadien weitere deutliche Zeichen ihrer Macht gesetzt. Wenn noch ein Tennisball auf dem Rasen der Alten Försterei gelandet wäre, hätte das Spiel zwischen dem 1. FC Union Berlin und dem VfL Wolfsburg vorzeitig beendet werden müssen. Ähnlich knapp war es diesmal in Mönchengladbach und Hamburg.

Er habe Verständnis für Proteste und Demonstrationen, sagte Wolfsburgs Trainer Niko Kovac: «Aber ich finde, irgendwann sollten wir schon einen gemeinsamen Weg finden, dass das aufhört.» 

Wegen der Tennisbälle auf dem Rasen war die Begegnung in Berlin insgesamt über eine halbe Stunde unterbrochen gewesen. «Wir können ja jetzt nicht jedes Mal 30 Minuten länger spielen», sagte Kovac. «Wie sollen sie es sonst zeigen? Sie versuchen, Aufmerksamkeit zu generieren, was ihr gutes Recht ist», kommentierte VfL-Kapitän Maximilian Arnold die Proteste. Das Verständnis ist (noch) da, aber auch nicht mehr bei allen. 

Fan-Lager vereint im Kampf gegen die DFL

Aktionen wie Fadenkreuz-Plakate am Freitagabend bei der Partie von Hannover 96 beim Hamburger SV könnten die Atmosphäre auch zwischen Fans und den eigentlichen Hauptdarstellern weiter verändern. «Wir hören immer, der Fußball gehört den Fans», sagte Hannover-Coach Stefan Leitl: «Der Fußball gehört aber auch uns Fußballern. Und wir lieben diesen Sport auch.» Fairer Protest sei okay. «Alles andere bitte nicht mehr in unseren Stadien.» 

Die weitere Eskalation war vorprogrammiert. Nach einem Gesprächsangebot durch die Deutsche Fußball Liga hatten die organisierten Fans mit einer klaren Stellungnahme reagiert und eine neue Abstimmung über den Einstieg eines Investors als alternativlos bezeichnet. «Je länger die Proteste ignoriert werden, desto geschlossener werden wir für eine Neu-Abstimmung einstehen», warnen die organisierten Fans. 

Besonders im Stadion An der Alten Försterei setzten sie dies genau um. Die beiden Fan-Lager hielten zu Beginn des Stimmungsboykotts zusammen, sie riefen sich Parolen zu und spielten auch beim Tennisballwerfen ein wenig Doppelpass. Zuerst flogen sie von den Union-Rängen, dann aus dem VfL-Block.

«Jeder hat seinen Standpunkt. Mehr will ich dazu gar nicht sagen», meinte Unions Profi Robin Knoche. Wie seiner ist, verriet er nicht, dafür reagierte er mit einem Schuss Humor: «Ich brauche noch ein paar Tennisbälle, die nehme ich einfach mit.»

Fan-Sprecher: «Protest, der nicht wehtut, ist kein Protest»

Die Frage ist, wann wem endgültig das Lachen vergeht. Eine Lösung in dem Konflikt ist nicht in Sicht, die Fans fühlen sich durch die große öffentliche Wirkung bestärkt. «Protest, der nicht wehtut, ist kein Protest. Jetzt tut es ein bisschen weh, aber auch im übertragenen Sinne. Denn es wird ein Fußballspiel unterbrochen. Es wird niemand verletzt, niemandem wehgetan, niemandem geschadet», sagte der Sprecher des Fan-Dachverbandes «Unsere Kurve», Thomas Kessen, bei RTL/ntv. 

In der vergangenen Woche wurde das Zweitliga-Spiel des HSV gegen Hertha BSC für eine längere Zeit unterbrochen, und am Mittwoch letzter Woche wurde das Match der Unioner gegen den FSV Mainz 05 unterbrochen. Das Spiel zwischen Borussia Mönchengladbach und Darmstadt 98 am Samstag wurde für mehrere Minuten gestoppt, und es wurde auch in Augsburg, wo der FCA gegen RB Leipzig spielte, zeitweise nicht gespielt. Vor dem Topspiel zwischen Spitzenreiter Bayer Leverkusen und dem FC Bayern wurden unter anderem Flummis und Kamellen auf den Rasen geworfen, wodurch sich der Anpfiff verzögerte.

«Die Botschaft ist sehr, sehr klar und deutlich angekommen»

Mit Bannern wie «Private-Equity-Heuschrecken ohne Einflussnahme?» oder «DFL-Geprüfte Investoren: Finanziert vom Saudischen Blutgeld» unterstrichen die Fans von Union Berlin ihre Position. Tennisbälle seien kein Verbrechen, riefen sie auch. «Die Botschaft ist sehr, sehr klar und deutlich angekommen», betonte Stadionsprecher Christian Arbeit, der auch der Kommunikationschef der Berliner ist, über das Außenmikrofon. In einer weiteren Durchsage sagte er: «Wir sind so, so kurz davor dieses Spiel nicht weiter austragen zu können.» 

Die Fans haben den Ball der DFL mit Wucht vor die Füße geschossen, aber noch ein paar Reserven zurückgehalten. Bayern Münchens Vorstandschef Jan-Christian Dreesen hält noch intensivere Fan-Proteste nicht für zielführend. Falls es das Ziel Einzelner sei, Spiele mit «unlauteren Mitteln» zu beeinflussen, nehme er dies zur Kenntnis: «Das wird aber nichts ändern an der grundsätzlichen Einstellung der Mehrheit der 36 Bundesligaclubs», sagte er der «Welt am Sonntag».

Hannovers Sportdirektor fordert DFL zum Handeln auf

Die Zustimmung für den milliardenschweren Einstieg eines Investors im vergangenen Dezember war knapp und erreichte nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit. Insbesondere der Mehrheitsgesellschafter von Hannover, Martin Kind, der vom Stammverein angewiesen wurde, dagegen zu stimmen, geriet dabei in den Fokus. Es ist unklar, ob er dies getan hat.

Dass das Thema derzeit so massiv im Vordergrund steht, nachdem zuletzt auch Vereine wie Union Berlin oder der VfB Stuttgart sich für eine neue Abstimmung ausgesprochen haben, verwundert Augsburgs Geschäftsführer Michael Ströll. Er frage sich: «Jeder, der morgen nach einer Neuabstimmung ruft, warum hat der nicht vor sechs Wochen nach einer Neuabstimmung geschrien? Da muss man Populismus und Faktenorientiertheit miteinander vergleichen.»

Die gegenseitigen Vorwürfe könnten noch weiter zunehmen. «Man muss dieses Thema in den Griff bekommen», forderte Hannovers Sportdirektor Marcus Mann. «Die DFL muss Stellung dazu beziehen.» So dürfe es auf Dauer nicht weitergehen. «So machen wir zu viel kaputt.»

dpa