Die neue PSG-Ära: Kollektiv statt Stars, junge Talente und ein Trainerwechsel – Auf dem Weg zum Champions-League-Titel?
PSG: Vom Geldkönig zum Underdog
Paris Saint-Germain war jahrelang vor allem mit einer Zahl verbunden: 222 Millionen. So viel Euro gaben die Franzosen 2017 aus, um Superstar Neymar zu verpflichten. Eine absurd hohe Summe, angelegt für ein Ziel: den Gewinn der Champions League.
Die Tatsache, dass die Pariser ein Jahr später immer noch 180 Millionen Euro für Kylian Mbappé ausgaben, betonte ihre sportliche Besessenheit um den wertvollsten Pokal im Vereinsfußball – und gleichzeitig natürlich auch die schier endlosen finanziellen Ressourcen.
Jedoch auch mit dem ganzen Geld und zusätzlich Lionel Messi als drittem Weltstar neben Neymar und Mbappé reichte es nicht für den Sieg in der europäischen Königsklasse. Die drei vermeintlichen Retter sind nicht mehr in Paris. Viele Fußball-Romantiker erfreuen sich am regelmäßigen Scheitern von PSG, dem Scheitern des Spitzenvereins, der aus Katar finanziert wird.
Rummenigge: Pariser «Club-DNA hat sich komplett verändert»
Nun soll jedoch die Durststrecke vorbei sein: Im Finale der Champions League am Samstag (21.00 Uhr/ZDF/DAZN) gegen Inter Mailand steht Paris vor dem Happy End einer mehr als eineinhalb Jahrzehnte dauernden Reise. Es ist bezeichnend, dass es gerade in dieser Saison so weit sein kann – der ersten nach der Ära Mbappé.
«Die Club-DNA hat sich komplett verändert. Früher, nach dem Investoren-Einstieg, setzte man stark auf große Namen – heute auf ein homogeneres Team», analysiert Karl-Heinz Rummenigge, einst Vorstandschef des FC Bayern München. Er ist ein langjähriger Beobachter des PSG-Projekts in Europas Fußball-Elite. Für den 69-Jährigen ist Paris «die große Überraschung dieser Saison», wie er der Deutschen Presse-Agentur sagt.
Schnapszahl und Schnapsidee
Im Sommer 2020 standen Rummenigges Bayern und Paris mit Trainer Thomas Tuchel im Finale der Champions League gegenüber. Die Münchner gewannen 1:0. PSG war nie so nah am Triumph wie zuvor und danach. Selbst nach der Verpflichtung von Messi im Jahr 2021 für das scheinbar unschlagbare Offensiv-Trio Neymar-Mbappé-Messi schieden sie zweimal im Achtelfinale aus. Der Pariser Königsklassen-Plan begann mit der Schnapszahl von 222 Millionen Euro – am Ende war es eher eine Schnapsidee.
2023 folgte das Umdenken unter Neu-Coach Luis Enrique. «Statt aus Stars besteht sein Team aus jungen, hungrigen Spielern, die alle unbedingt etwas erreichen wollen und über eine klasse Technik verfügen», erklärt Thilo Kehrer im «Kicker».
Der Verteidiger war 2020 im Champions-League-Finale selbst für PSG gegen die Bayern aufgelaufen. Inzwischen spielt er bei Monaco, erkennt aber aus der Ferne eine «veränderte Philosophie» bei PSG. Er traut seinem Ex-Team den Erfolg über Bayern- und Barcelona-Bezwinger Inter zu.
Doué, Neves und Barcola statt Neymar, Mbappé und Messi
Im Gegensatz zu früheren Zeiten mit Neymar oder Mbappé steht nun das Kollektiv im Mittelpunkt. Natürlich spielen immer noch herausragende Spieler im Team, und der Verein gibt weiterhin viel Geld für sie aus: Erst im vergangenen Winter wurde der georgische Offensivkünstler Chwitscha Kwarazchelia für rund 70 Millionen Euro aus Neapel verpflichtet. Daneben spielen Teenager und Anfang-Zwanziger wie Désiré Doué, João Neves oder Bradley Barcola. Sie sollen die Zukunft von PSG sein.
Keiner dieser Profis fällt unangenehm auf. Selbst Ousmane Dembélé, der sich einst noch aus Dortmund weggestreikt hatte, ist von Enrique gezähmt worden. «Ich habe mich sehr verändert», räumt der Franzose ein.
Im Mai 2011 investierte das Emirat Katar in den Traditionsverein und gab in den nächsten Jahren Hunderte Millionen Euro aus. PSG strebte danach, die neue Glamour-Adresse in Europa zu werden, mit Prominenten wie Zlatan Ibrahimovic, David Beckham und eben Neymar, Mbappé und Messi. Trotzdem gelang es nie, den Henkelpott zu gewinnen – können dies nun die No-Names schaffen?
Trainer-Temperament trifft Pariser Nerv
Auch Rummenigge, der jahrelang mit dem mächtigen Paris-Boss Nasser Al-Khelaifi bei der europäischen Club-Vereiniung ECA zusammengearbeitet hatte, erkennt die Erfolgsfaktoren bei PSG. «Erstens haben sie ihre Payroll deutlich reduziert – viele der Größtverdiener, die auch für Unruhe in der Kabine sorgten, sind nicht mehr da», sagte er. «Zweitens haben sie mit Luis Enrique endlich den passenden Trainer gefunden.»
Der Spanier ist im Allgemeinen dafür bekannt, eher aufgeregt, unruhig und temperamentvoll zu sein. Es gibt emotionale Jubelbilder von ihm sowie Szenen, in denen er nach Enttäuschungen stinksauer ist und auch mal Journalisten ankeift.
Doch just der einstige Nationalspieler, Triple-Trainer des FC Barcelona 2015 und Chefcoach von Spaniens Nationalteam hat den Nerv bei PSG getroffen. «Wir haben uns kontinuierlich weiterentwickelt und sind gewachsen. Darauf können wir stolz sein», sagt er. «Aber wir müssen die Arbeit zu Ende bringen, denn unser eigentliches Ziel ist es, Geschichte zu schreiben.»