Nachwuchssorgen bei deutschen Skispringern: Erfahrene Athleten dominieren, während Jugendliche kaum nachrücken. Sportdirektor alarmiert und plant Maßnahmen.
Deutscher Skisprung-Nachwuchs in der Krise

Andreas Wellinger verwies nach der verkorksten Vierschanzentournee offen auf einen Missstand. «Wir brauchen mehr, die uns von unten das Leben schwer machen. Dann müssen wir uns weiterentwickeln», sagt der Olympiasieger mit Blick auf den deutschen Skisprung-Nachwuchs.
In Österreich besetzen alle drei Podestplätze junge Sportler im Weltcup-Team, während in Deutschland die Leistungsträger seit Jahren gleich geblieben sind. Es gibt kaum Nachwuchstalente, die nach oben drängen. Dies könnte bald zu einem langfristigen Problem werden. Der Sportdirektor ist besorgt.
Sportdirektor erwartet «Bruch» nach den Winterspielen 2026
«Das macht uns auch Sorge und da machen wir uns tagtäglich Gedanken drüber, wie wir Leute von hinten nachschieben können», sagt Horst Hüttel. Mit Blick auf die Olympischen Winterspiele im nächsten Jahr ergänzt der 56-Jährige: «Spätestens nach Mailand wird es bei uns einen Bruch geben. Da werden ein, zwei, drei Athleten aufhören, die wir im Moment noch haben.»
Pius Paschke, der stärkste Deutsche in dieser Saison, ist 34 Jahre alt. Wellinger ist 29 und Karl Geiger 31. Die drei sind auf den Plätzen drei, sechs und elf die besten Deutschen im Gesamtweltcup.
Wellinger: Österreich hat ein «Luxusproblem»
Im Vergleich dazu hat Österreich vier Springer in den Top-Acht. Der 22 Jahre alte Tournee-Champion Daniel Tschofenig (Erster), der 26 Jahre alte Tournee-Zweite Jan Hörl (Zweiter), der 31 Jahre alte Tournee-Dritte Stefan Kraft (Vierter) und der 22-jährige Maximilian Ortner (Achter).
Die Kader-Dichte im Nachbarland ist so groß, dass Erfolgscoach Andreas Widhölzl immer wieder Spitzenspringer zu Hause lassen muss. «Ein Luxusproblem» – so nennt Wellinger das. Bundestrainer Stefan Horngacher hat dieses Luxusproblem nicht.
Der 55-Jährige genießt trotz der krachenden Tournee-Niederlage weiter hohes Ansehen bei seinen Chefs. «Die Trainerfrage stellt sich im Moment für uns überhaupt nicht», sagt Hüttel. «Er hat unser volles Vertrauen». Horngacher hat beim Deutschen Skiverband einen unbefristeten Vertrag.
Der Österreicher bemüht sich kontinuierlich darum, junge Springer in das Team zu integrieren – mit begrenztem Erfolg. Die älteren sind oft einfach überlegen. Das Leistungsprinzip steht im Vordergrund.
Horngacher fordert Geduld – Zentralisierung ein Thema
Dennoch sieht Horngacher in der Nachwuchsarbeit Verbesserungen in den vergangenen Jahren. Diese wirkten aber nun einmal nicht sofort. Es brauche Geduld. Sportdirektor Hüttel verweist ebenfalls darauf, dass bereits an der Thematik gearbeitet werde. «Wir haben kein konzeptionelles Problem. Wir haben ein Qualitätsproblem», stellt er klar.
Hüttel hat den früheren Bundestrainer Werner Schuster als Nachwuchs-Cheftrainer zurückgeholt. Zudem wird über Zentralisierung im Jugendbereich diskutiert. Zu wenige Nachwuchsathleten habe man nicht, sagt Hüttel. Die Zahlen seien konstant. «Wir haben nicht weniger Kinder. Nur die Qualität ist schlechter», erklärt er.
Um die Leistungsdichte zu steigern, ist eine der Hauptaufgaben für die kommenden Jahre. Bis dahin müssen es die Erfahrenen richten.
Schon Ende Februar geht’s zur Weltmeisterschaft nach Trondheim. Auch dort heißen die Hoffnungsträger wieder Paschke, Wellinger und Geiger. «Es werden Junge nachkommen und wir werden so lange die Stellung halten», sagt Geiger kämpferisch. «Aber ich hoffe, dass wir irgendwann abgelöst werden.»