Nach 13 Jahren und 82 Länderspielen beendet Gündogan überraschend seine DFB-Karriere.
Ilkay Gündogan tritt als Kapitän der Nationalmannschaft zurück
In seiner Abschiedserklärung streift Ilkay Gündogan auch das große Ziel, zu dem er die Fußball-Nationalmannschaft nach reiflicher Bedenkzeit nicht mehr als Kapitän führen wird. «Ich hoffe sehr, dass gemeinsam der Aufwärtstrend fortgesetzt werden kann – und dann spricht auch nichts dagegen, bei der WM 2026 zu den engsten Titelanwärtern zu zählen. Wir haben einen fantastischen Trainer, eine richtig starke Mannschaft und einen tollen Teamgeist.» Die Perspektive beim Team passt – aber nicht mehr die für ihren Anführer.
Das geht jedenfalls aus den elf Sätzen hervor, mit denen ein dankbarer Gündogan etwas überraschend seine DFB-Karriere beendet; nach 13 Jahren, 82 Länderspielen, 19 Toren. Und nach einer Nationalmannschaftslaufbahn mit viel Verletzungspech, die nach dem bitteren Viertelfinal-Aus gegen Spanien bei der Heim-EM titellos und unvollendet bleibt. «Es war mir eine Ehre!», äußerte der 33-Jährige über seine Social-Media-Kanäle.
Der Vielspieler Gündogan verhehlte nicht den Hauptgrund für seinen Rückzug. Obwohl die WM in den USA, Kanada und Mexiko auch nach seinen Worten mit einer wiedererstarkten Nationalelf sehr reizvoll ist, scheint ihm der Weg einfach zu weit und zu beschwerlich. Bereits vor der EM habe «ich in meinem Körper, aber auch in meinem Kopf eine gewisse Müdigkeit» verspürt. Und diese habe ihn nach dem Turnier «zum Nachdenken gebracht».
Nagelsmann dankt Gündogan und öffnet eine Hintertür
Das Ergebnis ist nun bekannt. Und es hat verschiedene Auswirkungen auf das DFB-Team und Bundestrainer Julian Nagelsmann. Zuerst Toni Kroos (34), dann Thomas Müller (34), jetzt Gündogan – und bald auch der 38-jährige Teamsenior Manuel Neuer? Die Ü30-Fraktion wird zum Nations-League-Start Anfang September deutlich schrumpfen. Der sehr erfahrene, aber auch alte EM-Kader erhält die Verjüngung, die Nagelsmann schon im Turnierverlauf für notwendig erklärt hatte.
Gündogans Ausscheiden war dabei nicht vorgesehen in Nagelsmanns neuem Projekt «Weltmeister 2026». Den ersten Nach-EM-Kader für die Länderspiele gegen Ungarn am 7. September in Düsseldorf und drei Tage darauf in Amsterdam gegen Erzrivale Niederlande wird der Bundestrainer in der kommenden Woche bekanntgeben.
«Ilkay war ein herausragender Kapitän, mit dem ich gerne noch weitergearbeitet hätte», äußerte der 37-Jährige. Und Nagelsmann fügte sogar hinzu: «Die Tür bei der Nationalmannschaft ist nie ganz geschlossen.» Siehe Kroos, den Nagelsmann nach dem DFB-Rücktritt 2021 für die Heim-EM zum Comeback im Nationaltrikot überreden konnte.
Dank gab es auch von den Teamkollegen. «Als Kapitän hast Du uns durch unsere Heim-EM geführt. Ins Viertelfinale und zurück in die Herzen der Fans», hieß es in einem Post bei X.
Warten auf die Neuer-Entscheidung
Eine WM-Hintertür könnte auch eine Lösung bei Neuer sein. Deutschlands Rekordtorwart hat es bislang vermieden, sich klar in puncto DFB-Team zu positionieren. Der 124-malige Nationalspieler ist für seinen Ehrgeiz bekannt. DFB-Sportdirektor Rudi Völler hat gerade erst eine zeitnahe Entscheidung angekündigt, «was Manuel angeht». Der «erste Aufschlag, wie es weitergeht», liege dabei beim Weltmeister-Torwart von 2014, meinte Völler. Auch Neuer hatte in seinen bisherigen Äußerungen vielsagend auf das Kroos-Modell hingewiesen.
Es ist offensichtlich, dass sich die Hierarchie, die Struktur und auch die Achse der Nationalmannschaft auf dem Platz erheblich verändern werden. Nagelsmann benötigt neue Lösungen, auch in Bezug auf die Kapitänsfrage. Bayern-Profi Joshua Kimmich (29), der bereits stellvertretender Kapitän von Gündogan ist, wäre eine naheliegende Nachfolgelösung. Abwehrchef Antoni Rüdiger (31) wäre ebenfalls eine Option.
Kapitän gesucht, Umbau der Achse mit Groß
Möglich verlassen Neuer, Kroos und Gündogan die EM-Achse auf dem Weg zum nächsten großen Turnier in zwei Jahren. Müller spielte bereits bei der EM nur eine Nebenrolle. Eine wichtigere Rolle soll unter anderem der Neu-Dortmunder Pascal Groß (33) einnehmen, der bereits bei der EM im Mittelfeld als Backup für Kroos fungierte.
«Pascal ist einer, der einen ähnlichen Stil spielen kann», sagte Nagelsmann. Bayern-Youngster Aleksandar Pavlovic (20), der wegen einer Mandel-Operation die EM verpasste, und der Stuttgarter Angelo Stiller (23) sind Akteure, denen die Zukunft im Zentrum gehören könnte.
Kimmich als Profiteur
Kimmich könnte von Gündogans Rücktritt profitieren. Wird er nun von Nagelsmann wieder vom rechten Außenverteidigerposten ins Mittelfeld versetzt? Das würde Kimmich, der 91-fache Nationalspieler, möglicherweise zum Kapitän machen. Unter dem neuen Bayern-Trainer Vincent Kompany spielt Kimmich wieder im Mittelfeld in München. Das könnte auch die Pläne des Bundestrainers beeinflussen.
Nagelsmann hatte nach dem EM-Aus betont, dass er den älteren Spielern wie Neuer, Müller oder auch Gündogan die Zukunftsentscheidung zunächst selbst überlassen wolle. Bange wird ihm ohne die Routiniers nicht. «Wir haben einen großen Grundstock an Spielern, die 26, 27, 28 sind und auf jeden Fall noch die WM spielen können», sagte der Bundestrainer.
Gündogan von Barça zurück zu Guardiola?
Die Zukunft von Gündogan bleibt vorerst abseits der Klärung durch den DFB spannend. Es ist klar, dass der 33-Jährige weiterhin Vereinsfußball spielen wird, aber wo? Laut Medienberichten hat der FC Barcelona dem letztjährigen Stammspieler klar mitgeteilt, dass er den von Ex-Bundestrainer Flick trainierten Barça noch in diesem Transferfenster vorzeitig verlassen soll. Ein Comeback von Gündogan bei Manchester City scheint dabei nicht ausgeschlossen. City-Coach Pep Guardiola soll seinen Ex-Kapitän wieder im City-Team haben wollen.